Richtig Wohnen in Altbauten und Altstädten ist kein Selbstläufer

Ein Gespräch mit dem Team des Architektur-Ateliers „Modul 28“

Daiana Maciulschi, Tudor Pavelescu, Vlad Ducar (stehend, von links nach rechts), Robert Makkos und Andra Nicoleanu (vorne sitzend) im neuen Büro ihres Ateliers „Modul 28“. Für zündende Einfälle sorgt auch Kater Puchi. Foto: Klaus Philippi

Es ist eine sehr historische Immobilie im rumänischen Hermannstadt/Sibiu, steht an der Ecke der Rosmaringasse/Str. Măsarilor zum Weinanger/Târgu Vinului, zählt zum Besitz der Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Hermannstadt und war jahrelang auch Anschrift von Mathematiker Martin Bottesch, seit März 2013 Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Siebenbürgen, und seiner am 3. Januar 2021 verstorbenen Ehegattin Johanna Bottesch. Die Mietwohnung zur Rosmaringasse hin hat er unterdessen für das 2017 gegründete Architektur-Atelier „Modul 28“ geräumt, das aktuell seinen ersten Winter als Nachmieter von Martin Bottesch erlebt und schon einige Rückführungen auf jahrhundertealten Originalzustand gewagt hat. Nicht, dass der Innenhof dort zuvor vernachlässigt worden wäre – doch was die Experten vom Büro „Modul 28“ neu daraus gestaltet haben, ist ein Musterbeispiel für das Wiederaufwerten kleiner Privatareale unter freiem Himmel in historischen Stadtkernen durch Verwendung bloß zweier Materialien: Erde und alte Steine. Auch zwei gebrauchte Fenster perfekter Maße mit naturfarbenen Holzrahmen und in gutem Zustand, für die ein Tischler aus dem Zoodt-Tal/Valea Sadului sonst schwer Abnehmer gefunden hätte, haben Architekt Tudor Pavelescu und seine Mitarbeiter der Wand zum Innenhof hinzugefügt, die dafür selbstverständlich aufgeschlagen werden musste. Das Gesamtbild der Immobilie aber wirkt seither stimmiger. Blickfänger sind auch die Zimmerdecken, die von ihrer weißen Farbe befreit wurden und jetzt wieder die Konturen edler Malereien zeigen. Und wären ein paar ebenerdige Ecken in Haus und Hof nicht von Feuchtigkeit befallen, hätten sie als Berufstätige, die auch die evangelisch geführte Stiftung Kirchenburgen beraten, vollumfänglich simples Spiel mit der Pflege ihres neuen Lokals. Es gibt Abhilfe für viele Probleme, obschon Schwachpunkte historisch sehr alter Häuser sich oft nicht leicht in den Griff bekommen lassen. Manchmal ist es angezeigt, sie zu tolerieren. Im Studio „Modul 28“ nachgefragt hat Klaus Philippi.

Gesetzt den nicht ungewöhnlichen Fall, dass man als Mieter oder Besitzer in einem Altbau wohnt und ihn vielleicht sogar für sich ganz alleine hat, statt seine Verwaltung permanent mit Nachbarn oder Vermietern absprechen zu müssen – weshalb ist es wichtig, vor äußerlich sichtbaren Renovierungen den Rat von Architekten einzuholen und sich als Laie nicht auf das eigene Bauchgefühl zu verlassen?

Robert Makkos: Auch wenn man einen Altbau bewohnt, der nicht als Baudenkmal eingestuft ist, unterliegt man gesetzlichen Regelungen. Hier in Hermannstadt, wo die gesamte Altstadt geschützte Zone ist, sollte eigentlich klar sein, was zulässig und was auf gar keinen Fall zulässig ist. Die Option, am Eigenheim auf eigene Faust loszulegen, entfällt folglich bereits vom Start weg; eine professionell erarbeitete Projekt-Dokumentation ist nicht allein in Hermannstadt, sondern in jeder anderen Stadt auch, die einen historischen Kern hat, gesetzlich verpflichtend.

Was ist die Motivation hinter dem Namen des Ateliers „Modul 28“?

Tudor Pavelescu: 28 war anfangs die Hausnummer unseres Ateliers in der Fleischergasse/Mitropoliei vor dem Umzug hierher in die Rosmaringasse.

Vlad Ducar: Und für den kompletten Namen brauchten wir einen Begriff, der zwar nicht strikt architektonisch gebunden ist, jedoch komplexen wie einfachen Strukturen zugrunde liegt und auch bei Repetition und Variation nicht langweilig wird.

Wie überzeugen Sie Kunden vom Wert Ihrer Eingriffe und Leistungen?

Tudor Pavelescu: Wir haben es mit Kunden zweier verschiedener Arten zu tun. Einerseits Kunden, die in etwa wissen, was ihnen vorschwebt, und deren Pläne wir allein ergänzen müssen, und andererseits Kunden, die uns die Entscheidung ganz überlassen. Bezüglich älterer Kirchen zum Beispiel wird uns manchmal nur Bescheid gegeben, wie viel Geld zur Verfügung steht, und dann hören wir immer auch die Frage, was mit dem limitierten Budget am dringendsten vorzunehmen wäre. Allgemein aber sind unsere Kunden verantwortliche Vertragspartner, die uns nicht bitten, die Fassade zu restaurieren, obwohl es dahinter ins Haus hinein regnet. Von stringenten Interventionen können wir bei „Modul 28“ nicht berichten.

Was ist der Unterschied zwischen der Architektur allgemein und ihren Sonderdisziplinen wie Topografie oder Stadtplanung, und warum gibt es kaum einen Architekten, der sie alle mit derselben Sicherheit beherrscht?

