Schritt für Schritt in Richtung Unabhängigkeit

Mit Kinderheimen, Tagesstätten, Berufsschule und Coaching begleitet Concordia benachteiligte Kinder und Erwachsene

Fabian Robu und sein neuer Freund in der Farm für Kinder in Ariceştii Rahtivani, Kreis Prahova

Elena Matache präsentiert die Kunstwerkstatt auf der Farm für Kinder, eine der vielen Freizeitmöglichkeiten da.

Die Kinder im Alexandra-Tageszentrum machen Hausaufgaben und werden dabei unterstützt

Augustin und Dorina sind beide Absolventen der Berufschule Concordia.
Fotos: Aida Ivan

Er erinnert sich nicht nur an das erste Treffen vor zwei Jahren, sondern auch an das Foto mit den Jungs und möchte erzählen, wie sie sich entwickelt haben. Wir schlendern durch den Hof der Farm für Kinder in Ariceştii Rahtivani (Kreis Prahova) und die starke Sonne scheint uns bestrafen zu wollen. „George lebt nicht mehr bei uns und Radu lebt im Haus Eva. Das ist ein Haus für Jugendliche, wo sie lernen, sich alleine zurechtzufinden“, sagt Fabian Robu von Concordia, einer international tätigen Hilfsorganisation für Kinder, Jugendliche und Familien in Not. Robu hat einen Moment frei und erzählt mit seiner ruhigen Stimme von seiner Hauptbeschäftigung mit den Kindern. Ansonsten telefoniert er den ganzen Vormittag hindurch  lange zum selben Thema. Er hat jetzt mehr graues Haar.

„Vati Fabi“. So nannten George und Radu den Mann, der vor zwei Jahren die Kinderfarm leitete. Sie lächelten ihn an und suchten liebevoll seine Nähe, als Robu die Häuser zeigte, wo Kinder immer noch rundum betreut werden. Die Situation sieht jetzt anders aus: George ist zu seinem Vater umgezogen, kommt aber dann und wann, um seinen Bruder bei Concordia zu besuchen. Radu wohnt im Haus für Jugendliche in Ploie{ti, das Fabian Robu leitet. An der Farm in Arice{ti hat sich aber nichts geändert. Die Kinder gehen in die benachbarte staatliche Schule und auf der Farm werden sie wie in einer echten Familie betreut. Die Beziehung zu ihnen pflegt Robu weiterhin. Nur: Er arbeitet nicht mehr in Arice{ti.
Vom Bart gefesselt

Für ein paar Momente tritt ein starkes Déjá-Vu-Gefühl ein. Wir besuchen ein Haus auf der Farm, wo acht Kinder zusammen mit der Tageserzieherin wohnen. Im Wohnzimmer klebt an der Wand das Einmaleins, daneben der Wochenplan – viel Sport, Tanzen, EDV, Schwimmen oder Logopädie. Auf dem Regal verschiedene Trophäen und Kunstobjekte der Kinder. Robu schüttelt die Hände aller Jungs, ein Mädchen kommt und lehnt sich an seine Schulter. Es gibt in der Runde einen blonden Burschen, auf seinem T-Shirt steht „Home“ neben einer hellgrünen Palme. Seine Hand hält die Hand Robus länger und die Augen des schüchternen Jungen glänzen. Wie alte Kumpel setzen sich die beiden auf das Sofa. Der Junge umarmt den großen Unterarm des Mannes mit seinem ganzen Oberkörper, ohne ein Wort zu sagen. „Er wollte am Anfang nicht sprechen, er wollte mir nicht mal sagen, wie er heißt“, sagt Robu und nimmt den Jungen in die Arme. Das Kind ist fasziniert von seinem Bart und berührt das Gesicht des Mannes mit dem Zeigefinger, als ob er gerade etwas sehr Wertvolles entdeckte. Robu fragt ihn, was er und die anderen Kinder im Haus zu Mittag essen, ob sie noch etwas brauchen.

Insgesamt 200 Kinder leben bei Concordia - das erfahren die Teilnehmer aufdem Concordia Informationstag. Besucht werden verschiedene Einrichtungen von Concordia. Die Leute zeigen sich überrascht von den Diensten, die hier geleistet werden: Concordia kümmert sich um insgesamt 450 Kinder und Jugendliche und 100 Eltern. Die Aktivität der Organisation ist im Kreis Prahova und in Bukarest besonders intensiv: In Prahova gibt es vier Familienhäuser, zwei Tageszentren, eine Berufsschule und eine soziale Wohnung. In Bukarest gibt es eine Übernachtungsstätte, drei soziale Wohnungen und eine Wohnung für Erwachsene mit Behinderungen.

Die Kinder aus Mimiu

Man kann sich oft nicht vorstellen, unter welchen Umständen die Kinder wohnen, die noch bei den Eltern leben. Für diese gibt es daher Tageszentren, wo die Kleinen ein paar Stunden jeden Tag verbringen. Eine kurze Runde durch das Stadtviertel Mimiu am Rande von Ploie{ti hellt die ganze Situation auf: Hier leben nur Roma - 1200 Menschen, 900 davon Kinder. Das Stadtviertel gibt es seit 50 Jahren, die Menschen wohnen illegal und haben kein Kanalisationssystem, kein Leitungswasser, keinen Strom. Am Kindergarten in Mimiu wurden 24 Kinder eingeschrieben, in der Tat gehen nur vier hin. Warum? „Manche von ihnen schicken ihre Kinder zum Betteln und zum Plastik sammeln“, erklärt Elena Matache, Direktorin für Sozialprogramme bei Concordia.

