Randbemerkungen: „Der Schlaf der Vernunft…“

Ein Paradoxon: die Zahl der Kommunismusnostalgiker steigt in Rumänien, obwohl die Erlebnisgeneration ausgelichtet wird. Der Anteil der um den Kommunismus Trauernden liegt, neusten Erhebungen nach, schon bei 48 Prozent mehrere Prozent höher als vor zehn Jahren. Die Feststellung hat einen Erklärungsschwall der Soziologen, Gegenwartshistoriker und Politologen hervorgerufen – veröffentlicht allerdings nur in jenem sich ausdünnenden Teil der Medien, die den Demokratiebedarf Rumäniens noch nicht aus den Augen verloren haben. Wirkung zeigten die Alarmsignale bisher keine.

Der Kulturschock der Kommunismusnostalgie steigt regelmäßig im Dezember hoch, wenn sich der Ausbruch der Revolution in Temeswar jährt. Wenn die kollektive – zunehmend ins Mentale abdriftende – Blindheit dieser Hälfte der Bevölkerung der anderen Hälfte bewusst wird. Die Blindheit derjenigen, bedauern die Soziologen, die an die Wahlurnen trotten.

Freiheit in Ketten, subtile bis offene Unterdrückung, Hochlob intellektueller Idiotie, unterbewusst bis bewusst präsente (mit allen Mitteln offiziell kultivierte) Angst, Lüge als allund einziggeltendes Institutionslogo, Armut, Kälte, Lebensmittelrationierung, Geburtenzwang, Paternalismus, Bevormundung, Bespitzelung bis ins Ehebett, Entmenschlichung als Staatsund „Partei“-Ideologie – von alldem sind die Hirne der Kommunismusnostalgiker leergefegt (fühlten sie es jemals?), zugunsten vermeintlicher Sicherheit des Morgens und eines durch Denkfaulheit und staatlich geförderte Abstumpfung begünstigten Dankbarkeitsgefühls, weil „andere“ für dich und deine Zukunft „väterund mütterlich sorgen“ (im Falle des Ceaușescu-Duos ist Genderisierung Pflicht! – in obiger Reihenfolge). Du, Objekt der Manipulation, musst nichts für dich und deine Zukunft tun, außer an sie, die „anderen“, und an ihr „Wort“, glauben. Da winkt dann der Einfluss der orthodoxen Kirche als staatsdienende und -profitierende Institution…

Den „Zuwachs“ an Kommunismusnostalgikern hat man leider (Zufall?) nicht wissenschaftlich untersucht. Vermutet wird, dass der Anstieg derer, die den rumänischen Kommunismus nicht erlebt haben, ihn aber trotzdem glorifizieren, auf den „Einfluss von Eltern und Großeltern“ zurückzuführen sei. Nicht zu vergessen die Fernsehhörigkeit der Rumänen und hohe Zahl der Privatsender, die sich in den Dienst der Verherrlichung der glorreichen Vergangenheit Rumäniens – ohne jeden Abstrich – gestellt haben, Hymnensingsang auf den Kommunismus inklusive. Auch das Fehlen des Lehrfachs „Kommunismus in Rumänien“ (und guter Lehrender), die Ausklammerung des kritischen Denkens auf allen Bildungsebenen, die anhaltend anerzogene Obrigkeitshörigkeit (Hauptrolle: Kirche), der bei jeder Gelegenheit hinausposaunte Nationalismus und Chauvinismus, nicht zuletzt der tief verwurzelte Glaube an Wirkungsmacht und Berechtigung von Schmiergeld (jemandem „sein Recht“ zuschieben). Natürlich auch die Witzkultur, als Dampfablasser derjenigen, die unter der Würdelosigkeit ihrer Lage leiden. Wer heutigen rumänischen „Leadern“, egal welcher Ebene und Couleur, aufmerksam zuhört und -schaut, wird leicht feststellen, dass diese bloß die „Lehren“ des Hochkommens im Kommunismus verinnerlicht haben und danach handeln. Mit Erfolg: man wählt sie, man ehrt sie, man will sie.

Sie wollen auch.

Würde Ceaușescu noch leben, bekäme er 46 (Prozent derer, die sagen, man hätte zu seiner Zeit besser gelebt als heute in Rumänien) bis 48 Prozent der Wählerstimmen. Aber sie haben Alternativen: AUR oder SOS der skandalfreudigen Diana Șoșoacă, was auch die jüngsten Umfragen zur Sonntagsfrage bestätigen. Da kann man nur den genialen Spanier F. Goya zitieren: El sueño de la razón produce monstruos – Der /staatlich geförderte/ Schlaf der Vernunft gebiert /auch, vielleicht vor allem im „gebildeten Rumänien“/ Monster (Ungeheuer)…