Minderheitenschutz braucht Rechtsstaat und Demokratie

FUEN-Kongress: Im Vorjahr begonnene Debatte über bedenkliche Entwicklungen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten mit Resolution abgeschlossen

Die FUEN-Delegierten bei der Abstimmung über die Resolution Foto: FUEN/Laszlo Mihaly

Der Haussegen hing damals schief, als vor einem Jahr beim FUEN-Kongress in Berlin eine Resolution nicht zur Abstimmung zugelassen wurde, in der – unter Berufung auf eine entsprechende Entschließung im EU-Parlament – die Sorge vor dem Abbau des Rechtsstaats und der Demokratie in Ungarn zum Ausdruck gebracht wurde. Es gab einen heftigen Disput darüber (siehe dazu die Infoboxen).

Die Spannung  war daher beim heurigen Kongress vom ersten Tag an greifbar, ob es erneut zur Konfrontation kommen würde. Am Freitagabend verschwanden reihenweise Delegationen in Hinterzimmer, um Strategien zu prüfen und zu entscheiden, was geschehen solle, wenn es zum Konflikt kommt.

Doch dazu kam es nicht. Einstimmig wurde die Resolution verabschiedet, in der die Sorge um Rechtsstaat und Demokratie das Thema waren. Einbringer waren die Sorben, Friesen, Dänen sowie Sinti und Roma in Deutschland, der Bund Deutscher Nordschleswiger, der Rat der Kärntner Slowenen, die Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen und der Dachverband der Slowenischen Organisationen in Italien.

„Wir wollen die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit für die Minderheitenrechte in der EU hervorheben. Es geht um grundlegende rechtsstaatliche Prozesse, die in den EU-Staaten gewahrt bleiben müssen“, sagte Hartmut Leipner von den Lausitzer Sorben. Dazu brauche es eine unabhängige Justiz, welche die Verletzung von Menschenrechten konsequent verfolgt, aber auch die Verletzung der Rechte von Minderheiten ahnde. „Nur in einer funktionierenden Demokratie auf Basis des Rechtsstaats können Minderheiten wirklich geschützt werden“, betonte Leipner.

Einem der Argumente in der Diskussion vor einem Jahr, dass nicht nur in Ungarn der Rechtsstaat bedroht sei, sondern auch in Polen, und dass es auch in anderen Staaten bedenkliche Entwicklungen gebe, wurde mit dem Umstand Rechnung getragen, dass keine Staaten in der Resolution genannt sind. In der Diskussion wies ein Delegierter aus Katalonien auf eklatante Rechtsverletzungen in Spanien hin, und der Kärntner Slowene Bernhard Sadovnik verwies auf die Tatsache, dass Österreich keineswegs seine Verpflichtungen aus dem Staatsvertrag von 1955 gegenüber seinen Minderheiten erfüllt.

In der Resolution werden Europäischer Rat, EU-Kommission und EU-Parlament aufgefordert, „sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene für die Umsetzung der Rechtsstaatlichkeit einzusetzen.“ Die EU müsse wirksame Mechanismen zur Überwachung der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit, der Menschenrechte und des Schutzes von Minderheiten in ihren Mitgliedsstaaten eta-blieren.
„Bei schwerwiegenden und anhaltenden Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte oder den Schutz von Minderheiten müssen angemessene Sanktionen in Betracht gezogen werden, um eine wirksame Abschreckung zu gewährleisten“, fordert die FUEN.

FUEN und der FUEN-Kongress

Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) ist der Hauptvertreter und größte Dachverband der autochthonen nationalen Minderheiten, Nationalitäten und Sprachgemeinschaften Europas. Unter ihrem Dach vereint sie derzeit mehr als 100 Mitgliedsorganisationen aus 36 europäischen Ländern. Dieses Jahr trafen sich die Delegierten vom 7. bis 10. September zum 67. Kongress in Pécs/Ungarn.

Die Zeitung „Dolomiten“

Die „Dolomiten“ sind die älteste und meistgelesene deutschsprachige Tageszeitung in Südtirol. Sie gehen zurück auf die 1882 gegründete Zeitschrift „Der Tiroler“. Ihren Namen tragen die „Dolomiten“ seit dem Jahr 1923, als die Zeitung auf Druck der Faschisten umbenannt werden musste. Von den Nazis wurden die „Dolomiten“ 1943 verboten. Nach Kriegsende 1945 konnten sie wieder erscheinen. Der weiteste Leserkreis beträgt über 200.000 Leser.

2022 Debatte über Rechtsstaat in Ungarn

Beim FUEN-Kongress im September 2022 hatte es eine erregte Debatte darüber gegeben, ob der europäische Minderheiten-Dachverband Ungarn dafür kritisieren solle, dass es den Rechtsstaat aushöhle und keine Demokratie mehr sei, was das Europaparlament kurz zuvor mit großer Mehrheit festgestellt hatte. Eine Abstimmung über eine Resolution, welche die Minderheitenverbände aus Deutschland vorgelegt hatten, wurde aus formalen Gründen abgelehnt. FUEN-Präsident Loránt Vincze betonte seinerzeit, die FUEN solle nur zu Themen Stellung beziehen, die ganz konkret die Minderheitenpolitik betreffen. Er verstehe, dass es Bedarf gebe, die Entwicklung in Ungarn zu diskutieren. Die Berichterstattung über Ungarn sei allerdings einseitig; die ungarische Seite komme nie zu Wort, kritisierte Vincze, was heftigen Widerspruch auslöste. Die Debatte war auch deshalb heikel, weil Ungarn mit einer halben Million Euro einen sehr großen Beitrag zum FUEN-Budget leistet; insgesamt beträgt das Budget 1,2 Mio. Euro.

„Auf Kernaufgabe der FUEN konzentrieren“

Die FUEN solle nur zu Minderheitenfragen  Stellung nehmen, sagte Präsident Loránt Vincze vor einem Jahr. Diese Zielsetzung wird in einer Resolution unterstrichen, die heuer vom Dachverband der Ungarn in Rumänien, der SVP, der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, der Demokratischen Union der Ungarn in Kroatien und des Roma-Gemeinschaftszentrums in Nordmakedonien eingebracht und bei einer Enthaltung genehmigt wurde. Vorrangiges Ziel der FUEN sei es, „die Interessen ihrer Mitglieder auf dem Gebiet der Minderheitenrechte zu vertreten und ihnen zu dienen“. Die FUEN müsse sich weiterhin „auf die Stärkung der rechtlichen Garantien für den Schutz von Minderheiten auf europäischer Ebene und in allen europäischen Staaten konzentrieren.“ Die FUEN solle weiterhin den Dialog, die Zusammenarbeit und die Partnerschaft auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene mit Regierungen, Institutionen und Organisationen fördern, die sich für den Schutz und die Förderung von Minderheitenrechten einsetzen.


Die Europäische Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (MIDAS) wurde 2001 auf Vorschlag der Chefredakteure von Tageszeitungen gegründet, die in Minderheiten- oder Regionalsprachen erscheinen. Ziel war es, ihre Strategien zu koordinieren und die Zusammenarbeit in den Bereichen Informationsaustausch, Druck und Marketing zu fördern.

Inzwischen haben sich 27 Zeitungen aus 12 verschiedenen Ländern MIDAS angeschlossen. Die derzeitige Präsidentin ist Edita Slezáková.