Reise und arbeite: Im Ausland in das Leben der Bewohner eintauchen

Die Website workaway.info bietet unzählige Angebote für Freiwilligenarbeit auf der ganzen Welt

Das Hostel-Team zusammen mit seinen Freiwilligen von Workaway
Foto: Hostel Little Bucharest

Gastgeber Cristo (2. v. l.) mit den Workaway-Freiwilligen Michael, Ula, Aura und Fema
Foto: Petra Cristolovean

Die Workawayer Julia (l.) und Miriam mit Kindern aus dem deutschen Hort
Foto: Miruna Comanici

Für den Reisesüchtigen, Hobby-Ethnologen und Arbeitswilligen öffnet eine Internetplattform tausend neue Türen – oder besser gesagt: 34.497. Denn so viele Gastgeber sind auf workaway.info registriert. Und es werden täglich mehr.  In 170 Ländern können Reisende bei Bewohnern ihres Gastlandes leben und arbeiten – und ganz nebenbei Land und Leute kennenlernen. Genauso vielfältig wie die Kulturen der verschiedenen Kontinente sind  auch die Workaway-Projekte: Kängurus pflegen in Südaustralien, Babysitten im Oman, Toiletten bauen im Senegal, Kühe melken auf Island oder Straßenkinder unterstützen in Nicaragua. Hier ist für jeden Abenteuerlustigen etwas dabei.

Das Prinzip ist einfach: Für etwa fünf Stunden Arbeit an fünf Tagen in der Woche erhält der Reisende ein Dach über dem Kopf und Vollzeitverpflegung. Die Gastgeber können sich auf der Plattform kostenlos ein Profil erstellen, in dem sie sich selbst und ihr Projekt sowie die Aufgaben der Freiwilligen und die Art der Unterkunft und Verpflegung beschreiben. Freiwillige müssen einen Beitrag von 32 Euro bezahlen, um ein Jahr lang Gastgeber über die Website kontaktieren zu können. Die Datenbank mit allen verzeichneten Gastgeberprojekten kann allerdings auch ohne Zugangsdaten durchstöbert werden.

Ein Team auf Mission

Erklärtes Ziel von Workaway ist, das kulturelle Verständnis zwischen Reisenden und Einheimischen zu stärken. Freiwillige sollen in den Alltag und die Kultur ihres Gastgebers eintauchen, an sinnvollen Projekten mitarbeiten können und frischen Wind mitbringen. Durch die unkomplizierte und oft kurzfristige Vermittlung soll es aktiven Menschen ermöglicht werden, für ihre Herzensangelegenheiten schnelle und tatkräftige Unterstützung zu erhalten. Schließlich bietet die Webseite Reisenden die Möglichkeit, über lange Zeiträume mit niedrigem Budget etwas von der Welt zu sehen. Weil das Verhältnis zwischen Freiwilligen und Gastgebern freundschaftlicher Natur sein soll, wird sich bei Workaway grundsätzlich geduzt.

Fast 90 Prozent aller nach Abreise des Freiwilligen abgegebenen Bewertungen von Gastgebern und Volontären wurden bisher mit fünf von fünf Sternen versehen. Wer hingegen schlechte Erfahrungen gemacht hat, kann sich mit dem Workaway-Team in Verbindung setzen. Bei groben Regelverstößen oder mehrfachen Beschwerden kann ein Projekt auch aus der Datenbank genommen werden.

Entstanden war die Idee von Workaway aus dem Wunsch, Freiwilligen die Chance zu geben, weltweit sinnvolle Projekte zu finden, ohne eine Reiseagentur dafür teuer bezahlen zu müssen. Die Mission: Eine Gemeinschaft aus Globetrottern aufbauen, die auf ihren Reisen wirkliche Unterstützung leisten.

Viele Workaway-Gastgeber laden Reisende auf ihre Bauernhöfe ein, damit sie auf den Feldern oder bei der Arbeit mit Tieren aushelfen. In den Städten dominieren vor allem soziale Projekte für benachteiligte Menschen, Initiativen für Straßentiere und Angebote für die Arbeit in Hostels. Auch privates Babysitting und Hilfe im Haushalt sind gängige Angebote, genauso wie die Unterstützung in Bildungsinitiativen.

Muttersprachler bei der Arbeit

In einer solchen arbeitet auch Julia aus Deutschland, die seit über einem halben Jahr die Lehrer in der „Smart Kinder Villa“ in Bukarest unterstützt. „Nach der Schule wollte ich reisen, aber auch für längere Zeit in Bukarest leben und nebenbei etwas Sinnvolles tun“, erklärt sie. Weil Julia im Herbst ihr Lehramtsstudium beginnen möchte, hat sie sich für die Arbeit in einem deutschen Hort entschieden. Hier kann sie die rumänischen Kinder aus der Deutschen Schule nachmittags bei ihren Hausaufgaben unterstützen und sie auf Klassenarbeiten vorbereiten. Wenn alle Schulaufgaben erledigt sind, wird zusammen gespielt, der Park besucht oder Yoga gemacht. Was Julias Arbeit eine besondere Bedeutung verleiht, ist, dass sie mit den Kindern nur Deutsch spricht.

