„Unternehmen brauchen mehr Vorhersehbarkeit“

Der österreichische Wirtschaftsdelegierte Mag. Gerd Bommer über ausländische Investoren in Rumänien

Eilverordnungen, sich ändernde Vorschriften, dann der Wahlkampf: Oft ist es nicht einfach, aus Wirtschaftssicht einen klaren Blick zu bewahren. Welche Bedingungen bietet Rumänien ausländischen Investoren derzeit, wo besteht Handlungsbedarf und welche Vorteile bietet der hiesige Markt? Seit August ist Mag. Gerd Bommer österreichischer Wirtschaftsdelegierter. Er plädiert für mehr Planungssicherheit und sieht für den rumänischen Markt noch immer ein großes Wachstumspotenzial. Das Gespräch mit Mag. Gerd Bommer führte ADZ-Redakteur Philipp Hochbaum.

Herr Mag. Bommer, Sie sind seit Ende August 2016 neuer Wirtschaftsdelegierter im AußenwirtschaftsCenter Bukarest. Seitdem konnten Sie sich mit der Stadt ein wenig vertraut machen. Was ist besser als in Ihrer vorherigen Station in Doha?

Ich wohne jetzt mit Frau und Kindern hier in Bukarest. Aus privater Sicht ist dieser Schritt „back to Europe“ deshalb ganz sicher ein Gewinn. Nach mehreren Jahren im arabischen Raum haben wir die europäische Kultur durchaus vermisst. Offene und warmherzige Menschen haben mir den Einstieg hier sehr leicht gemacht. Beruflich habe ich ein schwieriges Geschäftsfeld zurückgelassen. In Zeiten fallender Ölpreise mussten sich zahlreiche Firmen neu orientieren; zahlreiche Projekte wurden suspendiert. Hier in Rumänien freue ich mich sehr über die Dynamik am heimischen Markt.

Was gefällt Ihnen hier besonders?

Salopp formuliert, ist Rumänien eine der letzten unbekannten Destinationen in Europa – es macht Spaß hier in diesem weiten und dynamischen Betätigungsfeld zu arbeiten. Leider weiß man noch nicht, ob Rumänien in Mitteleuropa richtig eingeschätzt wird. Dabei gibt es hier ein riesiges Potenzial, etwa in der IT-Branche. Schauen Sie nur nach Cluj-Napoca oder Bukarest – das riesige Potenzial ist in Österreich noch kaum bekannt!

Wie bewerten Sie nach Ihrer Einstiegszeit das Geschäftsklima für österreichische Unternehmen in Rumänien?

Auf dem Arbeitslevel herrschen sehr gute Beziehungen. Man sieht, dass die Menschen etwas erreichen wollen. Bis zur Finanzkrise gab es einen großen Run österreichischer Firmen auf den rumänischen Markt – danach herrschte natürlich erst einmal Zurückhaltung. Diese sehen wir jetzt aber nicht mehr. Österrei-chische Firmen bringen weiterhin großes Know How ins Land, schaffen Kapital und Arbeitsplätze, steigern die Effizienz und bringen damit der Wirtschaft Produktivitätsgewinne und Zukunftsentwicklung.

Tut der rumänische Staat aus Ihrer Sicht genug, um österreichische Firmen zu Investitionen zu motivieren und sie im Land zu halten?

Ganz wichtig: Es muss unbedingt Vorhersehbarkeit und Planbarkeit gewährleistet sein, und dies ist derzeit nicht immer gewährleistet. Außerdem haben Unternehmen große Probleme, qualifizierte Arbeitskräfte zu finden. Die Erwerbsquote in Rumänien liegt deutlich unter der in Österreich oder speziell den Niederlanden als europäischer Spitzenreiter. Der Staat muss die Voraussetzungen für einen Strukturwandel schaffen, sodass z. B. mehr Personen aus der Landwirtschaft bzw. den strukturschwachen Regionen in den Arbeitsprozess eingebunden werden können.

Warum sind sie es denn nicht?

Speziell in den Bereichen Landwirtschaft und strukturschwache Regionen gibt es einen großen Pool an Arbeitskräften, der aber noch nicht genutzt wird. Wenn man diese, wie in Österreich oder Deutschland, aus der hauptsächlichen Eigenversorgung als Nebenerwerbslandwirte in die Arbeitswelt integrieren könnte, wären diese wertvoller Bestandteil der Arbeitswelt. Zum Glück tendieren Rumänen dazu, aus dem Ausland wieder heimzukehren – das ist im Gegensatz zu anderen neuen EU-Mitgliedsländern eine spezielle Situation. Diese Rückkehrer können einen äußerst wertvollen Beitrag in der rumänischen Arbeitswelt leisten.

Gibt es eine besondere Erfolgsstory für eine österreichisch-rumänische Zusammenarbeit?

