Stadtentwicklungskonzept zur Debatte gestellt

Temeswar soll zu einem europäischen Regionalpol werden

Der Bega-Kanal stellt die Verbindung zwischen den historischen Vierteln von Temeswar her.

Temeswars Stadtentwicklungskonzept wurde öffentlich zur Debatte gestellt.
Fotos: Zoltán Pázmány

Von einem nationalen Entwicklungspol soll Temeswar/Timişoara bis 2020 zu einem europäischen Regionalpol werden. Das wünscht nicht nur der Architekt Nicolae Ţarălungă, sondern auch das Team, welches das Stadtentwicklungskonzept für Temeswar erarbeitet hat. Zu einem Rundtischgespräch mit dem Thema „Die Wirtschaft und die Stadt“ lud Anfang der Woche die Kommunalverwaltung ein. Im Mittelpunkt der Gespräche stand der „Masterplan“ der Stadt Temeswar, den unter Aufsicht der Stadtverwaltung ein interdisziplinäres Team von Fachleuten entwickelt hat. Architekten, Firmeninhaber, Fachleute aus dem Bereich Stadtentwicklung und Politiker trafen sich im Sitzungssaal des Rathauses, um das erarbeitete Stadtentwicklungskonzept und die damit zusammenhängenden Strategien zu besprechen.

„Dieses Konzept ermöglicht Investoren und Touristen, ihren Platz in der Stadt zu finden“, sagte der Architekt Nicolae Ţarălungă. Temeswar dürfe nicht nur als Summe von Firmen betrachtet werden, sondern in einem erweiterten Kontext. Temeswar könnte sich in der Zeitspanne 2014–2020 zu einem europäischen Regionalpol entwickeln. In diesem Sinne müsste man auf Ressourcen wie der Nahverkehr, das Kulturerbe oder die vielen, mit guter Infrastruktur versehenen, freien Grundstücke bauen. Ein wettbewerbsfähiges Wirtschaftsleben und die zahlreichen Universitäten seien ebenfalls gute Stützpunkte für eine künftige Entwicklung der Stadt. „Temeswar ist eine junge, raffinierte Stadt mit einem gewissen Gleichgewicht“, so Nicolae Ţarălungă. Durch das Stadtentwicklungskonzept soll die Lebensqualität der Bevölkerung in der Stadt gesteigert werden.

Stadtplaner als Vorreiter

Bei dem Rundtischgespräch stellte der Architekt Eugen Pănescu aus Klausenburg/Cluj-Napoca das Stadtentwicklungskonzept von Temeswar vor. In den Bereichen Wirtschaft, Technologie und Kultur müssten in den nächsten Jahren zahlreiche Projekte umgesetzt werden. Die Verbindung zum europäischen Autobahnnetzwerk, Logistik- und Cargo-Einrichtungen, eine Eisenbahnverbindung mit dem Temeswarer Flughafen und der Fertigbau der Umgehungsstraße gehören zu den Prioritäten, um die Entwicklung im Bereich Infrastruktur voranzutreiben. Neue Brücken und Überführungen in der Stadt sollten eine leichtere Umfahrt ermöglichen und die Umwelt weniger belasten. 

Auch im Bereich Kultur herrscht großer Nachholbedarf. Die historischen Viertel von Temeswar müssten wiederbelebt werden. Der Gedenkstätte der Revolution und einem modernen Museum, das den innovativen Geist von Temeswar zum Ausdruck bringt, müsse mehr Aufmerksamkeit beigemessen werden. Ein Geschäftszentrum in der Innenstadt, ein modernes Konferenzzentrum, ein Entwicklungs- und Forschungszentrum, das in enger Verbindung mit den Universitäten steht, aber auch ein Industriepark und ein Messegelände im Nordosten der Stadt seien absolut notwendig. Das Stadtentwicklungskonzept zieht auch ökologische und naturräumliche Aspekte in Betracht. Die Industriegebiete müssten umweltfreundlich gestaltet und die Grundstücke mit Eisenbahninfrastruktur wieder in Betrieb gesetzt werden. Für eine reine Umwelt, die der Gesunderhaltung der Stadtbewohner gerecht wird, sei es notwendig, den grünen Schutzwall der Stadt auszubauen. Zwei neue Wälder müssten angelegt und mit den existierenden drei – Jagdwald, Bazoş und Unip – in Verbindung gebracht werden. Der grüne Schutzwall soll nicht nur die Stadt vor Wind und Staub schützen, sondern auch für Wochenendaktivitäten wie Fahrradfahren im Grünen Raum bieten. Der Bega-Fluss, der die Stadt durchquert, sei die beste Verbindung zwischen den historischen Vierteln und somit den wichtigsten Anziehungspunkten in der Stadt. Eine Priorität sei es, den Kanal schiffbar zu machen. Auch eine Sanierung des Fluss- und Seenetzes ist im Temeswarer Stadtentwicklungskonzept vorgesehen.