„Weil in den meisten größeren Unternehmen gute Deutschkenntnisse von großem Vorteil sind, können wir hier die Kinder gut auf die Zukunft vorbereiten“, erklärt Miruna, die den deutschen Hort gegründet hat. Julia kann hier die Aussprache der Kinder verbessern und nebenbei auch Vokabeln, Grammatik und Umgangssprache trainieren. „Workaway führt zu einer Win-win-Situation: Sowohl der Workawayer als auch wir als Hort profitieren davon“, lächelt Miruna. Bisher hat sie zwei Freiwillige aufgenommen: Neben Julia war noch Miriam hier, die einen Monat lang im Projekt gearbeitet hat. Essen bekommen die Freiwilligen zusammen mit den Kindern und Lehrern, wohnen können sie bei Miruna zuhause.

Hilfe aus aller Welt

Wie in jeder Großstadt suchen auch in Bukarest zahlreiche Hostels nach internationaler Unterstützung. So beherbergt das Hostel „Little Bucharest“ in der Altstadt regelmäßig Freiwillige aus aller Welt. „Die meisten sind auf der Durchreise, sie bleiben dann etwa vier bis sechs Wochen lang, maximal aber drei Monate“, erzählen Anda und Radu, die beide fest im Hostel angestellt sind. Wenige seien länger geblieben, aber über die Jahre sei es schon auch vorgekommen, dass Freiwillige bis zu einem Jahr im Hostel gearbeitet und gewohnt hätten. Seit der Hostelgründung vor viereinhalb Jahren waren insgesamt schon fast 30 Freiwillige da. Viele kamen aus anderen europäischen Ländern wie der Ukraine, den Niederlanden oder auch direkt aus Rumänien. Aber auch Globetrotter aus den USA, Brasilien und Peru haben schon im Hostel ausgeholfen.

„Die Workawayer sind für uns ein Bonus, eine extra Hilfe“, sagt Radu. Sie helfen bei den alltäglichen Reinigungen, nehmen neue Gäste im Empfang oder erledigen kleinere Reparaturen. Besonders im Winter, wenn sich mehr Hostelgäste drinnen aufhalten, haben die Volontäre im Gegensatz zu den Festangestellten aber auch Zeit, Filmabende, gemeinsame Kochaktionen oder Pub Crawls zu organisieren. Etwa zehn Anfragen flattern jede Woche in das Workaway-Postfach von „Little Bucharest“.

Bei so vielen internationalen Volontären lief in der Vergangenheit aber auch nicht immer alles rund: „Manche Freiwillige sind einfach faul. Sie geben nur vor, zu arbeiten, genießen aber stattdessen lieber die belebten Bars der Altstadt. Dann kann es auch vorkommen, dass wir uns vorzeitig von ihnen verabschieden...“, erklärt Anda.

Flucht in die Natur

Genau diese Belebtheit der Stadt, der Lärm und die schlechte Luft lassen nach einiger Zeit allerdings in so manchem die Sehnsucht nach einem naturverbundenen Leben wachsen. Nach der Geburt ihrer Tochter Zafira hat sich auch in Petra und Cristo der Wunsch verfestigt, die Stadt zu verlassen und sich in die Natur zurückzuziehen. In der Nähe von Kronstadt/Brașov bauen sie seitdem an einem energieautarken Haus – viel Arbeit für die kleine rumänische Familie.

Bereits vor vier Jahren haben sie mit der Hilfe von Freunden das Fundament errichtet. Als Handwerker ein Jahr später mit dem im Voraus bezahlten Geld verschwanden, war klar, dass sie sich nicht erneut auf fremde Arbeiter verlassen würden. Außerdem war es schwierig, Handwerker zu finden, die Erfahrung im Umgang mit natürlichen Baumaterialien hatten. Nun wurde also selbst angepackt.

Seit letztem Sommer haben Petra und Cristo ein Profil auf workaway.info, um sich so Hilfe zu organisieren. Über zwanzig Freiwillige haben die Familie seitdem unterstützt. Bis zu fünf können gleichzeitig untergebracht werden – da wird es manchmal ganz schön bunt am Mittagstisch. Die meisten bleiben nur für eine Woche, einige bis zu einem Monat. „Das ganze nimmt viel Energie in Anspruch, besonders wenn die Freiwilligen nur kurz bleiben und oft wechseln. Nach einem Monat brauchen wir in der Regel immer erst mal ein paar Tage nur für uns, bis wieder neue Helfer kommen“, erklärt Petra. Doch die Vorteile sind enorm: Die Freiwilligen seien alle sehr interessiert an der Bauweise und daher sehr fleißig und gewillt, zu lernen und zu arbeiten. „Und was auch wichtig ist –“, sagt Petra und ihr Lächeln wird breiter, „im letzten Jahr konnten wir nicht in den Urlaub fahren. Aber mit diesen ganzen Leuten hier, von unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Erfahrungen und Lebensweisen, haben wir uns immer wie auf Reisen gefühlt. Die Arbeit hat so viel mehr Spaß gemacht.“ Bisher waren Reisende aus allen Ecken Europas, Australien, den USA und Chile bei Petra, Cristo und Zafira. Sie helfen einfach, wo sie können – je nach Erfahrung und Interesse.

Jetzt in der warmen Jahreszeit füllen wieder sehr viele Anfragen Petras Postfach. Immer neue Gesichter, neue Geschichten, neue Gedanken. „Jede Erfahrung mit den Freiwilligen ist etwas Besonderes. Wir vermissen wirklich jeden, der mal bei uns war!“, sagt Petra herzlich.
Eins ist sicher: Workaway bringt neue Möglichkeiten mit sich; für Menschen, die gern die Welt erkunden und auch für solche, die sich die Welt lieber ins Wohnzimmer holen. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt – zumindest mit neuen Erfahrungen.