Öffentliches Interesse versus Publikumsgeschmack

Hörfunk- und Fernsehrat bittet um Unterstützung

Symbolfoto: sxc.hu

Über das staatliche Fernsehen und den öffentlich-rechtlichen Hörfunk fordert der Hörfunk- und Fernsehrat (CNA) in einer Werbekampagne die Bevölkerung auf, eine online-Beschwerde zu unterzeichnen, die auf der eigenen Webseite (www.cna.ro) zu lesen ist und die den Titel trägt „Das öffentliche Interesse steht über dem Publikumsgeschmack“. Die Unterzeichnung kann auf petitieonline.com oder petititieonline.ro erfolgen.

Es handelt sich dabei um einen Aufruf, gemeinsam (CNA und Bürger) zu handeln: Der Weg vom Gutdünken („bunul plac“) zum Anstand („bunul simţ“) führe auch über CNA. Viele Fernsehsendungen bedrohen sogar das Wesen der Nation durch Verherrlichung von Lastern wie Alkoholismus, Ehebruch, Gewalt, Vulgarität – mit einem Wort „mit einer Dreckwelle“, heißt es im CNA-Text. Die Zukunft der Kinder hätte zu leiden, wenn diesem Übel nicht entgegengetreten wird. Es sei unnatürlich, dass zum Beispiel die Berichterstattung um und über die Beerdigung von Persönlichkeiten (wie das beim kommunistischen Hofdichter Adrian Păunescu, beim Schauspieler Şerban Ionescu und zuletzt beim Regisseur Sergiu Nicolaescu der Fall war) als Quotenrenner betrachtet und behandelt werden.

Durch möglichst viele Unterschriften soll erwirkt werden, dass vor allem die privaten Fernseh- und Rundfunksender ihr Verständnis vom „öffentlichen Interesse“ revidieren. Dieses sollte, einschließlich durch das Gesetz, vom Parlament besser definiert werden. Dem Aufruf leisteten bis gestern auf peti-tieonline.com 4676 Personen Folge, die Unterschriftensammlung läuft weiter. In einer ungefähren Rangliste nach Städten kommen die meisten Unterschriften aus Bukarest, gefolgt von Jassy/Iaşi, Kronstadt/Braşov, Konstanza/Constanţa, Ploieşti, Klausenburg/Cluj, Temeswar/Timişoara, Galaţi, Suceava usw., wobei diese Ordnung ungenau ist, da manche Städte gleich zweimal in der Liste auftauchen. Auf petitieonline.ro waren es gestern bereits über 10.100 Unterschriften.

Was auf den ersten Blick als selbstverständlich und begrüßenswert scheint, und zwar, dass etwas gegen die große Quantität von Schwachsinn und Vulgarität im Fernsehen unternommen werden muss, entpuppt sich bei einer differenzierten Betrachtung doch als etwas komplizierter. Denn das erste Wort, das einem einfällt, wenn von Sendeverbot gesprochen wird, ist Zensur. Der Zuschauer könne letztend-lich selber entscheiden, was er sehen möchte – deshalb sei ja die Fernbedienung da.

Aus den Kommentaren, die diese Beschwerde begleiten und die auf den „petiţie“-Seiten zu lesen sind, sind auch solche Kritiken enthalten. Es geht sogar so weit, die Abschaffung des CNA zu fordern – eine Behörde „im Dienste der Machthaber“, die nur öffentliche Gelder verschwende und die politischen Gegner mundtot machen wolle. Als Argument wird auch der Lizenzentzug für den Sender OTV angeführt, der be-kanntlich dem Skandalmoderator und PPDD-Gründer Dan Diaconescu gehört. Etwas stimmt dabei, denn CNA gilt als stark politisierte Behörde, selbst wenn deren Machtbefugnisse unlängst etwas eingeschränkt wurden.

Will nun CNA mehr Macht zurückerhalten? Oder erklärt sich der Rat für unfähig, gegen die Medien-Konzerne, Medienmoguln und ihre Interessen zu kämpfen? Wie auch in anderen Bereichen gibt es auch im Falle des CNA genügend Regelungen und Rechte, um seiner Rolle effizient nachzukommen. Nur werden diese nicht strikt angewandt oder nicht eingehalten. Der Disput, was unter dem Sammelbegriff öffentliches Interesse zu verstehen sei, bringt nicht viel. In mancher Hinsicht müssten die Dinge klar, wenn nicht selbstverständlich, sein, wenn es um Bereiche wie Pornografie, Rassismus, Extremismus, sprachliche Entgleisungen geht.

Anderseits kann auch in Rumänien nicht vorgeschrieben werden, was „öffentliches Interesse“, also wichtig ist und vorrangig behandelt werden sollte, und was „minderwertige Unterhaltung“ darstellt und aus dem Fernsehprogramm gestrichen werden sollte. Dazu gibt es andere Mittel (Erziehung, persönliches Beispiel, bessere Alternativen) als allgemeine Verbote, die auch als Einschränkung der Meinungsfreiheit eingestuft werden können.