„Nachhaltigkeit kann man durch Projekte nur erreichen,  wenn die Leute von Anfang an eingebunden sind“

Gespräch mit Caroline Fernolend, Vorsitzende der NGO „Mihai Eminescu Trust“

Caroline Fernolend leitet die NGO „Mihai Eminescu Trust“. Foto: Cezar Machidon/Mihai Eminescu Trust

Caroline Fernolend, die Vorsitzende der NGO Mihai Eminescu Trust (MET) und Kronstädter Kreisrätin, ist kein neues Gesicht für unsere Leserschaft: In Deutsch-Weißkirch/Viscri geboren, ist sie 1983 nach Abschluss ihres Wirtschaftsstudiums in Kronstadt/Bra{ov in ihren geliebten Heimatort zurückgekehrt. Seit der Wende ist sie stets im Einsatz für die Dorfgemeinschaften in Siebenbürgen und hat sich besondere Verdienste im Erhalt des siebenbürgisch-sächsischen Kulturerbes erworben. Von 2018 bis 2022 war sie die erste Frau, die das Amt als Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen im Kreis Kronstadt seit dessen Gründung innehatte, und heute widmet sie sich ganz der von ihr geleiteten NGO, die bis dato über 1300 Projekte in Siebenbürger Dörfern umgesetzt hat. Auf der Pressekonferenz zur diesjährigen Ausgabe des Festivals „Haferlandwoche“ zur Förderung der siebenbürgisch-sächsischen Kultur, welches auch die MET unterstützt, hat sich Caroline Fernolend mit der Redakteurin Cristiana Scărlătescu über die vielfältigen Projekte der NGO unterhalten. 

Frau Fernolend, wann wurde die Organisation gegründet und wer hatte die Initiative dazu? 

Unser „Mihai Eminescu Trust“ hier in Rumänien wurde 2000 gegründet, aber bereits 1986 wurde ein „Mihai Eminescu Trust“ in London ins Leben gerufen. Das war, als Ceau{escu, der damalige Diktator Rumäniens, diese Idee hatte, Dörfer abzureißen, den „Systematisierungsplan“. Unser Dorf Deutsch-Weißkirch war auch in Gefahr, abgerissen zu werden. Die erste Vorsitzende der Organisation, Jessica Douglas-Home (Anm. d. Red. britische Journalistin und Schriftstellerin) und [erban Cantacuzino, ein rumänischer Architekt, der in London lebte, hatten die Idee, der NGO den Namen des Nationaldichters zu geben, weil sie dachten, das würde dann etwas bedeuten für die rumänischen Politiker oder für Ceau{escu.
Seine Königliche Hoheit Prinz Charles wurde dazu bewegt, eine Rede in Brüssel zu halten, um den Abriss der Dörfer zu stoppen. Aber freilich wussten wir gar nichts davon. Erst später haben wir erfahren, dass sich auch England dafür einsetzte. Zudem wurde die Operation „Villages Roumains“ gegründet: Holland, Belgien und Frankreich haben hier ein Dorf adoptiert. Und wir hatten ein Partnerdorf in Belgien. Das haben wir auch erst nach der Wende 1989 erfahren, dass sie Briefe geschrieben haben, damit man den „Systematisierungsplan“ nicht durchsetzt. 

Und dann kam eines Tages diese Jessica Douglas-Home vorbei. Ich habe versucht, sie zu überzeugen, uns zu unterstützen, damit wir das Kulturerbe erhalten. Da versprach die Dame: „Ich werde dir Prinz Charles bringen“. Ich habe das zuerst nicht geglaubt, weil mir schon viele Leute vieles versprochen haben. Aber sie hat es dann geschafft, ihn 1998 hierher zu bringen. Nach Meschen/Mo{na zuerst, und dann 2002 nach Deutsch-Weißkirch. 

Woher kommt die Förderung für die Organisation?

Freilich, am Anfang kam die Unterstützung aus England, und bis 2006 kamen die meisten Gelder ebenfalls von dort. Jetzt erhalten wir Förderung von überall, europäische, norwegische, schweizerische, amerikanische Gelder, und auch von unserem Kultusministerium. Überall, wo es Möglichkeit gibt, schreiben wir Anträge und sind dann sehr froh, wenn sie genehmigt werden.

Können Sie sich noch an Ihr erstes Projekt erinnern?

