Mit dem Herzen lesen...

Deutsches Jahrbuch 2020: Streiflichter aus dem Leben der deutschen Minderheit und Dank für unsere treuen ADZ-Leser!

Das Deutsche Jahrbuch 2020 gibt es für ADZ-Jahresabonnenten kostenlos. Wer es haben möchte, wende sich per E-Mail (aboservice@adz.ro) oder telefonisch an die Redaktion: +40 (0) 21 317 89 18 (rumänisch), +40 (0) 21 317 89 16 (deutsch). Postabonnenten bitten wir um die elektronische oder postalische Zusendung der Kopie des Einzahlungsbelegs.

Pünktlich zum Jahresanfang ist es wieder da! Diesmal mit einem Bildergruß aus dem hohen Norden: Streiflichter aus Sathmar von David Hackl. Die Titelseite des Deutschen Jahrbuchs 2020 ziert die St. Michaelskirche in Fienen/Foieni im Zwielicht. Kalenderbilder zeigen die alte Mühle und das Dorfmuseum ebendort, Spuren der Weinkultur in Bildegg, sathmarschwäbische Bräuche wie das Verbrennen der Hexe zum Faschingsende, das Tanzgruppenfestival, Burgen und Kirchen. Im Vordergrund steht diesmal auch inhaltlich das schöne Sathmarland. Aber auch das 30-jährige Jubiläum des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR). Geschichte und Geschichten, Interviews und Anekdoten, Lesespaß und Reiseerlebnisse zeichnen ein bewegtes Bild des vergangenen Jahres, rücken tapfere Menschen in den Vordergrund, machen Mut, die Ärmel wieder aufzukrempeln zum Mitgestalten – für ein neues, ein gutes, vielleicht sogar ein besseres Jahr!

Nach einem turbulenten vergangenen Jahr mit „der schwächsten Regierung der letzten 30 Jahre“ zeigt sich Dr. Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des DFDR, in seinem Geleitwort wieder vorsichtig optimistisch. Nach geglücktem Misstrauensvotum im November 2019 und dem Sieg der damaligen Opposition – „fast wie eine zweite Revolution“ – könnte es, mit Klaus Johannis erneut an der Spitze, wieder mehr Rückenwind für proeuropäische Kräfte in Rumänien geben.

„2019 war das Jahr, in dem die Rumäninnen und Rumänen einen ausgeprägten Bürgersinn unter Beweis stellten“, resümiert auch der deutsche Botschafter Cord Meier-Klodt. „Mit einer Rekordbeteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai haben sie ihre Bereitschaft unterstrichen, sich für eine starke EU, für gemeinsame Werte, den Rechtsstaat und eine Rückkehr zu einem Reformkurs in Richtung eines modernen Europas einzusetzen.“

Rückblicke auf Politik und Geschichte

Mit der 30-jährigen Geschichte des DFDR befasst sich der erste Abschnitt des Jahrbuchs. Im Interview von Hannelore Baier mit Dr. Paul-Jürgen Porr, der die Revolution und die Gründung des Forums aus Klausenburg/Cluj-Napoca hautnah miterlebte, erinnert sich dieser, wie Klaus Johannis 2000 für das Bürgermeisteramt in Hermannstadt/Sibiu aufgestellt wurde. Und dadurch das deutsche Forum erst sichtbar gemacht hatte: „Es war, glaube ich, die Initialzündung, um sich aus dem eigenen Kreis hinauszutrauen.“ Er blickt zurück auf innen- und außenpolitische Herausforderungen, die Katalysatorenfunktion des DFDR, wagt Ausblicke in die Zukunft.

„Ein vereinigtes Europa, kohäsiv und stark“ – so der Titel der Laudatio des parlamentarischen Vertreters der deutschen Minderheit, Ovidiu Ganț, auf Klaus Johannis zum Anlass der Verleihung der Goldenen Ehrennadel des DFDR. Mit einer Rückschau auf das politische Jahr 2019 resümiert Ganț auch die wichtigsten Ereignisse: Rumäniens EU-Ratspräsidentschaft, der erfolgreiche Gipfel in Hermannstadt, das Treffen mit Kanzlerin Merkel am Sitz des Forums, die Tagung der Gemischten Rumänisch-Deutschen Regierungskommission für Angelegenheiten der deutschen Minderheit, die Diffamierungskampagne gegen Klaus Johannis und das DFDR seitens PSD-Spitzenpolitikern.

