Neues über einen kaum bekannten Autor aus der Bukowina

Der Schriftsteller Georg Drozdowski in Zeiten ethnischer Abgrenzung

Der vorliegende Band wurde als Dissertation am Fachbereich Deutsche Philologie der Universität Wien angenommen. Der Autor hat mit unendlich viel Mühe zum ersten Mal alle Gedichte, Erzählungen, Theaterstücke und Zeitungsartikel von Georg Drozdowski gesammelt und eine Analyse seines Gesamtwerks vorgelegt. Das umfangreiche Werk des Autors lässt sich hier nicht beschreiben, sondern es sollen die Aspekte benannt werden, die Entwicklungen im kulturellen Leben von Czernowitz verdeutlichen. Drozdowski wurde 1899 in der Bukowina geboren und war daher stark von der Habsburger Zeit geprägt. Sein Werk zeigt den Einfluss des „Jungen Wien“ um 1900 samt den dahinterstehenden Philosophien. Als er vom Kriegseinsatz zurückkehrte, war durch den Anschluss der Bukowina an Großrumänien die Lebenswelt vieler Deutscher bedroht. Durch die deutsche Amtssprache hatten sich bis dahin fast alle Gebildeten an der deutsch-österreichischen Kultur orientiert. Da im Stadttheater nach 1922 keine deutschen Aufführungen mehr stattfinden konnten, unterstützte Drozdowski die deutschen Kammerspiele als Schauspieler und Stückeschreiber. Diese Liebhaberbühne stellte bis 1933 ein regelmäßiges Angebot auf die Beine.

Drozdowski fand keine Stelle im rumänisierten Kulturbetrieb, sondern arbeitete bei einer Bank. Der jüdische Autor und Literaturkritiker Alfred Margul-Sperber entdeckte früh Drozdowskis dichterisches Talent und die beiden blieben in Briefkontakt auch noch, als die Beziehungen zwischen Deutschen und Juden durch den Einfluss des Nationalsozialismus immer gespannter wurden. In der „Czernowitzer Deutschen Tagespost“ kam es 1933 zu Angriffen auf Juden im Zuge des Aufrufs zum Warenboykott. Drozdowski war mit dem Herausgeber der Zeitung befreundet und wollte sich nicht zur Parteinahme entlang ethnischer Kriterien festlegen. Für ihn war Kunst mehr als Tagespolitik. 1935 entschuldigte er sich bei Margul-Sperber, dass er nicht eindeutig Stellung genommen hatte. Er machte in den dreißiger Jahren die Abkapselung nicht mit, sondern pflegte seine sozialen Kontakte in der Verbindung Schlaraffia, wo sich die altösterreichisch Geprägten trafen. Bis 1940 gelang es Drozdowski, sich von beiden nationalsozialistischen Gruppen fernzuhalten. Die Anhänger von Fritz Fabritius und der Deutschen Volkspartei bekämpften sich auf brutale Weise, um die Unterstützung der Geldgeber aus dem Deutschen Reich zu monopolisieren. Nach der sowjetischen Besetzung von Czernowitz im Juni 1940 schloss sich Drozdowski der Umsiedlung in das Deutsche Reich an. Danach saß er als Staatenloser im Umsiedlungslager fest. Zuerst ordneten ihn die Begutachter aus Anerkennung für seine langjährige deutsche Kulturtätigkeit als „rassisch wertvoll“ ein. Er bekam eine Stelle bei der Einwanderzentralstelle in Litzmannstadt, wie Lodz damals genannt wurde. Doch das weckte den Neid der Nationalsozialisten aus der Bukowina, die Denunziationen verfassten. Daraufhin überprüfte die Volksdeutschen Mittelstelle erneut Drozdowskis Vergangenheit und er verlor seine Stelle.

Im Berliner Bundesarchiv fand Guggenberger die spannenden Dokumente zu diesem Verfahren. Im Januar 1941 musste Drozdowski gegenüber der Sicherheitspolizei und dem Sicherheitsdienst zu folgenden Vorwürfen der Denunzianten Stellung nehmen: „1. Ausgesprochener Gegner des Nationalsozialismus“, 2. War mit Halbjüdin verheiratet, 3. Verkehrte fast ausschließlich in internationalen Kreisen und ist Mitglied der Schlaraffia.“ Drozdowski antwortete auf eine damals unübliche Weise: Er verwies auf die Absurdität der Vorwürfe. Er habe sich von den deutschen Organisationen ferngehalten, weil ihre persönlichen Zwistigkeiten es ihm unmöglich machten, Partei zu ergreifen. In den Kammerspielen wirkten neben einigen Deutschen viele Juden, weil sie die Mehrheit der deutschsprachigen Stadtbewohner stellten. Die Schlaraffia sei kein Freimaurerverein gewesen. Dieser Mut wurde ihm nicht negativ ausgelegt, Drozdowski konnte ab 1942 gelegentlich Artikel publizieren. Nach dem Krieg lebte er in Klagenfurt und verfasste Lyrik und Prosa. Das Buch von Guggenberger gibt einen sehr guten Einblick in eine Zeit, in der die multikulturell geprägte Lebenswelt von Czernowitz durch nationalen Fanatismus zerstört wurde.

Günther F. Guggenberger: „Georg Drozdowski in literarischen Feldern zwischen Czernowitz und Berlin (1920-1945“), Berlin 2015: Frank & Timme Verlag, 356 S.