Von Hermannstadt via Schwabenland ins Burzenland

Dipl.-Ingenieur Architekt Peter Mrass ist seit sechs Jahren Kronstädter

Peter Mrass hat sich für Kronstadt entschieden.
Foto: Ralf Sudrigian

Nach dem Wegzug der sächsischen Bevölkerung aus Deutsch-Weißkirch/Viscri wird versucht, das alte Dorfbild zu erhalten.
Foto: Peter Mrass

Dipl.-Ing. Architekt Peter Mrass vor einer seiner aktuellen Baustellen.
Foto: privat

Als die Eltern 1990 den bereits vor Ceauşescus Sturz gefassten Entschluss, nach Deutschland auszuwandern, verwirklichen konnten, war Peter Mrass 14 Jahre alt. Es war ein Umbruch, der aber keine besonderen Anpassungsschwierigkeiten mit sich bringen sollte.

Der Bezug zur siebenbürgischen Heimat war auch nach der Ausreise in die Bundesrepublik nicht abgebrochen: jedes Jahr fuhren die Eltern mit Peter und seinem zwei Jahre jüngerem Bruder mindestens einmal nach Rumänien. Verwandte leben in Odorheiul Secuiesc, von wo seine Mutter stammt, so dass Peter außer Deutsch und Rumänisch auch Ungarisch, die dritte Sprache Siebenbürgens, beherrscht. „Ich muss sagen, dass ich mich in Deutschland eingegliedert und dort zugehörig gefühlt habe, auch wenn das nicht das gleiche Gefühl ist, wie jetzt wieder in Siebenbürgen zu sein“, erinnert sich der seit 2005 in Kronstadt lebende Architekt. „Wir kommen zurück“ war keine schwierige Entscheidung.

Warum gerade Kronstadt und nicht seine Geburtsstadt Hermannstadt? Das ist Peters Ehefrau Diana zu verdanken, die er als rumänische Studienkollegin während des Architektur-Studiums an der Universität Stuttgart kennenlernte. Die junge Familie entschied sich für  Kronstadt, auch weil Diana da zu Hause ist. Die Rückkehr war also kein Zufall und kein schmerzhafter Entschluss.

„Mir hat der Gedanke von Anfang an sehr gut gefallen, weil ich es bedaure, dass wir  Sachsen aus Siebenbürgen ausgewandert sind. Wir sind einer historischen Gemeinschaft, einem ‚Ganzen‘ verpflichtet, das weit über unsere individuelle Existenz hinausgeht. Dessen bin ich mir bewusst und bereit, diese Herausforderung anzunehmen. Zudem befand ich mich in einem Lebensabschnitt, in dem es darum ging, ein Zuhause zu finden und eine Familie, ein Heim, zu gründen.  So ist mir die Entscheidung ziemlich leicht gefallen, zu sagen: ‘Wir kommen zurück.’“

Ein erstes „Probejahr“ verlief sehr zufriedenstellend. Der junge Architekt fand auf Anhieb eine Arbeitsstelle, wo er für eine deutsche Firma eine Baustelle betreute. Anschließend war er für drei Jahre Mitarbeiter eines Architekturbüros in Sfântu Gheorghe. Er hatte Gelegenheit, den Bauboom in Rumänien mitzuerleben, mit Aufträgen und Dienstreisen im ganzen Land.
Inzwischen ist die Familie größer geworden: Sohn Marcus ist drei Jahre alt und Tochter Emma drei Monate.

Als Peter Vater wurde, war das ein weiterer Grund, auf die zahlreichen Dienstfahrten zu verzichten und mehr Zeit zu Hause zu verbringen. Ab 2009 widmete das Ehepaar Mrass ihrem eigenen  Architektenbüro „SC Mrass & Partner SRL“ mehr Zeit, das mittlerweile drei Mitarbeiter beschäftigt und seinen Sitz in der Kronstädter Inneren Stadt hat.

Begleitung bis zur Schlüsselübergabe

Dass Peter Architekt wurde, ist nicht direkt einer Familientradition zu verdanken. Die Eltern sind beide Textilingenieure. Doch unter den in den 1820er Jahren aus Böhmen eingewanderten tschechischen Vorfahren väterlicherseits, an die auch der Familienname erinnert, und die sich in Agnetheln niederließen, gab es mehrere Baumeister.