Aus seiner Zeit als DFDR--Abgeordneter in Bukarest (1992-1996, 1998-2004) erinnert sich Wolfgang Wittstock: Mit dem Entstehen des Kriegsveteranengesetzes holt er weit über die 30 Jahre Forumsgeschichte aus, es geht um die „schwere Geburt“ des Zusatzes zur Anerkennung der Rumäniendeutschen als Veteranen, die in der Waffen-SS dienten bzw. dienen mussten, 1946 vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zur verbrecherischen Organisation erklärt. Ein langer Prozess voller Rückschläge war auch die Rückerstattung des ehemaligen evangelischen Waisenhauses in Hermannstadt, 1948 enteignet, heute Sitz des kirchlichen Begegnungs- und Kulturzen-trums „Friedrich Teutsch“.

Über die Herausforderung, neue Leute für das Forum zu gewinnen, spricht Josef Hölzli, Leiter des Regionalforums Nordsiebenbürgen, mit Gabriela Rist. Diese stellt in einem Gespräch mit Leopold Langtaler und Theo-dor Nagy auch die Zipser in Oberwischau/Vișeu de Sus vor, eine nur noch ca. 600 Mitglieder starke Gemeinschaft – im wahrsten Sinne des Wortes.

Den Abschluss bildet Hannelore Baier mit einem Resümee zur Deportation der deutschen Minderheit in die ehemalige Sowjetunion vor 75 Jahren, erfolgt auf den Befehl von Stalin, wobei auch auf die Rolle der rumänischen Regierung eingegangen wird.

Regenbogenfische, Sonnenblumenaktion, Benedikt-Ei

Auch im Kapitel „Aus Stadt und Land“ ist der Norden stark vertreten: Gabriela Rist stellt in einem Gespräch mit Schuldirektorin Maria Reiz das Johann-Ettinger-Lyzeum in Sathmar vor. Deutschlehrer Adalbert Csaszar vom dortigen Kölcsey-Ferenc-Nationalkolleg verrät, wie man Jugendliche im Online-Zeitalter zum Zeitunglesen verlockt – indem man sie zum Schreiben anregt, in diesem Fall für die Rubrik „Jugend schreibt“ in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Wo sich Pippi Langstrumpf, Regenbogenfische und Prinzessinnen zwanglos begegnen,  enthüllt Laura Căpățână Juller: auf der Bühne des deutschsprachigen Kindergarten- und Grundschultheatertags in Kronstadt, und dies schon im fünften Jahr.

Wer fürchtet sich vor Arithmetik, Geometrie und Algebra? Die Schüler von Barbara Bonfert (90),der sympathischen ehemaligen Mathematiklehrerin an der Nikolaus-Lenau-Schule in Temeswar – ihre Geschichte erzählt Raluca Nelepcu – bestimmt nicht!

Ins Sathmarer Land geht es wieder mit Beata Ambrus Szolomajer, die über den Arzt Dr. Dr. Joseph Solomeyer, Cousin ihres Vaters, berichtet: In Amerika zu Ruhm gelangt, blieb er mit seiner Heimat tief verbunden.
Mit dem Herzen liest man weiter: über 25 Jahre Dr. Carl-Wolff-Alten- und Pflegeheim in Hermannstadt; die Sonnenblumenaktion,  gute Seelen und Helden des Alltags, ein Sammelartikel mehrerer Autoren, die Erinnerungen zusammengefasst von Hannelore Baier.

Warum Temeswar positiv überrascht, verrät Andreea Oance im Gespräch mit Ramona Lambing; die Tourismusexpertin mit 30 Jahren Erfahrung betreut seit 2006 deutschsprachige Reisegruppen im Banat.

Wer reist, muss auch essen: Da kommt der „Feinschmeckertreffpunkt“ in Reußdorf/Cund von Hans Fink gerade recht. Was, bitte, ist ein Benedikt-Ei? Oder ein „Amuse Bouche“? Rosl und Friedl wissen es – aber hier wird nichts verraten!

Ernsthaftes, Nachdenkliches und Rätselhaftes...

Im Abschnitt „Kultur, Kulturerbe“ kommt ein Urgestein zu Wort: der Schriftsteller Hans Bergel, der heuer 95 wird, spricht mit Christine Chiriac über seine Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, die deutsche Minderheit, Identität, Heimat und Freiheit.

Mit fast 80 vergleichsweise jung – und doch ein Stück Kronstädter Musikgeschichte – ist der Organist und Chorleiter Hans Eckert Schlandt; sein Leben und Wirken erzählt Dieter Drotleff. Von Musiker zu Musiker unterhalten sich Hans Peter Türk und Klaus Philippi – „im Klang der Nachdenklichkeit“.

Zum 50. Todestag der Burzenländer Bildhauerin und Malerin Margarete Depner zeichnet Dr. Markus Fischer ein Bild ihres Lebens und Wirkens.

Dr. Mariana-Virginia Lăzărescu macht auf eine neue Erzählung von Joachim Wittstock neugierig. Titel: „Forstbetrieb Feltrinelli“. Keine Literatur ohne Germanistik: Was diese attraktiv macht, verrät Dozentin Dr. Laura Cheie von der Temeswarer West-Universität gegenüber Ștefana Ciortea-Neamțiu.