Kreativ über den Zaun schauen

„Eine Stadt muss wie ein Chip funktionieren, aus etwas Kleinem mehr hervorbringen“, sagte der Bukarester Architekt Şerban Sturdza, der bei der Debatte im Rathaus dabei war. Die beste Möglichkeit, ein Kulturerbe zu bewahren, sei, es auszubauen. „Temeswar hat einen großen Vorteil – die Interaktion von Kulturen. Wir müssten zu unseren Nachbarn in Ungarn und Serbien hinüberschauen und uns inspirieren lassen“, fügte der Architekt hinzu. Auch der ehemalige Stadtarchitekt Radu Radoslav brachte ein paar Probleme auf den Punkt: Die Kommune müsste Prioritäten setzen, damit die Finanzierung für die Projekte auch kommen kann. „Wir sollten ganz klare Vorstellungen haben, mit welchem Teil der Ringstraße wir beginnen müssen. Wir können nicht ein großes Projekt aufstellen und auf viel Geld auf einmal hoffen“, sagte er. Auch das Projekt einer Eisenbahn-Ringstraße müsse genau unter die Lupe genommen werden. „Wenn sie zu weit weg ist von der Stadt, ist sie nicht mehr ergiebig, weil die Transportkosten steigen“, erläuterte er.

Diskutiert wurden auch verschiedene Umweltaspekte. Dan Bedros, französischer Honorarkonsul in Temeswar und ehemaliger Geschäftsführer von Alcatel-Lucent in Südosteuropa, stellte sich als starker Befürworter der alternativen Energien vor. „Es müsste eine Strategie der grünen Energien aufgestellt werden“, sagte er. „Ich würde der Carrefour-Kette beispielsweise nicht erlauben, einen Laden zu eröffnen, ohne Solaranlagen auf dem Dach“, bekräftigte er seine Vorstellung. Daraufhin antwortete der Temeswarer Vizebürgermeister Adrian Orza, dass es bereits erste Anregungen in diesem Sinne gäbe. „Seit 2008 verwenden einige Schulen Fotovoltaikzellen zur Energieproduktion. Wenn nicht die Krise gekommen wäre, hätten schon viel mehr Schulen davon profitieren können “, meinte er. Adrian Orza ist überzeugt, dass in den kommenden zwei Jahren große Fortschritte in diesem Bereich gemacht werden. Architekt Rudolf Gräf, der bei der Erarbeitung des Stadtentwicklungskonzepts für Temeswar mitgewirkt hat, bekräftigt: „Temeswar ist eine Stadt mit einer Vision. Wir haben klare Prinzipien und Richtlinien erarbeitet, um eine positive räumliche Entwicklung der Stadt zu generieren. Die Kommunalverwaltung muss diese Projekte jedoch umsetzen und wir, die Bürger, müssen dafür sorgen, dass dies auch passiert“. Prof. Ivan Bogdanov von der TU Politehnica machte öffentlich bekannt, dass die Lehrkräfte von der Technischen Universität ihre Unterstützung bei gewissen Unterprojekten anbieten. „Wir bieten uns auch freiwillig und kostenlos an, weil es um unsere Festung geht“, so der Professor, der zugleich auch die Kontaktperson mit der Fraunhofer Gesellschaft aus Deutschland ist. Die Fraunhofer Gesellschaft plant in diesem Jahr, eine Niederlassung in Rumänien zu eröffnen. Standorte wie Bukarest, Hermannstadt/Sibiu, Craiova und Temeswar kommen in Frage. Sollte die Entscheidung für Temeswar fallen, könnte die Kommune einen wichtigen Partner in der Umsetzung des Stadtentwicklungskonzepts gewinnen.