Die Tätigkeit von „Mrass & Partner“ hat ihren Schwerpunkt im Bereich Industriebau, Wohnungsbau und Renovierungsarbeiten  von historischen Gebäuden in verschiedenen sächsischen Ortschaften. Den Spagat zwischen diesen doch ziemlich verschiedenen Bereichen schafft das Büro dank einer gründlichen Ausbildung und einer intensiven Beschäftigung mit jedem einzelnen Bauvorhaben.

„Als Architekt ist man in erster Linie Gestalter – Gestalter von Räumen oder Baukörpern einerseits, aber auch Gestalter von komplexen Ablaufprozessen in der Abwicklung eines größeren Bauvorhabens. So ist zum Beispiel im Falle von Industriegebäuden der Findungsprozess für einen guten, also passenden, Grundriss relativ kurz im Vergleich zur weitergehenden Betreuung der Investition bis zur Fertigstellung“, sagt Mrass.

Ideal ist es, wenn Bauherr und Architekt ein gutes Team bilden und wenn die Erwartungen und Vorstellungen des Bauherrn einerseits und die Möglichkeiten des Architekten andererseits zueinander passen. „Gute Projekte können nur entstehen, wenn neben einem qualifizierten Architekten auch ein aufgeschlossener Bauherr steht und das Verhältnis von gegenseitigem Vertrauen gekennzeichnet ist.  Wir haben heute in Rumänien das Problem, dass es viele Bauherren gibt, die denken, sich zu sehr in die Gestaltung oder die Bautechnik einmischen zu müssen, aufgrund ihrer vermeintlichen Erfahrung oder ihrem Erfolg auf anderen Ebenen. Wir können jedoch als verantwortungsvolle Architekten sehr gut abschätzen, was technisch machbar, aber auch wirtschaftlich vertretbar ist.“

Peter Mrass versteht den Bauprozess als Ganzes und steht vom ersten Gespräch mit dem Bauherrn bis zur Schlüsselübergabe begleitend dabei, „was einen Einsatz voraussetzt der weit über das klassische Architektenbild hinausgeht“. In diesem Sinne sieht er sich eher als ein „Projektmanager“ der sich einschließlich um Genehmigungen, Ausschreiben der Bauarbeiten, Baustellenaufsicht kümmert, und weniger als „Künstlerarchitekt“ der hauptsächlich gestaltet. In diesem Bereich komme Diana besser zurecht.

Um eine Arbeit erfolgreich abzuschließen, sei es notwendig, dass Architekt und Bauherr die Arbeiten genau mitverfolgen, damit nichts falsch gebaut wird, ungeeignete Materialien verwendet werden und die technischen Abläufe entsprechend gesichert werden. Solch eine Erklärung lässt vermuten, dass vielleicht die hiesigen Bauarbeiten nicht immer Qualitätsarbeit leisten.

Die Antwort von Mrass bestätigt dies: „Gute Leute im Bauwesen arbeiten inzwischen im Ausland, weil die Bezahlung besser ist. Viele Arbeiter, die im Bauwesen tätig sind, haben einen anderen beruflichen Hintergrund. Gerade in Kronstadt merkt man, dass viele Baufirmen mit ehemaligen Arbeitern aus dem Traktorenwerk arbeiten.“

In der Entwurfsarbeit, die ja auch die Budgetvorstellungen des Auftraggebers berücksichtigen muss, seien oft gute und schöne Lösungen mit einfachen und günstigen Mitteln zu erzielen, sagt der Kronstädter Architekt und fügt hinzu: „Man muss leider feststellen , dass gerade in Rumänien viele Architektenkollegen mit formalen Ansätzen an Entwurfsaufgaben herangehen und man sich deshalb nicht wundern muss, dass an vielen Gebäude ein Feuerwerk an Formen und Farben zu sehen ist und diese sich nur schwer in ihr Umfeld einfügen.“

Ein Sanierungsgebiet für Kronstadt?

