Nicolae Grigorescu, Maler des rumänischen Ethos

Sonderausstellung zu seinem 185. Geburtstag

„Bäuerin aus Muscel“ (1874-1875), Öl auf Leinwand

„Zwischen Hügeln und Anhöhen“ (1896), Öl auf Leinwand Fotos: die Verfasserin

„Spinnende Mädchen am Tor“ (1885-1890), Öl auf Leinwand

Das Nationale Kunstmuseum in Bukarest (MNAR) hat diesen Sommer eine Sonderausstellung mit Werken des rumänischen Meisters der Malerei Nicolae Grigorescu anlässlich seines 185. Geburtstages im königlichen Palast an der Calea Victoriei Nr. 49-53 eröffnet. Darin können meistervoll dargestellte rumänische Landschaften, Bauern- und Schäferporträts sowie seine kennzeichnenden Ochsenkarren  mittwochs bis sonntags, von 10 bis 18 Uhr, bis zum 17. September bewundert werden.   

Die Ausstellung umfasst über 120 Gemälde aus der MNAR-Sammlung, von denen viele großformatig sind und sehr selten ausgestellt werden oder nach der Res-taurierung zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden. Eine kleine Ausstellung von Volkstrachten und Dekorationsgegenständen aus der Sammlung des Nationalen Dorfmuseums „Dimitrie Gusti“ sowie 83 Fotografien und drei Dokumentationsfilme, die zwischen 1925 und 1936 von Professor Dimitrie Gusti und seinem Soziologen-Team in ländlichen Orten Rumäniens im Rahmen ihrer Forschungen aufgenommen, beziehungsweise gedreht wurden, runden die Ausstellung ab. 

Im Fokus der Jubiläumsausstellung stehen jene Werke, die mit dem Ausdruck eines nationalen Ethos in Verbindung gebracht werden können, das sowohl die Zeitgenossen des Malers als auch die nachfolgenden Generationen wahrnahmen und schätzten. Deshalb werden seine Werke von einer Auswahl an Zitaten aus der Kritik über sein Werk im gesamten 20. Jahrhundert begleitet.
Leben und Werk
Nicolae Grigorescu (1838-1907) gilt als rumänischer Nationalmaler, erster Begründer der modernen rumänischen Malerei, der den Weg für Meister wie etwa Ion Andreescu, [tefan Luchian und Gheorghe Petra{cu ebnete und zum Vorbild für die jungen Künstlergenerationen wurde, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts versuchten, die Werte des rumänischen Ethos zu identifizieren und ans Licht zu bringen.

Geboren im Dorf Pitaru, Kreis Dâmbovi]a, diente Grigorescu ab dem Alter von nur zehn Jahren für zwei Jahre als Lehrling in der Werkstatt des Ikonenmalers Anton Chladek. Er ließ sich von den Miniaturen seines Meisters inspirieren und behielt die charmante, leichte und zarte Art mit der frischen und sanften Farbgebung bei. 

Grigorescu versuchte, in der byzantinischen Darstellungsweise der Heiligenbilder den Stil der neoklassischen Malerei, der von den neuen Schulen der Kirchenmalerei in der Walachei gefördert wurde, zu integrieren. Zu seinen Errungenschaften auf dem Gebiet der religiösen Malerei zählen wir Ikonen und Wandgemälde in den Kirchen in B²icoi, Puchenii Mari, und der Alexa-Kirche in Bukarest, in den Klöstern C²ld²ru{ani, Zamfira und Agapia.

Aufgrund seiner Tätigkeit in Agapia fiel Nicolae Grigorescu dem Politiker Mihail Kog²lniceanu auf. So erhielt er ab Herbst 1861 ein Stipendium für fünf Jahre in Paris und wurde an die École Nationale Supérieure des Beaux-Arts aufgenommen. Grigorescu stellte im Öffentlichen Salon in Paris als Schüler des französischen Malers Sébastien Cornu aus. In einer Zeit voller Aufregung auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen schloss sich der Künstler den Malern von Barbizon an und folgte dem Weg des Realismus und dann des Impressionismus.

Während des Unabhängigkeitskriegs (1877-1878) der Rumänischen Fürstentümer vom Osmanischen  Reich begleitete Grigorescu die rumänische Armee als Frontmaler zusammen mit anderen Künstlern wie etwa Carol Popp de Szathmári und fertigte während der Schlachten von Grivi]a und Rahova vor Ort Zeichnungen und Skizzen an, die ihm zur Grundlage für großartige Kompositionen dienten.

Von 1879 bis 1890 arbeitete er hauptsächlich in Frankreich, entweder in der Bretagne bei Vitré oder in seinem Atelier in Paris. Nach seiner Rückkehr ins Land eröffnete Grigorescu zwischen 1891 und 1904 mehrere persönliche Ausstellungen im Bukarester Athenäum. Ab 1890 ließ er sich in Câmpina, Kreis Prahova, nieder und widmete sich hauptsächlich ländlichen Themen. In einer endlosen Variation des Motivs malte er Bauernporträts, Ochsenkarren auf staubigen Landstraßen und zahlreiche Landschaften. 1899 wurde Nicolae Grigorescu zum Ehrenmitglied der Rumänischen Akademie gekürt. Gegen Ende seines Lebens war seine Sicht stark beeinträchtigt und dies spiegelt sich in den Pastellfarben und der reichlichen Helligkeit der Werke seiner letzten Schaffenszeit wider. Seine frühen Werke sind dem akademischen Realismus zuzuordnen und der Großteil von ihnen dem Impressionismus.  

