Und wo ist die Bilanz?

Auf Facebook zirkuliert ein fiktiver Dialog zwischen den Finalisten des rumänischen Präsidentschaftswahlkampfs. Fragt die Vasilica Dăncilă den Klaus-Werner Johannis: „Wie ist es möglich, dass man allein aus dem Erlös von Privatstunden sich in Hermannstadt sechs Häuser kaufen kann?“ Gegenfrage des Klaus-Werner Johannis an die Vasilica Dăncilă: „Wie ist es möglich, dass man sechs Klassen ohne eine einzige Privatstunde absolvieren kann?“ 

Dieser Dialog charakterisiert treffend das beklagenswerte Niveau des Wahlkampfes für die nächste fünfjährige Präsidentschaft Rumäniens. Es gab keine einzige Direktkonfrontation aller Kandidaten, die im Fernsehen übertragen worden wäre; dass Johannis eine Konfrontation mit Dăncilă jetzt, im Endspurt, für unter seinem Niveau hält und ablehnt, ist umso bedauerlicher. Ich glaube nicht, dass unserem Präsidenten ein Zacken aus der Krone gefallen wäre, wenn er sich der Konfrontation mit der Vorsitzenden der größten Partei Rumäniens gestellt hätte! Intellektuell dominiert er sie sowieso und schlagfertig kann er auch sein. So er es denn will.

Unter den Umständen, dass die kritischen Intellektuellen dieses Landes im Endspurt einen Dan Barna und nicht die tapsig-kämpferische Vasilica Dăncilă erwartet hatten und wo sie jetzt, nicht zu Unrecht, der Meinung sind, dass Johannis einen guten Teil der Forderungen von Barnas USR-PLUS nicht nur zum Wählerfang vertreten sollte, bekommt man den Eindruck, dass der Wahlkampf noch mehr erlahmt ist als vor dem 10. November, dass der amtierende Präsident davon ausgeht, dass die Wählerschaft ohnehin für ihn entscheidet. Warum sich also noch ein Bein ausreißen, warum Erklärungen liefern, aus denen hervorgeht, dass Johannis die bessere Wahl wäre – wenn das doch alle wissen? Aber: auch Krethi und Plethi?

Bis zur ersten Wahlrunde haben Johannis und seine PNL alles richtig gemacht: Das Misstrauensvotum so lange hinausgezögert, bis die Euphorie über sein Gelingen überschwappte auf die Präsidentschaftswahl, vor welcher Johannis – zweiter Pluspunkt – die neue Regierung vereidigte, kampflos im Mittelpunkt positioniert. Jetzt tut die PNL ihr Möglichstes, um Johannis Rückenwind zu verschaffen, etwa – dritter Pluspunkt – die Freigabe der Dokumente und Protokolle des fatalen 10. August 2018, womit die „erleuchtetere“ Wählerschaft erreicht wird, auch diejenigen, die nach dem Brand von „Colectiv“ und gegen den Eilbeschluss OUG 13 protestiert hatten. Die kritischen Bürger. Aber die hätten es auch verdient, nachdem sie fünf Jahre lang keine einzige Rede an die Nation zu hören bekamen, den Präsidenten ihrer Wahl mit Bilanz und Zukunftsvisionen im Fernsehen zu erleben.

Nun ja, mit Dăncilă hat Johannis am Tag der Stichwahl die allgemein als „leichter“ eingestufte Gegnerin. Aber in einem Land wie Rumänien, wo Wahlen kaum jemals berechenbar ausgehen, sagt das noch gar nichts. Auch deshalb müsste Johannis aktiver einen Wahlkampfendspurt hinlegen – etwa so, wie er es in seiner Fragestunde mit Journalisten tat. Er kann es doch!

Die fast neun Millionen Wähler, die am 10. November zu den Urnen geschritten waren und deren Beteiligung am 24. November Voraussetzung für ein glaubhaftes Wahlergebnis ist, verdienen es, die beiden Kandidaten besser zu kennen, um informiert wählen zu können und nicht der Meinung der Berufsplapperer mancher Fernsehsender folgen zu müssen. „Die, die reden, wissen nichts, die, die wissen, reden nicht“, schlussfolgerte eine Kommentatorin. 
Als kritischer Bürger dieses Landes wäre ich, ehrlich gesagt, neugierig auf eine Selbsteinschätzung unseres Präsidenten zu seinem Mandat, auf die Bilanz der fünfjährigen Präsidentschaft.