Von versetzten Kirchen und Hăidalberc

Rumänien-Tagung im bayrischen Regensburg

Das Institut für Romanistik an der Universität Regensburg veranstaltete im November ihre Rumänien-Tagung mit Fokus auf Literatur und Linguistik, präsentierte aber auch die Ergebnisse der Studentenexpedition nach Bukarest. Die Importanz einer solchen Tagung in Bayern unterstrich die neugewählte Generalkonsulin aus München, Miheia-Mălina Diculescu-Blebea, denn die größte ausländische Bevölkerungsgruppe im Freistaat sind tatsächlich die Rumänen. 

Die Präsenz des Rumänischen wird folglich immer wichtiger. Auch für ein Zusammenleben, denn die Sprache überwinde Brücken in den Kulturen. „Wir leben in einer Sprache, nicht in einem Land“, zitierte sie Emil Cioran (1911-1995). So soll ihre Anwesenheit auch ein Zeichen sein, dass „das gute Verhältnis auch wieder in meinem Mandat fortbesteht.“

Exil am Strand

PD Dr. Magdalena Mancas (Regensburg, Passau) präsentierte als erste Referentin den Schriftsteller Pavel Chihaia. Dieser werde in Rumänien gerade wiederentdeckt und neu aufgearbeitet. Chihaia wurde 1922 geboren und verbrachte Kindheit sowie Jugend in Konstanza. Er studierte zwischen 1941 und 1945 Literaturwissenschaft an der Universität in Bukarest. Kurz vor Ausrufung der Rumänischen Volksrepublik im Jahr 1947 (ab 1965 Sozialistische Republik Rumänien), erschien sein erster Roman „Blocada“. Allerdings weigerte er sich unter dem kommunistischen Regime weiterhin als Literat tätig zu sein und widmete sich der Geschichte. Mancas bezeichnete ihn als Teil einer „verlorenen Generation“, als Teil einer „Gruppe von Intellektuellen, die keine Kompromisse eingehen wollten.“ Im Jahr 1978 beantragte Chihaia politisches Asyl in Deutschland. Danach arbeitete er aus dem Münchner Exil weiter, bis er im Jahr 2019 verstarb.

Mancas stellte seinen Roman „Hotarul de nisip“ vor, der zwar schon zwischen 1952 und 1954 entstand, jedoch erst nach der Revolution erschien. Zentrales Motiv sind die gescheiterten Fluchtversuche des Protagonisten Lucian, der wie auch Chihaia aus Konstanza stammt. Beispielsweise versucht er mit gefälschten Papieren auszureisen, doch auch dieser Versuch bleibt erfolglos. So bleibt Lucian nur noch die Möglichkeit, vom Strand aus die Schiffe Richtung Freiheit zu beobachten. Chihaia beschreibt die Schiffe allerdings eher als Phantome. Sie stellen mehr eine unerreichbare Idee, als einen festen Gegenstand dar. So gleicht der Strand eher einem Ort des Gefangenseins. 

Lucian kommt zu dem Entschluss, genau das Buch zu schreiben, dass der Leser gerade selbst liest, denn er möchte nur über die eigenen Erlebnisse schreiben. Mancas erklärte, dass das Werk auch autobiographisch verstanden werden kann. Allerdings müsse der Leser seine restlichen Werke kennen. 

In seinen Werken bezeichnet Chihaia das Leben in Rumänien als Exil und vergleicht sich zudem auch des Öfteren mit Ovid. Denn der erste römische Kaiser Augustus verbannte den Poeten im Jahr 8 n. Chr. nach Tomis, dem heutigen Konstanza. Anders als bei Cioran verbinde die Menschen in Rumänien nicht die Sprache, sondern ein kollektives Angstgefühl, ausgelöst durch das Regime.

Deutsche Ortsnamen in der rumänischen Sprache

Dr. Romanița Constantinescu (Heidelberg) untersuchte, wie rumänische Herkunftssprecher die deutschen Ortsnamen in ihrer Sprache verarbeiten. Sie präsentierte mehrere Kategorien von Abwandlungen. So hätten die Rumänen Probleme mit den deutschen „ü“- und „ö“-Lauten. Dadurch wird Köln zu Chioln und München werde oft als Miunchien ausgesprochen. Ein weiteres Phänomen sei das Wegfallen von Konsonanten. Beispielsweise Frankfurt und Franfurt sowie Kaiserslautern und Caizerlauter. 

