RANDBEMERKUNGEN: Das Ernüchterungsrütteln

Hierzulande wird man leicht in die Falle von Wahlaussichten gelockt, die im Einklang stehen mit dem Wunschdenken der Partei, die für die Umfrage(n) bezahlt hat. So kommt es (nicht nur in Rumänien), dass sich Parteien und Parteigänger selbst belügen zu ihren Wahlperspektiven, um dann in Nüchternheit zu verfallen und fieberhaft nach Erklärungen zu suchen, wieso ihre durch (gekaufte) Umfragebüros prognostizierten Wahlergebnisse nicht bestätigt wurden. Das ist auch nicht rumänienspezifisch, doch symptomatisch.

Symptomatisch ist auch, dass nach der Veröffentlichung von Umfragen, die Ergebnisse zeitigen, die weit entfernt sind von der Selbstbelügung und -aufpuschung der Parteien, die Medien diese totschweigen. Ist wohl der beste Beweis dafür, dass die überwiegende Mehrheit der rumänischen Medien käuflich ist. So geschehen auch mit einer Umfrage von Atlasintel, einer in Brasilien registrierten Firma, die von einem Rumänen, einem Harvard-Absolventen, gegründet und geleitet wird. Der Ernüchterungsschub, den die Parteien und die Hoffnungen ihrer Parteigänger temperieren müsste, scheint auch geraume Zeit nach der Veröffentlichung der Befunde nicht an die anvisierten Adressen angelangt zu sein.

Die emotionsfreie Realität, die Atlasintel als Momentaufnahme bringt, deutet auf das kommende Superwahljahr. Vor allem die Präsidentschaftswahl. Während die (wahrscheinlich gekauften) rumänischen Umfrageinstitute die PSD bei 35 Prozent ansiedeln, sieht sie Altasintel bei 25 Prozent. Die PNL nur bei 17, nicht bei 25 Prozent. Die national-extreme AUR muss intern heruntergespielt sein auf 10 bis 11 Prozent, während Atlasintel sie bei 18 Prozent – über der PNL! – sieht. Nur die für eine Präsidentenschaftswahl aussichtslosen USR und UDMR stehen sowohl bei Atlasintel als auch bei rumänischen Meinungsforschungsinstituten gleich da: bei 12, bzw. 6 Prozent. 

Die wenigen rumänischen Kommentatoren, die diese frühzeitige Prognose des möglichen Wahlausgangs 2024 erwähnen, waren sich einig in der Feststellung, dass die inländischen Wahlforscher eine Art soziologische Mythologie betreiben. Realistisch dürfte sein, was man eh weiß: In der Regierung befindliche Parteien erodieren sich in der Wählergunst, oppositionelle Parteien, sofern clever die Fettnäpfchen der Regierenden aufzählend, steigen in der Wählergunst. So gesehen, scheint der als jugendlich-bürgerliche Oppositionspartei angetretenen USR die Cleverness zu fehlen.

Betrachtet man die Befunde von Atlasintel durchs Prisma der im Spätherbst 2024 anstehenden Präsidentschaftswahlen und des gegenwärtigen Gezeters und Gezockes um die Rochade innerhalb der Regierungsallianz zwischen PSD und PNL, dann fällt einem auf, dass die potenziellen Regierungschefs und Präsidentschaftskandidaten in spe, die beiden Parteivorsitzenden Marcel Ciolacu (der angeblich noch nie in einem regulären Arbeitsverhältnis stand), und Nicolae Ciucă (der Vielsternegeneral, der als Regierungschef ungelenk erstmals einen zivilen Beruf ausübt), ziemlich abgeschlagen hinter den Hauptkandidaten Mircea Geoană (dem Stellvertreter Nato-Stoltenbergs) und Laura Codruța Kövesi (der Obersten Korruptionsjägerin der EU) stehen. So gesehen ist der Aufwand wegen dem Mai-Wechsel zwischen den beiden lächerlich.

Wäre da nicht die (auf wahrscheinlich handfesten Realitäten beruhende) Theorie, dass der, der das Innenministerium beherrscht, die besten Wahlchancen hat in Rumänien (man muss an Stalin denken: Nicht die abgegebenen Stimmen zählen, sondern diejenigen, die sie zählen…). Auf alle Fälle gibt es  ein paar Anzeichen, dass Atlasintel an der Selbstgenügsamkeit der Regierungsparteien gerüttelt hat. 

Undurchsichtig bleibt die Orientierung der Geheimdienste und inwieweit ausländische Influencer (damit sind Staaten, nicht Internet-Gernegroße gemeint) sich durchzusetzen vermögen.