„Ein Manuskript voller Geheimnisse“, spannend wie ein Krimi, enthüllt Ursula Philippi. Um den Autor der Partituren des zweiten Teils des in Kleinschenk/Cincșor gefundenen Dokuments zu ermitteln, bittet sie die Leser um Hilfe. Rätseln und Raten gehört schließlich zu den Grundbedürfnissen des Menschen – davon ist zumindest Rätselautor Ovidiu Șperlea, interviewt von Elise Wilk, überzeugt.

Weiter geht es mit Rätselhaftem: Was hat Baasem in der Eifel mit Baaßen/Basna in Siebenbürgen zu tun? Zufall – oder Hinweis auf eine Migrationsgeschichte, fragte sich Angelika Marks. Sie hat dazu ausführlich recherchiert und eine ganze Liste Quellenhinweise geliefert.

 Auch der Rattenfänger von Hameln führt nach Siebenbürgen. Der Sage nach kommen die verzauberten Kinder, die dem Flötenspieler folgen, ausgerechnet in der Almescher Höhle in Harghita wieder ans Tageslicht. Kann das stimmen? Hans Fink findet es heraus.

„Es gibt mindestens zwölf Berlins auf der Welt, zehn Stuttgarts und zwanzig Heidelbergs“, verriet Jürgen Harich, der sich auf der Suche nach den Do-nauschwaben auf Weltreise begab, Gabriela Rist.
Mit einer kurzen und schmerzhaften Geschichte schließt Gabriel Medrea diesen Abschnitt des Jahrbuchs: Heute gibt es sie vor Ort  praktisch nicht mehr - die Do-brudschadeutschen.

Für die Seele, zum Entspannen und Schmunzeln

Nach soviel Geschichte ist jetzt „Lesespaß“ angesagt: Über Störche, fahrende Handwerker oder Siebenschläfer erzählen Ursula Philippi, Karin Gündisch, Dagmar Dusil. „Alles Lügen!“ titelt Michael Astner, während sich Jan Cornelius mit der „inexistenten Großmutter“ befasst. Balthasar Waitz macht „Theater“ – Carmen Elisabeth Puchianu dichtet „tyrrhenisch“ und über „Patulas Hund“…

In „Heimat, Brauchtum und Mundart“ geht es um den 700. Geburtstag von Holzmengen (Michael Mundt), 250 Jahre Siedlergeschichte in Bogarosch (Raluca Nelepcu), schwäbische Kirchweih in Detta und das Jubiläum der Tanzgruppe „Edelweiß“ (Martin Surman-Majeczki). Mit dem Feuerwehrjubiläum in Guttenbrunn würdigt Grete Weidmann das Erbe ihrer Vorfahren.  

In „Wer bockelt mir mein Tschureltchen?“ (Nina May) wird die Schleierkunst der Siebenbürger Sachsen vorgestellt – und verraten, warum der Autorin mit Sicherheit niemand eins bockelt, obwohl... Hat nicht die Hauptperson in dem Artikel, Ines Wenzel,  sogar an ihrem Mann geübt?

Schmunzeln darf man auch über die „Pipatsch“ – die humorige Mundartseite der „Banater Zeitung“, die im letzten Jahr 50. Jubiläum feierte. Damit befassten sich Helmut Ritter und Helen Alba. Es folgen Texte in banatschwäbischer Mundart von Helen Alba und Niki Schmidt.

Zum „Reisen und Wandern“ Lust machen soll das letzte Kapitel. Die Mutmachgeschichten über „Helden des dörflichen Tourismus“ (Nina May) wurden während der Haferlandwoche gesammelt. Im Rampenlicht stehen diesmal nicht die großen Veranstalter, sondern Trüffeljäger, Dorffrauenpower, eine Malerin aus Afrika, ein Klavierzimmer und – Käse. Ștefana Ciortea-Neamțiu führt auf den Spuren des Barocks durch die künftige Kulturhauptstadt Temeswar. Klaus Philippi sucht kulturelle Nischen und Schatten an der Steilküste der Dobrudscha – und meint, dass man mit einer „plăcintă bosumflată“ die Traurigkeit vertreiben kann.... „Es muss nicht immer Dracula sein“ – zu diesem Schluss kommt Ralf Sudrigian bei seiner Vorstellung der Gästehäuser der Familie Göbbel in Törzburg/Bran. Und der Artikel über herzerwärmende und komische Erlebnisse auf Überlandreisen (Nina May) verrät, warum auf dem letzten Sachsentreffen „Pressearbeit in Büßerpose“ angesagt war... Passend als Zeitvertreib für Bus oder Bahn folgt das Rätsel von Ovidiu Șperlea: „Heute mal wieder zwanzig“. Nanu – meint er nicht vielleicht – 2020?