Des Weiteren zeigte sie Beiträge auf Facebook, die deutlich machten, wie Rumänen ohne Deutschkenntnisse die Ortsnamen verstehen und fast schon bis zur Unkenntlichkeit verändern. So wird Heidelberg zu Haitălberc oder Haideberi und Mannheim zu Manham, Manam sowie Manem.

Diese Phänomene lassen sich auch in Rumänien beobachten. Die Herkunft der rumänischen Amtsnamen der deutschen Siedlungen in Siebenbürgen lassen sich mit genau diesen Prinzipien erklären. Abtsdorf wurde zu Apoș, Adamesch zu Adămuș, Deutschkreuz zu Criț.

Es muss aber dazu gesagt werden, dass diese Ergebnisse von Personen stammen, die entweder keine oder nur geringe Deutschkenntnisse aufwiesen. Sicherlich hätten auch deutsche Herkunftssprecher Probleme mit den rumänischen Ortsnamen. 

Studenten erkunden Bukarest

Diesen Sommer nahmen Studenten aus Regensburg und Jena an einer Exkursion nach Bukarest teil. Bewaffnet mit Stift und Papier zogen die Studenten durch die Stadt und analysierten einzelne Elemente der Architektur sowie dessen Auswirkungen auf die Menschen. Beispielsweise bezeichneten sie den Parlamentspalast als „traumatisches Objekt“. Welche Gefühle dieser Bau bei Einheimischen auslösen könnte, wäre leicht nachvollziehbar. Der Besucher fühle sich winzig klein, fast schon machtlos. 

Positiv an dem Verkehr in Bukarest war auch, dass trotz des starken Verkehrsflusses die Autofahrer stets die Zebrastreifen respektierten. Zudem fiel ihnen auf, dass Autos ein ausgeprägtes Statussymbol in Bukarest darstellen. Sie beobachteten viele teure PKWs, SUVs oder auch Limousinen. Zudem erkannten sie einen Mangel an öffentlichen Parkplätzen. Dies sei ein typisches Zeichen der postsozialistischen Verkehrswende, bei der die Infrastruktur mit der steigenden Zahl an Autos nicht mithalten kann. 

Sehr interessant für die Studenten war auch das Konzept der „bisericile mutate“ (versetzte Kirchen) und was dies für die Gesellschaft bedeutet. Ceaușescu ließ diese Kirchen auf Schienen liegen und umsiedeln, um für seine monumentalen Bauvorhaben Platz zu schaffen. Diese verschwanden hinter Wohnblöcken und damit aus dem öffentlichen Stadtbild. Eine Beobachtung war nun, dass sich fast die ganze Straßenbahn bekreuzigte, als die Passagiere die Kirche passierten. Jedoch konnten sie die Kirche von der Straße aus gar nicht sehen. Sie wussten folglich genau, wo sich die Kirche befand. 

Prof. Dr. Ger Duijzings (Regensburg) und Juniorprof. Dr. Valeska Bopp-Filimonov (Jena) organisierten die Expedition und hielten ebenfalls noch Vorträge. 

Der Standort Regensburg

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Regensburger Rumänien-Tagung ein wichtiger Schritt war, die Rumänistik in Deutschland zu stärken. Sie war ein Ort für den Austausch und vor allem eine Chance, das Fach der Rumänistik sichtbar zu machen. Regensburg ist dafür der perfekte Ort. Schon seit der Gründung ist die Südosteuropaforschung ein wichtiger Bereich für die Universität, den sie über die Jahrzehnte immer weiter ausbaute. Studieninteressierte können so aus zahlreichen Studiengängen mit Osteuropabezug wählen. Zusätzlich befinden sich in Regensburg das Ungarische Institut sowie das Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS). Im Juli 2022 startete auch das „Seefield“-Projekt. Ziel des Projektes ist es, die Südosteuropastudien in Regensburg durch verschiedene Angebote weiter zu stärken. 

Weitere Redner waren Dr. Daniel Vintilă (Regensburg) und Dr. Aurelia Merlan (München). Organisatorinnen der Tagung waren Prof. Dr. Maria Selig, PD Dr. Magdalena Mancas und Amelie Moser. Das Institut für Romanistik kooperierte zudem mit dem IOS und Bayhost.