Es gibt zum Beispiel erfolgreiche Kooperationen österreichischer und rumänischer Unternehmen im IT-Bereich. Und natürlich ist als Erfolgsgeschichte und funktionierende Kooperation auch die Gründung der OMV Petrom zu erwähnen. Als eigenständige lokale Firma hätte die Petrom sicher eine andere Entwicklung am heimischen und vor allem am internationalen Markt gehabt. Natürlich gibt es Kritik am Stellenabbau, aber diesen musste die OMV in Österreich seit ihrer Privatisierung ab 1987 auch durchleiden, doch stärkte dieser die OMV für die Zukunft und heute ist OMV Zentraleuropas größter Mineralölkonzern. In Rumänien ist die OMV Petrom auf einem sehr guten Weg.

Wo bestehen Ihrer Ansicht nach Probleme und Handlungsbedarf? Sind Sie mit den jetzigen Rahmenbedingungen zufrieden?

Was ganz sicher eine Herausforderung ist, sind die kurzfristigen Änderungen der Gesetzeslage. Sie verringern die Planbarkeit und sind ein großer Störfaktor. Es wird viel über Eilverordnungen gearbeitet, doch diese sind eigentlich nur ein temporäres Mittel. Neben Verbesserungen gibt es auch Verschlechterungen: Das Gesetz zur Hypothekengarantie (darea în plat²) schadet den Kreditgebern und man schneidet langfristig die Kreditversorgung für ländliche Gebiete und sozial Schwache ab, bzw. erhöht für alle die Eigenkapitalerfordernisse für neue Immobilienkäufe. Ein hoher langfristiger Preis für einen kurzfristigen kleinen Gewinn. Dagegen wäre eine langfristige Sicht auf die Markt- und Gesetzeslage sicher hilfreicher gewesen. Speziell für mich hier ist, dass man bei jedwelchen Problemen gerne mit dem Finger auf ausländische Investoren zeigt, in West-europa sind ausländische Investoren gern gesehene Unternehmen bzw. Investoren. Die Vorteile, die ausländische Investoren bringen, sind massiv und unbestreitbar, die Nachteile müssen durch kluge gesetzliche Regelungen, aktives Management und Monitoring ausgeglichen werden, nicht durch kurzfristige Aktionen. In West-europa fragt niemand, ob OMV zu einhundert Prozent ein österreichischer oder BMW zu einhundert Prozent ein deutscher Konzern ist! Und nein, sie sind es nicht.

Welche Sicht auf ausländische Investoren nehmen Sie wahr?

Das Verhältnis zu ihnen muss erst wachsen und die Wahrnehmung ausländischer Investoren muss sich weiterentwickeln. Dabei muss man sich fragen: Was ist eigentlich ein „ausländischer Investor“ in Rumänien? Meistens sind es Formen mit mehrheitlich lokaler Kapitalschaffung durch Reinvestition, die hier mit fast einhundert Prozent rumänischen Arbeitskräften tätig sind, rumänische Rohstoffe nutzen, in den rumänischen Markt absetzen oder die Exportwirtschaft fördern und zum wirtschaftlichen Wachstum Rumäniens beitragen.

Was sind Ihre besonderen Erwartungen an die zukünftige neue Regierung?

Unbedingt weniger Kurzfristigkeit! Man braucht aus Wirtschaftssicht eine langfristigere Perspektive. Natürlich geht die Entwicklung des Landes in vielen Bereichen in die absolut richtige Richtung: Die starke Anhebung der Mindestlöhne beispielsweise ist der einzig richtige Weg. Aber die Rahmenbedingungen müssen bestimmbarer werden. Nur eine funktionierende, starke Wirtschaft kann dabei helfen, das Land zu entwickeln. Wirtschaft bedeutet Wertschöpfung, und das kommt auch dem Land zugute. Und nicht zuletzt müssen die EU-Förderungen viel besser genutzt werden, die Rahmenbedingungen gehören in diesem Bereich verbessert.

Das Außenwirtschaftscenter engagiert sich in der Entwicklung der dualen Ausbildung. Wie ist Ihr Zwischenfazit?

Wir haben zwei Projekte – eines in Bukarest und eines in Cluj-Napoca. In Bukarest konzentrieren wir uns auf die Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann, und die Auszubildenden haben nun die zweite Klasse begonnen. In Cluj-Napoca läuft die erste Klasse, und dort fördern wir die Ausbildung zum Schweißer. Für den praktischen Teil koordinieren wir die Zusammenarbeit mit Firmen, die einen österreichischen Hintergrund haben oder auch in Österreich tätig sind.

Welche Zukunftsaussichten haben Sie für das Projekt?

Gegenwärtig ist die Bilanz seitens der Unternehmen sehr positiv, und wenn die ersten Absolventen vollständig in der Arbeitswelt integriert sind, fängt das Projekt richtig zu leben an. Für die Zukunft der Absolventen sehen wir sehr gute Karrierechancen. Insgesamt haben wir sehr positive Aussichten – wir schätzen das Engagement des Staates in diesem Bereich sehr. Allerdings brauchen wir noch mehr Zugang zu europäischen Fördermitteln – bislang werden die meisten Schulen durch die Kommunen finanziert.

Herr Bommer, wir danken Ihnen sehr für das Gespräch!