Randbemerkungen: Niedertracht und Komplizenschaft

Ein Großteil der rumänischen Gesellschaft weigert sich, offen über die kollektiven Traumata des Kommunismus zu sprechen. Die Heroisierung des Halbanalphabeten aus tiefster oltenischer Provinz und seiner bildungsfremden Frau, Inhaberin zahlloser Doktortitel (kommt aus Imitationstrieb die Plagiatsmisere heutiger Scharlatane, wo jeder Ungebildete sich einen Doktortitel straffrei abkupfert und ein Bildungsminister das per Gesetzesnovellierung deckt?) sowie der von ihnen geschaffenen/kontrollierten Form des Staatssicherheitsdienstes Securitate – ihre Nachfolgeorganisationen werden von den heutigen Spitzenpolitikern massiv zur Untermauerung ihrer Macht genutzt – all das überbietet die Vorstellungskraft. 

Die Niedertracht der Mitglieder der „unsichtbaren Front“, der Reservisten und „aus dem Dienst Zurückgezogenen“, der mit hohen Renten abgespeisten „Militärs“, kennt Grenzen nicht. In der Stadt, wo die perfideste Methode der Erniedrigung von Menschen durch Menschen, das „Phänomen Pitești“ zum Brechen der Willens- und Moralkraft angewandt wurde, haben die ehemaligen „Kader“ der Securitate ein Denkmal der Häscher errichtet – gar nicht weit vom Denkmal der Opfer der Securitate, deren Persönlichkeit durch die Foltermethoden, die die reellen oder verdächtigten Regimegegner gegeneinander anwenden mussten, gebrochen werden sollte – und wurde.

Die Empörung über die Niederträchtigkeit und (vorgespielte?) Einsichtsunfähigkeit der „Kader der ehemaligen Securitate“ der Ceau{escus, die bestens organisiert und vernetzt sind, hält sich in Grenzen. Immer noch Angst vor der Macht der Securitate? Gleichgültigkeit? Vielleicht (oder vor allem) grassierende Verblödungsergebenheit und (bestimmt) krasser Bildungsmangel? Reaktionslahmheit der Bevölkerung Rumäniens gegenüber den offenen Versuchen der Bagatellisierung des aggressiven Bösen, der „Banalisierung des Bösen“, wie es Hannah Arendt in ihrem glänzenden Buch über den Eichmann-Prozess in Jerusalem 1961 definierte. Der Unterschied zwischen Überzeugungstätern wie Eichmann und „Falschen Patrioten“, die um jeden Preis ihre Wohlsituiertheit in einem Mangelstaat verfolgten, jenseits von Moral und Menschlichkeit, spielt schon keine Rolle mehr.

Was aber für Rumänien in die Waagschale fällt: „...jede Regierung muss die politische Verantwortung für die guten und schlechten Taten ihrer Vorgänger übernehmen, und jede Nation für die guten und schlechten Taten in ihrer Vergangenheit“, schreibt Hannah Arendt. Geschieht das in Rumänien? Noch weiter verallgemeinert Arendt, nämlich „... jede Generation – dadurch dass sie in einer historischen Kontinuität steht – ist beladen mit den Sünden ihrer Eltern und gesegnet von den Taten ihrer Vorfahren.“

Diese Logik, angesichts der Herausforderung durch die Ex(?)-Securitate-Leute, in der Öffentlichkeit ein Denkmal für ihre eigenen „Heldentaten“ zu errichten, hieße, dass diese „ein Segen“ waren. Oder gibt es auch Denkmäler für „Sünden“? Selbstverständlich kann kein Strafgericht den Grad moralischer und politischer Doppelverantwortlichkeit derer, die das Denkmal genehmigt und den Platz dafür bereitgestellt haben, der Stadt Pitești, die jetzt ihren Ruf noch einmal besudelt, be- oder verurteilen. Es geht ums kollektive Gedächtnis, letztendlich um die geschichtliche Wahrheit. Auch die sind dreckverschmiert worden durch dieses Denkmal, werden instrumentalisiert, der Obskurität überantwortet, denaturiert. Gleichgültigkeit gebiert Monster.

Simon Wiesenthal hat eine vieldiskutierte Geschichte, „Die Sonnenblume“ veröffentlicht. Es geht um Vergebung. Er selber habe, als KZ-Häftling, einem sterbenden SS-Mann dessen Bitte abgeschlagen und ihm seine Vergehen an Juden nicht vergeben – was ihn später noch für lange Zeit Gewissensbisse beschert habe.

Können wir den Securitate-Schergen vergeben? Dürfen wir das? Wie? Wann? Überhaupt?