Das Alexandra-Tageszentrum liegt in der Nähe von Mimiu. Hier kommen die Kinder nach der Schule hin. Ihnen wird bei Hausaufgaben geholfen. Manchmal werden sie sogar geduscht und neu eingekleidet. „Einige von ihnen haben gar nicht gewusst, was ein Duschgel ist. Andere essen nur einmal pro Tag - das ist das Essen, das sie hier bekommen“, setzt Matache fort. Im Haus Alexandra werden 27 Kinder zwischen 6 und 14 Jahren betreut. Es gibt sehr viele Sozialfälle in Ploieşti, Eltern kommen einfach zu uns und bitten um Hilfe, erzählt Matache.

Schulabbruch ist eines der größten Probleme, mit denen Rumänien konfrontiert ist, erklärt sie weiter. An der Schule in Mimiu sind die Klassen gemischt. „Es gibt Kinder in der vierten Klasse, die die Buchstaben noch nicht kennen. Deshalb haben wir einen Sommerplan konzipiert, damit sie nachholen können“, sagt Matache. Volontäre werden immer noch gebraucht - als Lehrer für die Fächer EDV, Kunst, Musik oder Englisch. Auch in den Kindergarten in Mimiu soll ein Volontär gebracht werden, damit die Aktivitäten für Kinder attraktiver gestaltet werden. Wenn die Kinder nicht in den Kindergarten gehen, sind sie nicht daran gewohnt, zuzuhören und sich zu sozialisieren. 

Job Coaching Zentrum und Berufsschule

Im Hof des Tageszentrums sind  farbenfrohe Steine, überdimensionierte Pilze, Enten und Tischchen verstreut. Das Zentrum ist nicht nur für Kinder eingerichtet: Auch Eltern wird durch Job-Coaching geholfen, Arbeit zu finden. Gerade lächelt uns eine junge Frau im grünen Rock an. Die Beraterin ermutigte sie, nach dem Abschluss von fünf Klassen wieder zur Schule zu gehen, um ihre Chancen bei der Jobsuche zu erhöhen.

Die Concordia-Bäckerei und die Kinderstadt ist die letzte Station. Hier wird Jugendlichen beigebracht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Berufsschule verwandelt sich nachtsüber in eine richtige Bäckerei, deren Angestellte die jungen Leute von Concordia sind. Die Produkte, die nachts gebacken werden, werden tagsüber ausgeliefert.

Christian Estermann, Bildungsdirektor bei Concordia, denkt sich Strategien aus, wie Jugendliche stärker motiviert werden können. Einen Plan hat er schon: Diejenigen, die einen Job haben, sollten im Rahmen eines Workshops darüber sprechen, wie sie es geschafft haben. Was sonst könnte stärker als die Macht des eigenen Beispiels sein? „Vorher soll eine Statistik erstellt werden, um zu erfahren, was mit den Jugendlichen tatsächlich passiert, nachdem sie Concordia verlassen.“

Inzwischen kann Augustin (19), der letztes Jahr die Kochschule besucht hat, von erfreulichen Resultaten berichten. Schon seit Mai arbeitet er als Koch an einem Hotel in Ploieşti. Im Moment wohnt er weiterhin bei Concordia. Sein Ziel ist es aber, in England zu arbeiten, er wartet jetzt nur auf die Papiere. Auch Dorina (19) hat die Kellnerschule bei Concordia besucht und versucht jetzt, einen Job zu finden. In der Kinderstadt Concordia werden weitere 84 Kinder untergebracht. Bis sie erwachsen werden, werden alle unterstützt, eine Arbeitsstelle zu finden und sich allein zurechtzufinden. Der nächste Schritt auf dem Weg zur Selbstständigkeit ist eine soziale Wohnung, bis sie auf eigenen Füßen stehen können. Dann gehört die Welt ihnen.

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Concordia

Schon seit zwei Jahrzehnten entwickelt Concordia Programme für sozial benachteiligte Kinder und junge Leute. Finanziert wird die Organisation hauptsächlich von Österreich, versucht wird auch, in Rumänien Ressourcen zu finden. Unterstützt wird die Organisation von bis zu 30 Volontären, die jedes Jahr - meistens aus deutschsprachigen Ländern - kommen. Die Concordia Bäckerei ist ein Modell für soziales Unternehmertum: Der Gewinn wird in die Entwicklung der Berufsschule investiert. Partner werden gesucht, damit die notwendige Infrastruktur weiter entwickelt wird und möglichst viele Kinder unterstützt werden können. Es gibt mehrere Arten zu helfen - entweder mit Jobangeboten für die Absolventen der Berufsschule oder durch ehrenamtliche Arbeit.

Produkte von der Concordia Bäckerei kann man über die E-mail -Adresse comenzi.brutarie@concordia.or.at oder telefonisch bei 0726 244806 bestellen.

Spenden sind willkommen:

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