Totalitarismusforschung auch heute aktuell

Hannah-Arendt-Ausstellung in Temeswar gezeigt

Hannah Arendt in Temeswar: Seit Montag ist die Ausstellung in der Universitätsbibliothek „Eugen Todoran“ zu sehen.
Foto: Deutsches Kulturzentrum Temeswar

Seit über einem Jahr reist die Hannah-Arendt-Ausstellung durch Rumänien. Das Debüt der Ausstellungstournee fand Ende September 2010 in Bukarest statt. Das Literaturhaus Berlin konzipierte und stellte die kulturgeschichtliche Ausstellung zusammen. Im Mittelpunkt stehen die Hauptwerke der Publizistin und Gelehrten Hannah Arendt, die sich besonders mit den beiden Totalitarismen des 20. Jahrhunderts auseinandergesetzt hat. Am Montag wurde in der Universitätsbibliothek „Eugen Todoran“ die Hannah-Arendt-Ausstellung nun auch in Temeswar eröffnet. Veranstalter sind das Deutsche Kulturzentrum Temeswar in Zusammenarbeit mit der Eugen-Todoran-Bibliothek. Temeswar ist die sechste und letzte Station der Ausstellung, die von dem Projektleiter des Literaturhauses Berlin, Lutz Dietrich, eröffnet wurde.

In Rumänien waren die Bücher Hannah Arendts vor der Wende verboten. Sie gilt als erste Historikerin und Philosophin, die  nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust versucht hat, den stattgefundenen Zivilisationsbruch zu beschreiben. Dazu schrieb sie ein umfangreiches Buch über den Nationalsozialismus und den Stalinismus.

In „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ untersuchte Arendt, wie die beiden Formen des Totalitarismus im 20. Jahrhundert entstanden sind und schaut auch auf die gemeinsamen Merkmale beider politischer Formen. Der Ausstellung liegt ein Exemplar des Buches vor, das auf Rumänisch im Humanitas Verlag erschienen ist. Auch ihr zweites Hauptwerk „The Human Condition“ wird in der Ausstellung vorgestellt. In ihrem Buch befasst sich die Theoretikerin mit dem Menschenbild und bietet eine Gegenthese zu Martin Heideggers Hauptwerk „Sein und Zeit“. Auch auf die amouröse Beziehung Arendts zu dem deutschen Philosophen geht die Ausstellung kurz ein. Eine Beziehung, die sich später auf den intellektuellen Dialog beschränkt, woraus ein reger Gedankenaustausch zwischen den beiden Philosophen entstand.

Ein weiterer Höhepunkt der Ausstellung ist das Buch „Eichmann in Jerusalem“. Es ist eines ihrer umstrittensten Bücher, worin sie den Prozess des SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann dokumentiert. Der Kriegsverbrecher war für die Organisation der Vertreibung und Deportation der Juden verantwortlich. Der israelische Geheimdienst stöberte Eichmann in Argentinien auf und entführte ihn nach Israel, um ihn vor Gericht zu stellen. Arendt wurde vorgeworfen, den Massenmörder Eichmann als Täter zu verharmlosen. Besonders viele Juden kritisierten das Werk.

Das letzte Buch der Ausstellung, „Über die Revolution“, stellt Hannah Arendt erneut von einer anderen Seite vor. Hier untersucht sie die französische und amerikanische Revolution, die Ausgangspunkte der modernen Demokratie sind.

Die Hannah-Arendt-Ausstellung steht bis zum 15. Januar im Eingangsbereich der West-Universität. Gefördert wurde sie durch das Goethe-Institut und die Kulturstiftung des Bundes.

„Es ist nicht zu übersehen, dass in Osteuropa viele Menschen enttäuscht sind nach 20 Jahren“, meint Lutz Dietrich. „Man hat einen großen Schritt gemacht, die diktatorischen Verhältnisse abzuschütteln. Gleichzeitig hat man das Problem der Ökonomie. Dass diese Enttäuschung entsteht, ist völlig klar“, fügt er hinzu und ergänzt: „Aber man darf nicht in Resignation oder rechtsnationale Ressentiments abrutschen. Wie kriegt man das hin?“
Eine Antwort gab Hannah Arendt und eine Antwort gibt uns die Ausstellung, die besonders in Temeswar, wo vor 22 Jahren eine Revolution begann, relevant ist.