Nichts ohne Brot

Symbolfoto: sxc.hu

„Müssen wir noch was kaufen?“ fragt mein Mann auf dem Heimweg und ich schüttle den Kopf. Trotzdem hält er mit quietschenden Bremsen in Otopeni, springt aus dem Wagen, rein in den Bäckerladen, kommt dann mit einer Weißbrotstange wieder heraus. „Das ist ja nicht das, was die Mama will, aber besser als nichts.“ Zu Hause vor dem Dorfladen dann das gleiche Spiel. Dort hat er Glück. Strahlend und mit vollbeladenen Tüten kommt er heraus –  der Abend ist gerettet! Die Schwiegermutter hat wieder „ihr“ Brot, zumindest für ein paar Tage.

Pustekuchen! Die Mama hatte es sich nämlich anders überlegt. Nun schmeckte ihr das Brot aus dem anderen Laden, nicht dem an der Ecke, sondern dem in der Kurve, und zwar nur und ausnahmslos dieses. An ihren abenteuerlichen Theorien, warum es besser sei als das andere, lässt sie uns denn ausführlich teilhaben. Der Haken ist nur, dass der Laden an der Kurve um die Zeit, wo wir nach Hause kommen, längst kein Brot mehr hat.

„Was ist denn nun so besonders an dem Brot“ fühlt mein Mann ihr auf den (einzigen) Zahn und hofft auf nachvollziehbare Kriterien wie knusprig, weich, feinporig oder weiß der Geier was. „Ich glaub, das ist besser durchgeknetet“ meint die Schwiegermutter fachmännisch und löst damit eine Welle an weiteren Testbrotkäufen aus, von Mega Image über Billa zum Lidl, alle Preisklassen rauf und runter, leider jedoch ohne das gewünschte Ergebnis. In meiner Verzweiflung werfe ich selbst das Backmaschinchen an. Nur erlesen gute Zutaten wandern in dessen Aluminiumschlund: Vollkornmehl, Leinsamen, Sonnenblumenkerne. Die Mama würdigt das Ergebnis keines Blickes. Operation „Brot für die Mama“ wird zur „Mission Impossible“. Keine Kekse, kein Knäckebrot, kein Zwieback, nichts kann ihre einzige, heißgeliebte, persilweiße, watteweiche Weißbrotsorte ersetzen. Hinzu kommt, dass sie nicht mal eine Kartoffel ohne Brot isst!

Doch nicht alles, was man unter diesem Namen hierzulande erstehen kann, gereicht ihm auch zur Ehre. Was der Durchschnittsbürger in rauen Mengen vertilgt, dass es einem angst und bange wird, ist tatsächlich– aufgeschäumte Luft mit vielen Kalorien! Nichtssagende Magenfüllmasse in Küchenschwammkonsistenz, geschmacksneutral und ohne ein einziges, einsames Vitamin. Hinzu kommt, dass sich seine Bestandteile in den Eingeweiden sofort heimtückisch in Zucker verwandeln, sodass man sich auch gleich mit Schokolade sättigen könnte. Warum also sollte man das in sich hineinstopfen wollen, solange noch richtiges Essen da ist? Füllen Bohnen, Maisbrei oder Kartoffelstampf den Magen alleine nicht auch? Nicht, wenn es ein rumänischer ist! Das Buffet kann sich noch so sehr unter Köstlichkeiten biegen – ohne den panifizierten Leerkalorienranken geht hier gar nichts. Der Rumäne isst nicht mal Brot ohne Brot.

Ach ja, wie die Geschichte mit der Mama weitergeht? Nachdem sie zwei Jahre lang tapfer mit Todesverachtung gewürgt hatte, was wir ihr abends so anschleppten - Körnerbrot, Baguette, Franzela, Kartoffelbrot, libanesisches Fladenbrot, Milchwecken, Grahambrot und vieles mehr - begrüßte sie uns eines Tages mit einem freudigen Strahlen im Gesicht. „Ihr braucht für mich kein Brot mehr zu kaufen. Von heute an esse ich nur noch mein eigenes.“ Überzeugend trumpfte sie auf: „Da weiß ich wengistens, was drin ist!“ Auf dem Tisch lag, in Tücher gehüllt, ein dickes, dampfendes Etwas. Ach – sie konnte backen? Und warum erst jetzt? Wir verkniffen uns taktvoll alle Fragen.

Tatsache ist: Mamas Brot schmeckte besser als alle Produkte aller Läden dieser Welt! Außen knusprig, innen saftig, halb und halb aus dunklem Mehl und Maisgries gebacken – eine Köstlichkeit! Nur, dass es mit dem watteweichen, persilweißen Lieblingsweißbrot aus dem Laden an der Kurve nicht die leiseste Ähnlickeit aufweist. Alte Leute sind eben unergründlich...