Mit dem Kajak in eine neue Zukunft

EU-Projekt zur Ausbildung von Arbeitslosen zu Rettungsschwimmern, Tauchern und Bootsführern

Symbolbild: sxc.hu

Stolz posieren die jungen Männer und ein Mädchen im pinkfarbenen Badedress vor ihren gelb-orangen Kajaks. Braungebrannte Muskeln, entschlossene Blicke, Schweißperlen auf der Stirn bei über 40 Grad im Juli in Konstanza/Constanţa an der Schwarzmeerküste. Gespannt lauschen sie den letzten Anweisungen des Trainers, bevor einer nach dem anderen mit dem Boot auf dem Rücken den Tăbăcărie-See ansteuert und zielstrebig ins Wasser gleitet. Eine Gruppe sportbegeisterter Urlauber oder eine professionelle Rudermannschaft, mag man auf den ersten Blick denken. Tatsächlich handelt es sich um ein EU-gefördertes Projekt zur Ausbildung von Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen ohne Anstellung aus ganz Rumänien zu Rettungsschwimmern, Tauchern und Bootsführern. Gefragt sind diese Berufe vermehrt, seit auch das rumänische Gesetz Rettungspersonal für öffentliche Strände und Schwimmbäder fordert. Doch auch international wird die Ausbildung der 2011 gegründeten Schule von Salvamar (Asociaţia Naţională a Scafandrilor Profesionişti şi Salvamarilor din România, ANSPSR) anerkannt. Vor allem Taucher haben Chancen auf eine Anstellung im internationalen Raum, denn Dank des neuen, über zwanzig Meter hohen Turmes kann in Konstanza auch im Tauchen in großer Tiefe ausgebildet werden, was nur an wenigen Trainingszentren in Europa der Fall ist.

Teilnehmer aus allen Teilen des Landes

Seit den ersten Kursen im letzten August wurden hier 424 Arbeitslose ausgebildet, von denen mindestens über 60 eine feste Anstellung fanden, einige davon in Zypern oder Spanien. Konkrete Zahlen lägen ihm nicht vor, entschuldigt sich ANSPSR-Vizepräsident Adrain Ripa, denn die Schule beteiligt sich offiziell nicht an der Arbeitsvermittlung. Dafür zeigen Statistiken bereits deutlich weniger Tote durch Ertrinken seit der Ausstattung der Strände mit den neuen Rettungsschwimmern. Die Suche nach Kandidaten für die drei Ausbildungsgänge erfolgt durch gezielte Informationskampagnen in acht Entwicklungszonen im ganzen Land. Qualifizieren kann sich jeder Schwimmer über 18, der angstfrei mit dem Medium Wasser umgeht. Ein Einstufungstest verrät dem Kandidaten schnell, ob er sich der Ausbildung gewachsen fühlt. Geschlechtliche Einschränkungen oder Altersgrenzen nach oben gibt es nicht, einer der ältesten Schüler bisher war 50, erzählt der Trainer. Die aus anderen Landkreisen als Konstanza kommenden Teilnehmer erhalten zusätzlich zu der monatlichen finanziellen Zuwendung für alle auch Unterkunft und Verpflegung.

Die Ausbildung für die Taucher erstreckt sich über drei Monate und erfolgt in Gruppen von 18 Personen für den theoretischen und sechs für den praktischen Teil. Die Theoriemodule umfassen Grundprinzipien des Tauchens, hyperbarische Medizin, Unterwasserarbeiten, Erste Hilfe, Unterwassersicherheit, Planung von Tauchaktionen etc. Die Rettungsschwimmerkurse dauern nur zwei Monate und finden in Gruppen von 24 Personen für Theorie und sechs Personen für den Praxisteil statt. Themen sind Erste Hilfe im Ertrinkungsfall, kardiorespiratorische Wiederbelebung, Sicherheitsmaßnahmen bei Rettungseinsätzen und Elemente aus Medizin, Anatomie und Physik.

Trainer Gabriel Culea führt durch die moderne Schwimmhalle, wo den Schülern sechs Bahnen von 25 Metern Länge zur Verfügung stehen. Am Rand Sprungböcke und Bojen, ein Stapel Rettungsringe lagert in einer Ecke. Im Ausbildungsraum oberhalb des Schwimmbeckens hockt eine Gruppe Lehrlinge im Kreis auf dem Boden, in der Mitte drei Plastik-Dummies, die auf Beatmung und Herzmassage warten. Schwimmhalle, Unterrichtsräume und der Tauchturm mit einer Wassersäule von 20 Metern, ein Sportsaal und ein Konferenzraum wurden im Rahmen des 4.300.000 Euro teuren EU-kofinanzierten Projektes geschaffen. Die Ausbildung, einschließlich des Kajak-Trainings auf dem See, kann hier zu jeder Jahreszeit stattfinden.

Vorzeigeprojekt mit Hindernissen

Das Ausbildungszentrum, das im September 2011 vom deutschen Präsidenten der europäischen International Life Saving (ILSE), Dr. Klaus Wilkens, besichtigt und hoch gelobt wurde, läuft dennoch nur auf halber Kraft. Grund sind die langen Verzögerungen in der Rückerstattung der Gelder für die Ausbildungsmaßnahmen, die von der ANSPSR vorgestreckt werden müssen. Nun ist der Geldtopf leer, die letzten Gehälter konnten nicht ausbezahlt werden, verrät Wirtsschaftsdirektorin Mihaela Săraru, die an der vom EU-Ministerium angebotenen Konferenz am 6. Juli (siehe ADZ, 14. Juli: „Steiniger Weg zum europäischen Honigtopf“) in Mamaia teilgenommen hatte, wo auf das Problem aufmerksam gemacht wurde.

Das Projekt an sich sei zwar nicht in Gefahr, versichert Adrian Ripa, doch kostbare Zeit verstreicht, denn die EU-Finanzierung ist nur auf drei Jahre befristet. Danach muss das Projekt von alleine weiterlaufen, vertragsgemäß für mindestens weitere drei Jahre. Dr. Wilkens schreibt in einem Brief an den ANSPSR Präsidenten, das Trainingszentrum mit Tauchturm sei „einzigartig in der Welt der Lebensrettung“. Den Deutschen und sein Team verbindet eine langjährige professionelle Freundschaft mit den rumänischen Counterparts. Seit 2003 bildeten deutsche Trainer in jährlichen Kursen 86 Rettungsschwimmer und 7 Taucher sowie 14 Rettungsschwimmlehrer und 6 Tauchlehrer nach internationalen Standards in Rumänien aus. Parallel dazu finden jährliche Weltmeisterschaften statt, bei denen die Rumänen 2008 in Deutschland die Goldmedaille gewannen.

Weg in eine neue Zukunft

Trotz der gespannten finanziellen Lage ist die Begeisterung der am Ausbildungsprojekt Beteiligten spürbar. „Vergessen Sie nicht, den Turm zu fotografieren“, mahnt Mihaela Ripa am Ende unseres Gesprächs. Gabriel Culea, der Trainer der Kajakgruppe, stammt aus dem Donaudelta. Stolz gibt er sich als Schüler von Ruderchampion Ivan Patzaichin zu erkennen. Seine Schützlinge haben sich inzwischen längst über den See verteilt. Ihre fröhlichen Stimmen verraten Hoffnung. Mit dem Kajak paddeln sie auf eine neue Chance zu. Für viele auch eine neue Zukunft.