Show must go on

Unmögliche Zustände im rumänischen Parlament

Bild: sxc.hu

„Zähl richtig, Roberta, wir beobachten dich?“ „Wo bist du Cotoi?“ „Schaut euch mal den Oltean an, man könnte sagen, dass er nur Palatschinken isst.“ „Sie haben nicht genügend Leute! Toader, such mal im Schnee, vielleicht findest du noch einen Stockbesoffenen.“ „Gigi, rechne du, so wie man es bei den Finanzen macht!“ Und irgendwann später: „Sie schaffen es doch! Es hat keinen Zweck mehr. Lasst uns in die Ausschüsse gehen!“

Das sind nur einige wenige ausgewählte Repliken aus der mehraktigen Tragikomödie, die sich am Wochenanfang im rumänischen Parlament abspielte. Die angesprochenen Helden (mit dem Sitz im Plenumssaal) heißen Roberta Anastase, die Vorsitzende der Abgeordnetenkammer, Sever Voinescu Cotoi, Ioan Oltean, Mircea Toader, Abgeordnete der Liberaldemokratischen Partei, und Ex-Finanzminister Gheorghe Ialomiţeanu. Die Performer (mit dem Sitz auf den Balkonen) gehören auch zu den Volksvertretern, sie sind allerdings Mitglieder des Oppositionsbündnisses USL. Die Handlung läuft parallel: Unten bemühen sich die einen um Beschlussfähigkeit, von oben verfolgt die boykottfreudige Galerie das Verfahren. Emotionen werden in beiden Lagern laut: von Empörung zu Freude, von spöttischer Hoffnung bis hin zur resignierten Enttäuschung. Live-Zuschauer? Einige wenige Abgeordnete, die ihre Pflichten trotz allem noch ernst nehmen. Sponsor der peinlichen Vorstellung war der Steuerzahler, wer sonst?

Egal aus welcher Perspektive wir dieses neue politische „Event“ am Dienstag betrachten, es geht  wieder einmal um die Wahlen in diesem Jahr, genauer gesagt um die Show, manche nennen sie Wahlkampagne, welche uns ein Großteil der Politiker zu bieten gedenkt. Vom Standpunkt der Wahlen aus betrachtet, sollten die regierende PDL und ihre Koalitionspartner begangene Fehler vermeiden und die Maßnahmen der Boc-Ära konsolidieren, um irgendwann selbst die Früchte des erbrachten Opfers ernten zu können. Der oppositionelle USL (welch ein Glück, die Sparpakete nicht selber eingeführt haben zu müssen) sollte seinerseits nichts als die Vernunft wiederfinden und seinen Job zur Abwechslung mal konstruktiv machen, um den wichtigen Vorsprung in der Wählergunst zu konservieren. Die PDL schafft es aber nach wie vor nicht, alle Abgeordneten und Senatoren zu den Arbeiten der beiden Kammern zu mobilisieren oder Maßnahmen konsequent durchzuführen (was ist beispielsweise mit dem Ex- oder vielleicht doch nicht Ex-Transelectrica-Generaldirektor Hăhăianu los? Ist er nun gefeuert oder nicht? ) Und der Sozialliberale Verband spielt weiterhin diese äußerst schädliche und nicht minder peinliche Karte des parlamentarischen Streiks und der obsessiv geforderten vorgezogenen Wahlen.

Was hat sich geändert? Emil Boc ist zurückgetreten. Traian Băsescu hat einen neuen Premier ernannt: Mihai Răzvan Ungureanu. Dieser bildete ein neues Kabinett.
Und was gibt es Neues? Vielleicht die in der einheimischen Szene schon ungewohnte Geste eines Ministerpräsidenten (ich meine Emil Boc), seine politische Karriere aufs Spiel zu setzten, um unbeliebte, aber notwendige Maßnahmen zu treffen. Und wahrscheinlich auch der zivilisierte und versöhnliche Diskurs Victor Pontas im Parlament anlässlich der Vorstellung des neuen Ungureanu-Kabinetts. Wenige, seltene Zeichen einer politischen Normalität. Sonst noch etwas? Eigentlich nicht. Die Opposition will nichts als vorgezogene Wahlen, die PDL alles andere als das, hat aber eine zerbrechliche Mehrheit in der Abgeordnetenkammer und im Senat ist die Beschlussfähigkeit in Gefahr. Manche scheinen die Geduld verloren zu haben, vergessen, dass die Wahlen das bedeutendste Instrument der Demokratie sind. Im Vordergrund steht, nach wie vor, die Primetime-TV-Politik. Denn: The show must go on.