Mit Gulasch-Kochlöffel zum Kirchweihumzug

Banatschwäbische Tradition in Marienfeld wiederentdeckt

Die kleine Sophie erntete in ihrer authentischen Marienfelder Puppentracht viel Bewunderung, als die Kirchweihgesellschaft im Hof ihrer Urgroßeltern empfangen wurde.

Die Marienfelder Kinder waren schnell für deutsche Tanzschritte und Trachten zu begeistern, dank Gertrude Stumpilich. Fotos: Astrid Weisz

Ein Kirchweihfest, ein schwäbisches – das haben die wenigsten der heutigen Bewohner von Teremia Mare, früher als Marienfeld besonders für den Weinbau bekannt, miterlebt. Umso größer das Staunen bei diesen und die Freude bei den Marienfeldern, die aus Deutschland angereist dem 250. Dorfjubiläum mit Kirchweihfest beiwohnen konnten. 

Am frühen Samstagnachmittag erklang am 12. August Blasmusik in Marienfeld/Teremia Mare. Von der Schule zum Rathaus, am Park entlang und zur Kirche marschierten Trachtenträger zu den Märschen der Banater Musikanten aus Temeswar. Vor der Kirche wurde auch manches „Kerweih-Steckl“ getanzt. Von Weitem zu erkennen, schwang auch der Bürgermeister das Tanzbein im Walzer- oder Polkaschritt mit. Cornel Vasile Gui ist in Marienfeld geboren, wuchs mit den Schwaben auf, lebte dann jedoch über 20 Jahre in Österreich. Von seinen schwäbischen Landsleuten wird er anerkennend gefeiert, vor allem weil es wohl auch ihm zuzuschreiben ist, dass nach mehr als 30 Jahren wieder ein Kirchweihfest in Marienfeld veranstaltet wurde. Eigentlich hätte das Dorf schon 2020 das 250. Ansiedlungsjubiläum feiern sollen, doch erst gab es Corona-Beschänkungen, dann logistische Herausforderungen.
Vor der Kirche versammelten sich Schaulustige wie auch Teilnehmer. Man unterhielt sich auf Rumänisch, Ungarisch, Deutsch und Schwowisch. Herzliche Umarmungen und feste Händedrücke, teils mit der Frage „Kennst mich noch?“ Mitglieder der Heimatortsgemeinschaft waren vertreten, so der Vorsitzende Walter Keller, der selbst seit mehr als 30 Jahren nicht mehr in seinem Heimatort war. Gemischte Gefühle schnüren ihm die Kehle zu, es sei traurig zu sehen, in welchem maroden Zustand manche, allerdings bei Weitem nicht alle Bauernhäuser geraten seien. Die Kirche, die zwar mit finanzieller Unterstützung der HOG vor etwas mehr als einem Dutzend Jahren zum Teil renoviert wurde, teilt das Schicksal der Vernachlässigung. Es leben nur noch wenige Katholiken in dem Ort mit rund 5000 Seelen und die Ausgewanderten hätten nicht die Mittel, eine sechsstellige Euro-Summe, für die Reparaturen.

Den Festgottesdienst hielt der römisch-katholische Pfarrer aus Perjamosch/Periam. Pfr. Atilla Kozovits begrüßte die Gemeinde auf Deutsch und erklärte auf Rumänisch die Bedeutung des Kirchweihfestes und des Jubiläums, und weshalb er zu Ehre derjenigen, die das Dorf aufgebaut haben, sowie der aus dem deutschsprachigen Ausland Angereisten auf Deutsch weiter zelebrieren würde. Die musikalische Gestaltung der Messe hatte der Großsanktnikolauser Kantor inne, Adrian Matea{, der die Gemeinde mit dem Schlusslied „Mein Banat, du schöne Heimat“ (Melodie „Leise sinkt der Abend nieder“) zu Tränen rührte: Das Lied handelt von der Auswanderung der Banater Schwaben, leeren Kirchenbänken und Betongräbern statt Blumen auf dem Friedhof.

Neben der Marienfelder katholischen Kirche, die dem Fest Mariä Geburt geweiht ist und 1925 zur jetzigen Form umgebaut wurde, steht ein imposantes Heldendenkmal, wo am Ende der Messe ein gesegneter Kranz niedergelegt wurde. Gekommen waren unter anderen der Kreisratsvorsitzende Alin Nica und weitere Kreisräte, der deutsche Vizekonsul aus Temeswar, Siegfried Geilhausen, Bürgermeister und Vertreter der Marienfelder Heimatvereine, des Demokratischen Forums der Deutschen aus Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare, sowie der Partnergemeinde Zsombo aus Ungarn, deren Singverein „Bokréta Dalkör“ in Blaufärber-Trachten zum Fest gekommen war.

