Subventionitis und „arme Bauern“

Politiker aller Couleurs, Geheimdienste, Zivilgesellschaft, Journalisten, politische Analysten, praktisch das ganze Land wurde von der Protestbewegung der Landwirte und Fernfahrer überrascht – nachdem man lange vorher im Fernsehen die oft ins Brutale ausartende Protestbewegung mit Traktoren und Zugfahrzeugen der Landwirte und Fernfahrer in Westeuropa – Deutschland, Frankreich, Belgien – zu sehen bekam. Nur: fernab von uns, wie uns nicht betreffend.

Schuld sind hiesige Journalisten und Sender, wenn uns nicht berichtet wurde, dass sich der Zorn – mit Gewaltausbrüchen – der Kraftfahrer u. a. gegen Rumänen, Polen, Bulgaren richtete, die als „travailleiurs detachées“ für westeuropäische Firmen arbeiten. Während sie hierzulande mit Mindestlöhnen abgefertigt werden. Aber hier laufen die Lohnnebenkosten ab, während ihre „Mieter“ in Westeuropa nur etwas draufzahlen – dem Fahrer und dem hiesigen „Vermieter“. Insgesamt kommen sie viel billiger weg, als wenn sie einen eigenen Fernfahrer anstellen. Das Ausnutzen dieses „Durchschlupfs“ in der europäischen Gesetzgebung war auch – wegen anderer Bereiche – einer der Auslöser der Brutalo-Anarcho-Protestbewegung der „Gelbwesten“, für deren „Feindbild“ die Soziologen den Begriff des „petit blanc“/„kleinen Weißen“ prägten. Allerdings nahm die Pandemie den „gilets jaunes“ den Wind aus den Segeln. Kurzum: es werden dauernd „kleine Weiße“ ge- und erfunden, als Schuldige (zum Unterschied von den traditionell als Arbeits- und Geldwegschnapper beschuldigten Farbigen, Migranten oder aus den – aktuellen oder ehemaligen – Kolonien Zugezogenen), um immer brutalere Protestbewegungen auszulösen. Auch ukrainischer Weizen ist „petit blanc“.

Hierzulande ist ein anderer Teil der Protestler, die Stammwähler der regierenden PSD und PNL, die „armen Bauern“, die Landbevölkerung, interessant. Constantin Crăciun, der seit 2007 selbsternannte „arme Bauer der EU“ aus dem Landeskreis Vrancea, ist von seinem dorther stammenden Landsmann und Ex-Brezelbäcker, PSD-Chef und Premierminister Ion M. Ciolacu, empfangen worden. Worauf der Politiker eine larmoyant-peinliche und nach Lügendemagogik stinkende Hymne auf die „Bauernschaft“ postete, von der „ich mich nie entfernen werde.“ Medienrecherchen ergaben, dass Crăciun – der „arme Bauer der EU“, der, in „Volkstracht“, mit „Dakermütze“ und in Bundschuhen, dem Premier die Forderungen der protestierenden Landwirte überbrachte – eigentlich ein gerissenes Schlitzohr ist. Für rumänische Verhältnisse keineswegs arm: er hat 31 Hektar Ackerland, zehn Milchkühe, 14 Mastschweine, 200 Legehennen, zwei Getreideschroter, einen Schnapskessel und einen Traktor, den er mit EU-Mitteln kaufte, zudem bezieht er eine Rente, plus Zulagen als Leiter der Genossenschaft „Armer Bauer“ und als „verdienter Revolutionär“ – angeblich „verteidigte“ er 1989 den Bahnhof von Focșani gegen die „Terroristen“ (nur: in Focșani/Vrancea geschah 1989 eigentlich nix …). Ciolacu und Crăciun – gleich gesellt sich gern zu gleich.

Aber: Milchkuhhaltung, Mastschweinezucht, Besitz und Bebauen von Ackerland sind subventioniert… Tagelöhner beschäftigt Crăciun auch. Wo´s nicht fließt, dort tröpfelt´s eben (rumänisches Sprichwort).

Medienwirksames Jammern und Proteste machten den Mann landesbekannt. Etwa sein Schaf „Frumușica“, vors Handwägelchen gespannt, um 100.000 Lei auf die Bank zu schaffen. Er versteht´s, Subventionen und Steuervergünstigungen zu kriegen und beizubehalten – bezahlt von denen, die genauso so hart schaffen. 

Die Proteste des Jahresanfangs 2024 zeigten die Risiken und Schwächen der staatlichen und EU-Subventionitis auf. Kapitalismus mit Subvention und Trickserei schafft Fassaden und Haushaltslöcher, keine Entwicklung, nie Nachhaltigkeit. Systemische Schwächen – hierzulande und in der EU – fordern einen neuen Umgang mit den Mitteln. Reformen.