Wir haben zuerst eine Kalkgrube gegraben und Kalk abgesetzt. Denn wir haben die Leute in den Dörfern, zuerst in Deutsch-Weiß-Kirch und dann in den anderen Dörfern, gelehrt, wie man den traditionellen Mörtel herstellt und wie man den an Häusern, die aus Steinen oder aus Ziegelsteinen gebaut sind, benutzt. Der Mörtel ist nicht gesund, wenn er aus Zement besteht, er sollte aus Sand und abgesetztem Kalk bestehen, weil die Häuser dann „atmen“ können. Drei Teile Sand, ein Teil abgesetzter Kalk. Diese Ausbildung haben wir für 600 Leute gemacht in vielen Dörfern. 

Haben die Behörden der NGO jemals Hindernisse in den Weg gelegt?

Leider kam 2007 eine Gesetzgebung, dass die kleinen Firmen bis 2003 zurückwirkend ihre Steuern und staatliche Gesundheitsversicherung, die sogenannte CAS, zahlen mussten. So haben wir sehr viele von den Handwerkern verloren. Ich war früher ja auf der LPG (Anm. d. Red. landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft während des Kommunismus) Buchhalterin und wusste, dass die Mentalität zur Arbeit im Kommunismus zerstört wurde. Deshalb ist es erforderlich, dass Leute, die mit unserer Organisation arbeiten, „autorisierte natürliche Personen“ sind, damit sie Rechnung stellen können.

Wie entstehen die Projekte?

Wir arbeiten in 45 Dörfern, und unsere Projekte entstehen immer aufgrund der Bedürfnisse, die in diesen Gemeinschaften existieren. Mir macht es am meisten Spaß, Besprechungen mit der Gemeinschaft zu haben, in den Dörfern zu hören, was sie nötig haben, aber auch, wie sie sich einbringen können. 

Ich glaube, Nachhaltigkeit kann man durch Projekte nur erreichen, wenn die Leute von Anfang an eingebunden sind, denn die Projekte müssen ja dann nachher etwas aufweisen. Also Nachhaltigkeit hat wirklich einen wichtigen Sinn und wir glauben an sie – obwohl das ein Wort ist, das man oft in letzter Zeit überstrapaziert. 

Worin bestehen Ihre Projekte genau?

Manche sind ganz kleine Projekte. Wir hatten angefangen, die Fassaden der Häusern zu reparieren, weil das einfach nötig war und einen großen Einfluss auf die Dorfgemeinschaft hatte. Die Leute waren stolz, dass ihr Dorf schön war. 

Und dann haben wir beispiels-weise von 2007 bis 2009 ein Scheunen-Programm gehabt, wodurch die neuen Handwerker von den anderen gelernt haben, wie sie Holzverbindungen herstellen, um die Scheunen zu erhalten. Denn die Scheunen sind eine ganz wertvolle Konstruktion in unseren Dörfern. Die stehen auf Steinen und haben kein Fundament. Fast 30 Scheunen haben wir durch dieses Projekt gerettet.

Was waren größere Projekte des Eminescu Trust?

Das Abwasser, die Kanalisation und die ökologische Kläranlage für ganz Deutsch-Weißkirch – die erste in Rumänien, auf die ich sehr stolz bin und die so viel bedeutet für unser Dorf, für den Wohlstand der Menschen. Man muss auch gar nichts bezahlen, weil die Technologie aufgrund aerober und anaerober Bakterien und der Wirkung der Schwerkraft funktioniert. 
Außerdem haben wir an 14 Kirchenburgen gearbeitet. In Almen/Alma Vii haben wir sie komplett saniert, zuerst die Türme mit einem Projekt aus norwegischen Geldern, dort haben wir 22 Räume eingerichtet. Und weil dort keine Sachsen mehr leben, haben wir gedacht: „Wie können wir das machen, dass die Rumänen und die Roma, die dort leben, die Verantwortung für diese Kirchenburg übernehmen?“ Und haben aus jedem Haus etwas für eine Ausstellung verlangt. Jede ethnische Gruppe haben wir gefragt, was sie über die Gründungsgeschichte von Almen wissen. Und sie haben mit drei verschiedenen Erzählungen geantwortet. Die Rumänen haben eine Geschichte erzählt, wie Alma, ein Mädchen, im See ertrunken ist. Die Ungarn sagen, Alma kommt von Apfel. Und die Sachsen und Roma haben eine andere Geschichte. Und das macht es schön, das ist ja auch das Wertvolle in unserem Land, dass wir so viele Minderheiten sind. 