Marschiert wurde sodann zum Haus der Familie Mixich, unter Marienfeldern als Engel bekannt. Ein richtiger kleiner Engel sorgte hier für Entzücken: die drei Monate alte Sophie, die einzige in Marienfelder Tracht. Eine über 40 Jahre alte Trachtenpuppe war dafür ausgezogen worden. Stolz präsentierte Mama Andreea sie der geladenen Kirchweihgesellschaft. Zusammen mit ihren Eltern und Großeltern hatten sie sich als eine der wenigen noch schwäbischen Familien im Ort bereit erklärt, die Kirchweihgesellschaft zu empfangen, was sonst Aufgabe des ersten Kirchweihpaares gewesen wäre. Stolz, Freude und Begeisterung sind nur einige der Gefühle, die der zahlreiche Besuch bei den Hausherren hervorgerufen hat, nicht zuletzt durch die Blasmusik, die für ein-zwei Tänzchen im Hof sorgte und noch einen Extratusch für die kleine Sophie spielte. Nach einer Stärkung bei Saft, Bier, Kuchen und frischen Kipfeln zogen die Trachtenpaare, die Banater Spatzen unter der Leitung von Hansi Müller mit Trachten aus verschiedenen Banater Ortschaften und die erwähnte Kindertanzgruppe aus Marienfeld in Dirndln, die Buben mit „Leiwl mit Silberknöpfen“ und Kirchweihhüten, durch das halbe Dorf, mit Kirchweihstrauß und Kirchweihlöffel mit bunten Bändern, eine Eigenart der Marienfelder, die den Löffel dem nächstjährigen Vortänzerpaar reichten, damit der das Nachkerweihgulasch damit anrichte, erklärte Walter Keller.
Überall kamen Menschen aus den Häusern, um sich den Umzug anzusehen, mit Handys zu filmen und zu applaudieren. Freude, Überraschung aber auch Rührung war manchen anzusehen. Viele sind in das Dorf gezogen, nachdem die Schwaben es verlassen hatten, die wenigsten wissen mit einem Kirchweihumzug etwas anzufangen, höchstens jene, die ebenfalls aus Banater Nachbardörfer hergezogen sind. 

Dass es im Ort eine kleine „deutsche“ Kindertanzgruppe gibt, ist erst wenige Wochen her, wobei die Kleinen alle Rumänen, Roma oder Ungarn sind. Gertrude Stumpilich, Zollbeamtin in Rente, die mehrere Monate im Jahr wieder in Marienfeld lebt, hatte die Initiative dazu. Es sei ihr Traum gewesen, so eine Gruppe zu gründen, zumal das Musikmachen bei Dorffesten sie und ihren Mann zusammengebracht hat. Für das nächste Fest hofft man nun auf Spenden, um Marienfelder Trachten nähen zu lassen. Doch davor hieß es noch auf der Hauptstraße, der Tradition mit Kerweih-Vater Hansi Müller zu frönen. Für Ramona Lauermann wurde nach der Verlosung von Weinflaschen, Hut und Tuch, der Rosmareinstrauß ersteigert, so dass sie nun zumindest moralisch verpflichtet ist, nächstes Jahr Vortänzerpaar mit ihrem Freund zu sein.

Die Festansprachen anstelle der Kerweihsprüche hielten Bürgermeister Cornel Gui, Siegfried Geilhausen und Walter Keller, der die Festgemeinde auch im Namen des Bundesvorstandes der Landmannschaft Banater Schwaben grüßte, einen  geschichtlichen Überblick zu Marienfeld vorlas und dem Gastgeber einen rheinländischen Wein eines dorthin gezogenen Marienfelders überreichte. 

Erhard Kolleth, der über Jahre den Marienfelder Heimatverein in der Gegend Nürnberg leitete, und der mit seiner Drohne Luftaufnahmen von dem Fest machte, überreichte dem Bürgermeister das Marienfelder Heimatbuch von Dr. Anton Peter Petri, Friedrich Reinlein und Hans Wolz, das, 1986 von der HOG Marienfeld herausgegeben, über 750 Seiten Dorf- und Familiengeschichten umfasst.

Die Begeisterung für das Fest war auch bei den aus Deutschland angereisten rund 30 Marienfeldern unverkennbar. Sogar die Spugly-Band aus Frankenthal reiste an, mit Marienfelder Besetzung, die mit deutschen und rumänischen Schlagern für die Unterhaltungs- und Tanzmusik am Samstagnachmittag sorgte. Vielleicht wird das Kirchweihfest eine Wiederaufnahme der banatschwäbischen Tradition im Ort angestoßen und auch mehr ausgewanderte Schwaben ermutigt haben, öfter ihre alte Heimat aufzusuchen.