Vlad Ducar: Topografie und Stadtplanung sind zwar miteinander verwoben, spielen jedoch nicht direkt in die Architektur hinein. Es sind viel eher Wissenschaften für sich. Wo der Stadtplaner die Stadt in ihrer Breite plant, gehen wir Architekten ins Detail. Und wer die eigene Arbeit einwandfrei tun können möchte, tut gut daran, seiner Richtung treu zu bleiben und sich in ihr zu spezialisieren, statt für den gesamten Markt nützlich und verantwortlich sein zu wollen. Wir etwa beschäftigen uns mit Restauration und wären schlecht beraten, zum Beispiel auch Hotels, Gaststätten und Pensionen der Handelskammer HORECA zu designen. In einem kleinen Büro ist es schwierig mit so großen Bandbreiten. Die größten Chancen, sich noch mehr Wissen anzueignen, hat, wer sich auf einen bestimmten Bereich spezialisiert.

Die in Häuserwänden hochsteigende Dauerfeuchtigkeit auch in Hermannstadt ist Ihnen sicher hinreichend bekannt. Auf welche Art kann sie am besten erklärt werden, und wie gehen Sie damit um?

Tudor Pavelescu: Man gerät leicht in die Vermutung, Feuchtigkeit am Alter des Gebäudes festzumachen, aber so einfach ist es nicht. Es gibt genügend Beispiele von Wohnhäusern, die 500 Jahre oder älter sind und nach wie vor stehen. Und ich weiß von Kirchen mit Feuchtigkeitsproblemen, die ein später angehobener Erdboden vom Kirchhof ringsherum mit sich gebracht hat. Liegt der Fußboden einer Kirche tiefer als der Kirchhof, staut sich die Feuchtigkeit in der Kirche.

Robert Makkos: Genauso auch in den Städten, wo der Straßenstand stetig weiter angehoben wurde. Bei Betrachtung uralter Fotos von Hermannstadt fällt auf, dass manche Plätze und Gassen früher um 50 bis 100 Zentimeter tiefer lagen.

Vlad Ducar: Ein prominentes Beispiel dafür ist die Pempflingergasse (Pasajul Scărilor), die vom Musikgymnasium hinunter führt.

Robert Makkos: Besonders stark angehoben wurde der Straßenstand sukzessive im letzten Jahrhundert. Und man darf nicht vergessen, dass vor langer Zeit undurchlässige Pflasterungen und Asphalt noch nicht üblich waren. So ungehindert, wie das Wasser in den Erdboden eindrang, konnte es auch wieder verdunsten. Irgendwo ist die Feuchtigkeit auch ein Begleitschaden der Moderne.

Tudor Pavelescu: Sie ist ein allgemein städtisches Problem und nicht auf eine Schuld der Häuserbauer zurückzuführen. Wenn die Straße höher als das Tor liegt, braucht man sich nicht wundern, dass das Wasser in den Hof rinnt.

Robert Makkos: Es funktioniert nicht immer, der Feuchtigkeit mit nur einer einzigen idealen Intervention beizukommen; nicht selten ist es nötig, Interventionen in Serie vorzunehmen. Faustregeln dafür sind nicht bekannt. Und die modernen Techniken von heute, der Mauer allerhand fremde Materialien zu injizieren, sind für Baudenkmäler nicht unbedingt zu empfehlen. Aber auch die traditionelle Art und Weise löst das Problem oft nicht. Trotzdem gehen wir von „Modul 28“ diese Sache immer zuerst versuchsweise mit den traditionellen Techniken an.

Vlad Ducar: Wichtig ist, dass ein Fundament durchlässig sein und atmen kann.

Wo bleibt die Denkmalschutzbehörde Hermannstadt (Direcția Județeană de Cultură, DJC) hinter ihrem eigenen Auftrag und den Ansprüchen ihres fachlich studierten Publikums zurück?

Daiana Maciulschi: Es wäre gut, dass mehr Arbeitnehmer die DJC Hermannstadt im Terrain vertreten und sich vor Ort reale Bilder über den Zustand der Städte und Denkmäler machen. Aber nach meiner Information sind alle Denkmalschutzbehörden landesweit unterbesetzt und konzentrieren sich auf die Büroarbeit.

Vlad Ducar: Und sie erteilen Strafen bei Verstößen…

Robert Makkos: ...wenn sie denn überhaupt Notiz von ihnen nehmen.

Daiana Maciulschi: Eigentlich sollte für jedes Baudenkmal eine Akte bei der DJC vorliegen, die seinen Wert beschreibt und die Pflichten der Besitzer festlegt. Leider wissen viele Besitzer nicht, was Pflege und Wartung bedeuten und wie sie zu sichern sind, weil ihnen niemals von diesen Pflichten Bescheid gegeben wurde.

Tudor Pavelescu: Es gibt Architekten, die den vollen universitären Bildungsweg durchlaufen haben, und nicht wissen, was mit einem Baudenkmal anzufangen wäre. Wir bei „Modul 28“ arbeiten nur mit Kunden, wenn unsere Konditionen akzeptiert werden, sonst nicht. Bei Streit steige ich aus. Quantitativ genügt es uns, so wie unlängst parallel an zwei Projekten gearbeitet haben zu können: eine Kirche in Ampoița und die Kirchenburg Deutsch-Weißkirch.

Andra Nicoleanu: Was in Hermannstadt und Umgebung vor sich geht, beschäftigt uns sehr stark, liegt uns am Herzen. Von daher sind wir uns ständig über regionale Nachrichten unserer Branche im Klaren und wünschen uns für die Zukunft nichts anderes, als dass unsere Arbeit sichtbarer wird.

Vielen Dank für das Interview!