Wenn es um Renovierungsarbeiten historischer Gebäude geht, so kommen auf einen Architekten zusätzliche Herausforderungen hinzu. Da ist Architektur als „Ausdruck einer Kultur und einer Gesellschaft zu verstehen“, so Mrass. „Eine Gesellschaft spiegelt sich in ihren Gebäuden wider.“ Selbstverständlich liegt ihm das siebenbürgisch-sächsische Erbe besonders am Herzen. Bereits in Deutschland begann er, sich intensiver damit zu beschäftigen, sowie als Mitglied auf verschiedenen Ebenen der Verbandsarbeit der Siebenbürger Sachsen, aber auch des „Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde“.

Architekt Mrass ist 2009 ins Presbyterium der Kronstädter evangelischen Honterusgemeinde gewählt worden, was ihn zusätzlich motiviert, sich für seine Gemeinde dort einzubringen, wo sein Beruf und seine Kenntnisse gefragt sind. Das betrifft auch Sanierungsmaßnahmen im historischen Stadtzentrum Kronstadts, wo die Honterusgemeinde mehrere Immobilien besitzt: „In Kronstadt vermisse ich eine gezielte und ernsthafte Beschäftigung der Behörden mit der Inneren Stadt. Das hat natürlich verschiedene Gründe.

Die lokalen Behörden sind ja nicht Eigentümer der Gebäude. Sie gehören Privatpersonen, Firmen, Institutionen oder Kirchen. Die Stadt kann nicht an fremden Gebäuden etwas unternehmen. An den Gebäuden in großem Umfang etwas zu machen, halte ich in dieser Situation für schwierig. Man könnte als Rathaus die Dinge angehen, die einem gehören – der öffentliche Raum, Straßen, Plätze. Ich möchte das Beispiel ‘Sanierungsgebiet’ nennen. 

Im Falle eines Sanierungsgebiets wird von der lokalen Verwaltung ein bestimmter Bereich als solches festgelegt. Innerhalb dieses Sanierungsgebietes wird dann unter anderem den Eigentümern der Gebäude ein substanzieller Zuschuss gewährt, falls diese renovieren. Es handelt sich um eine Maßnahme, ein Instrument, mit dem in den 1970er und -80er Jahren viele historische deutsche Stadtzentren auf Vordermann gebracht wurden.“

Die Lösung, die für die Neugestaltung des Honterushofes von der Honterusgemeinde und dem Rathaus infolge eines offenen Architekturwettbewerbes durch eine unabhängige Jury gewählt wurde (Entwurf: Architekt Johannes Bertleff), sei ein positives Signal, auch weil damit aufgezeigt werde, dass auch in Rumänien über einen öffentlichen Architekturwettbewerb Planungsleistungen nach eindeutigen Leistungskriterien vergeben werden können.

Deutsch-Weißkirch, als Dorfensemble als UNESCO-Kulturerbe anerkannt, aber auch viele andere sächsische Dörfer erfordern ebenfalls eine besondere Aufmerksamkeit betreffend Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten. „Dort ist es nicht angebracht, im Falle von Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen eine  ortsfremde Formensprache zu verwenden, oder Materialien und Technologien einzusetzen, die nicht ‘von dort’ sind“, sagt Mrass, der auch Mitglied der Rumänischen Architektenkammer ist.

Was man dort brauche, seien „einfache, ehrliche, korrekte Gebäude  - so wie unsere Vorfahren das gemacht haben. Nachdem sie den Acker bestellt und das Vieh gefüttert haben, haben sie in nachbarschaftlicher Hilfe noch ein Haus gebaut, mit einfachen, natürlichen Mitteln: Steine, Ziegel, Lehm, Eichenholz.“

Mrass sieht für sich und seine Familie und auch was seine Tätigkeit betrifft in Siebenbürgen weiterhin eine gute Ausgangslage: „Wer heute gute Ideen hat und bereit ist, Einsatz zu bringen, hat in Siebenbürgen in allen Bereichen gute Chancen. Das Land ist im Umbruch, es entstehen neue Dinge und wir freuen uns, dabei zu sein und dazu beitragen zu können.“