Wissen Sie, weshalb die Dorfbewohner die evangelische Kirche in Almen sanieren wollten, wenn dort keine Sachsen mehr lebten?

„Na, weil sie immer da war“, haben sie mir geantwortet. Und was wollten die da drin machen, habe ich gefragt? „Einen traditionellen Krautkuchen!“ Deshalb haben wir einen Backofen in der Kirchenburg eingerichtet und Zimmer, wo den Touristen Essen angeboten werden kann. Sogar drei Schlafräume gibt es in der Kirchenburg! Ich habe immer gedacht, die Kirchenburg ist für Gottesdienste. Aber wenn wir möchten, dass sie für die kommenden Generationen erhalten bleiben, dann müssen wir etwas finden, was auch Gelder generiert und was attraktiv ist für die Dorfgemeinschaft.

Auch in Malmkrog/Mălâncrav haben wir viel gearbeitet an der Kirchenburg, dann noch in Deutschkreuz/Cri{, Bodendorf/Bune{ti, in Meschendorf/Me{en-dorf usw. In Felsendorf/Flore{ti, Kreis Hermannstadt/Sibiu, haben wir die Kirche gerettet, deren Dach ganz kaputt war. 

Auch in vielen privaten Häusern haben wir den Leuten geholfen, etwa ein Badezimmer einzurichten, damit sie Gäste aufnehmen können. Es sind also sehr verschiedene Projekte, und in der letzten Zeit entwickeln wir Projekte für Kinder und Jugendliche. 

Wie kann man sich diese Projekte etwa vorstellen?

In Malmkrog arbeiten wir schon seit fünf Jahren mit den Kindern. Dort lebt eine sehr große Roma-Gemeinschaft und oft gibt es Fördergelder für sie. Wir glauben aber und haben mit der Zeit gelernt, dass es nicht gut ist, nur mit der Minderheit zu arbeiten. Sondern wir möchten ja, dass die Roma-Kinder von den anderen akzeptiert werden. Deshalb sind es immer gemischte Gruppen. Jeden Sommer organisieren wir Ferienlager, wo sie lernen, miteinander umzugehen und Selbstvertrauen aufzubauen. Freilich gibt es viele Spiele, auch Fußball, Lesestunden, Musik und Tanz. Wenn ein Dorffest stattfindet, dann tanzen die Roma, die zuvor nicht akzeptiert worden sind, für alle anderen. Jetzt kommen jedes Wochenende Freiwillige, die mit den Kindern lesen und rechnen. Die Kleinen lernen auch über Umwelt und Nachhaltigkeit. 

Zum Beispiel: In einem Sommer sind Kinder aus fünf Dörfern in Malmkrog zusammengekommen. Eine Woche lang haben Sie unter der Betreuung einer Architektin ein kleinformatiges Modell ihres Dorfes, so wie sie sich dieses in 50 Jahren vorstellen, gebaut. Kirche, Schule und Bäume waren bei allen da. Das ist interessant. Was sie noch dazu gebaut haben, war ein See. Außerdem haben wir mit Jugendlichen aus 125 Schulen über drei Millionen Bäume in den letzten elf Jahren gepflanzt. Wieder im Geist der Nachhaltigkeit, so dass die Kinder schon von klein an wissen, wie wichtig das ist. 

Lernen oder üben die Kinder dabei auch eine Fremdsprache, wie zum Beispiel Deutsch? 

Sie lernen Englisch, weil unsere Freiwilligen Englisch sprechen. Wir haben bis jetzt keine deutschsprachigen Freiwilligen gehabt, aber vielleicht motiviert das jemanden zu uns zu kommen. Wir würden uns darüber sehr freuen.

Wie groß ist Ihr Team, das all das organisiert?

Wir sind fünf Leute, aber ein sehr tüchtiges Team. Ich habe nie geträumt, dass wir so viel bewegen können und bin sehr, sehr stolz auf mein Team. Sie arbeiten genauso gut selbstständig und haben großartige Arbeit auch in meiner Abwesenheit geleistet. Das ist gut zu wissen und auch nachhaltig. (lacht)

Vielen Dank für das angenehme Gespräch. Wir wünschen Ihnen auch weiterhin viel Erfolg!