Randbemerkungen: Besogon

Auf den 16. Oktober 2007 ist ein Brief datiert, den der weltberühmte Regisseur (Schauspieler, Drehbuchautor, Filmproduzent) Nikita (Sergejewitsch) Michalkow gemeinsam mit drei anderen großrussisch eingestellten Künstlern unterzeichnet hat. Darin heißt es u. a.: „Wir möchten Ihnen versichern, dass sie alle in dem Wunsch vereint sind, Sie auch weiterhin als das Oberhaupt unseres Landes zu sehen... Russland benötigt Ihr politisches Talent, Ihre politische Weisheit. Wladimir Wladimirowitsch, wir bitten Sie sehr, unsere Hoffnung in Bezug auf Ihre positive Entscheidung zu berücksichtigen...“

„Sie alle“ – das sind die „Künstler aus Moskau und Sankt Petersburg, (...) aus den südlichen Gebieten und dem Norden, dem Ural, Sibirien und dem Fernen Osten“. Und „Wladimir Wladimirowitsch“ ist Väterchen Putin. Der Anführer der Schleimertruppe aber ist der Sohn des Verfassers der Texte der Hymnen der UdSSR und des heutigen Russlands, S. W. Michalkow, und der Tochter des Malers Pjotr Kontschalowski und Enkelin des Malers Wassili Surikow – er stammt aus intellektuellem Haus, einer Künstlerfamilie, der am 21. Oktober 1945 in Moskau geborene Nikita Sergejewitsch Michalkow. Er ist, ähnlich Dostojewski und Solschenizyn in ihren Altersjahren, dem Morbus des Allrussischtums verfallen, gehört zum Vertrautenkreis des ungekrönten Zaren Putin, träumt wie dieser, denkt ähnlich.

Als Michalkow 2014, kurz nach der international bis heute nicht sanktionierten Krim-Annexion Russlands, mit einer Militärmaschine zu einer Filmpremiere eingeflogen wurde, verzierte er seine Rede mit gesungenen Lobliedern auf das Kaiserreich Russland. 2022, im März, nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine – die von Russland sowohl durch das Memorandum von Budapest von 1994 als auch durch den russisch-ukrainischen Staatsvertrag von 1997 als unabhängiger Staat anerkannt wurde – hatte Michalkows Film „Sondersendung“ Premiere, dessen Aktualitätsbonus weniger im Direktbezug auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine liegt, sondern auf einer Apologie des russischen Kaisertums, dass die allrussischen Werte verteidigt. Das wahre Problem des Ostens sei nicht der russisch-ukrainische Krieg, verkündet Michalkow in authentisch russischer Propagandamanier, sondern „die jüngsten Versuche der abendländischen Zivilisation zur Invasion Russlands“. Michalkow doziert im Film, hinter einem Schreibtisch (im Hintergrund Ikonen und eine seidene Fahne Russlands) sitzend, über das „Heilige Russland“ und den „dekadenten Westen“, gegen den man sich mit allen Mitteln wehren muss, denn „wir Russen werden niemals homosexuelle Ehen und eine Legalisierung des Faschismus erlauben“.

Unterschwellig lässt Michalkow wissen, dass diese beiden Gründe eigentlich die Hauptgründe der „Sonderoperation“ Russlands in der Ukraine sind. Es ist derselbe Diskurs, den Michalkow auf seinem Fernsehkanal „Besogon“ (etwa: „Geisterjäger“) senden lässt – ansonsten ein Kuriosum, das als Hauptzweck die Verherrlichung Michalkows und seines Werkes, neuerdings auch der „Heldentaten“ der Putinschen Muschik-Soldateska, hat. Der Rest ist Manipulation, nach dem alten KGB-Propagandaprinzip, das angeblich auch heute noch in Moskau und Sankt Petersburg den Journalisten beigebracht wird: Nehmt eine schwerlich zu akzeptierende Wahrheit, fügt ihr eine grobe Lüge hinzu. Dann werden die Zielgruppen zumindest Zweifel kriegen an der Wahrheit. Die Wahrheit wird infragestellt.“ Denn ein anderes Propagandaprinzip aus Sowjet-, wenn nicht gar aus Zarenzeiten, lautet: „Je grobschlächtiger eine Lüge, umso leichter wird sie geglaubt!“

Sicherlich: Das setzt ein darauf zugeschnittenes Erziehungs- und Denksystem voraus, das den elementaren Zweifel, also das Denken, ausschließt – auf unbedingten Glauben ans Vorgemachte setzt. Also auf einen Denkmodus aus voraufklärerischen Zeiten.

Patriarch Kyrill I. lässt wohlwollend grüßen.