Rundgang durch die Ausstellung

„Wenn du Rumänien mit all seinen malerischen Besonderheiten kennenlernen willst, schau dir sofort eine von Grigorescu signierte Gemäldesammlung an.“ Dies war der Ratschlag eines Franzosen, der mit unserem Land schon vertraut war, an einen Landsmann, der am Anfang des 20. Jahrhunderts einen zweiwöchigen Aufenthalt in Rumänien plante.   

Bezaubernde Landschaften

Eingeteilt auf vier Räume wird man von den über 120 Werken zuerst von Grigorescus Landschaftsmalerei empfangen. Wunderschöne impressionistische Gemälde von Waldlichtungen, Wiesen, Birken und Buchen, Wolken, sanft absteigenden Hügelhängen und der B²r²gan-Tiefebene zieren die Wände auf der rechten Seite des ersten Raumes. In einigen Bildern kommen auch menschliche Figuren vor, die im Vergleich zur monumental dargestellten Natur wie Ameisen wirken, jedoch in vollkommener Verbundenheit zu ihr auftreten. 
„Er hat die Natur nie verschönert. Aber er wählte immer das, was ihm gefiel, was sein Herz ansprach. Dies war eine Hommage an sein Sujet, eine Art, seine Bewunderung und Dankbarkeit für jenen Augenblick, Glücklichsein auszudrücken und eine fromme Anbetung der Schönheit. Der öffentliche Geschmack war ihm nicht wichtig“, schrieb der Schriftsteller Alexandru Vlahuță 1910, drei Jahre nach dem Tod des Malers, als Antwort auf die Kritik, die Grigorescu eine verklärte Darstellung und kein Interesse für soziale Aspekte vorwarf. 
Auf der linken Seite des Raumes hängen Gemälde von einzelnen Bauernhäusern und -hütten oder Dorfecken und -wegen.

Der ländliche Alltag

Im zweiten Raum treten einem mit zufriedenen, entspannten oder sogar stolzen Blicken ruhende oder spinnende Bauernmädchen, Frauen und sich nachdenklich auf den Hirtenstab stützende Hirtenjungen entgegen. Grigorescus ländliche Szenen weisen Kunstkritiker Virgil Cioflec zufolge keine dramatische Intensität auf. „Bei der Arbeit auf dem Feld wird der Bauer nicht mit harter und anstrengender Arbeit konfrontiert, sondern er fungiert vielmehr als malerisches Element neben dem Vieh, das an den Furten ruht, und den Herden, die in den Tälern verstreut sind“, hob dieser 1925 hervor. Hier steht im Fokus des Malers vor allem die Tracht, „nicht aus einer Neigung zur Folklore oder für eine ethnische Kennzeichnung, sondern aus rein bildlichem Interesse. So vielfältig in der Form und besonders in der Farbe wird diese Volkstracht meisterhaft behandelt und in eine Farbensymphonie verwandelt“, deutete Kunstkritiker George Oprescu die wiedergegebenen Trachten in Grigorescus Werken.

Ochsenkarren

Der dritte Raum ist der berühmten Ochsenkarren-Serie des Malers gewidmet. Aus einer ein wenig übertriebenen Perspektive durchqueren die mit einem, meist zwei, aber auch vier Ochsen bespannten Karren diagonal seine Bilder. Ebenfalls hier ist der berühmte großformatige „Jahrmarkt von Bac²u“ ausgestellt, „für den er bei seiner Rückkehr ins Land 1874 Skizzen von einheimischen Judenfiguren, psychologische und atmosphärische Beobachtungen unterschiedlicher Volksgruppen, machte. In diesem Genrebild fängt der Maler eine animierte Szene traditioneller Art im Trubel des Jahrmarkts ein, in der Juden mit rumänischen Bauern über Tiere und Waren verhandeln“, beschreibt Kunstkritikerin Mariana Vida das Gemälde.

Im vierten Raum beweisen die auf dem Lande gedrehten Dokumentationen und aufgenommenen Bilder  der Soziologieschule von Prof. Dimitrie Gusti, dass Nicolae Grigorescu seine Sujets keineswegs verklärt dargestellt hat und dass ein jeder vor der Kamera oder der Staffelei eines Malers seine Sorgen für einen Augenblick vergisst und warm lächeln kann. „Nicht die behandelten Sujets machen Grigorescu zum rumänischen Nationalmaler, sondern das, was er aus seiner eigenen Seele in seine Bilder geschüttelt hat, die Lebens- und Weltauffassung, die er darin ausdrückte. Grigorescu hat mehr als andere Künstler das seelische Gleichgewicht unseres Volkes, das fröhlich, sanft und verzeihend ist, wiedergegeben. Dadurch gehört er uns“, begründete der Ästhetiker Liviu Rusu 1933 den Status von Nicolae Grigorescu als Nationalmaler.