Wenn die Aufführung zum Publikum kommt

Vielfältige Kulturangebote stehen den Internetnutzern zur Verfügung

Der Dokumentarfilm „100 de movile“ von Max T. Ciorbă kann kostenlos auf www.docuart.ro verfolgt werden.

Für jene Menschen, die vor der Corona-Krise regelmäßig Kulturveranstaltungen besucht haben, mag die in den eigenen vier Wänden verbrachte Zeit nicht nur merkwürdig, sondern auch besonders langweilig erscheinen. Das muss aber nicht unbedingt so sein. Denn: Das Online-Angebot von Kultureinrichtungen weltweit ist vielfältiger denn je. Das ganze Leben entfaltet sich praktisch online, Philharmonie, Theater und Kirche senden ihre Aufführungen bzw. Gottesdienst im Live-Stream, und Filme gibt es genügend, sei es im Fernsehen oder auf Netflix, HBO Go und ähnlichen Online-Streaming-Diensten. Um das Publikum weiterhin unterhalten zu können, bieten viele Einrichtungen sogar kostenlos den Internetnutzern die Möglichkeit an, von ihrem reichlichen Kulturangebot zu profitieren. Einige davon möchte ich Ihnen auf dieser Seite vorstellen.

Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hat auf seiner Homepage www.br-so.de jede Menge aufgezeichnete Konzerte, die man kostenlos genießen kann. In der Mediathek gibt es zahlreiche Konzertvideos, die man sich per Mausklick anschauen kann. So zum Beispiel ein Konzert des Symphonieorchesters des Baye-rischen Rundfunks vom 7. März dieses Jahres im Münchner Ga-steig. Dargeboten wurden Ludwig van Beethovens Symphonie Nr. 4 B-Dur, Op. 60, und das Violinkonzert in D-Dur, Op. 61. Dirigent ist Andres Orozco-Estrada, an der Violine Anne Sophie Mutter. Anderthalb Stunden klassische Musik – wer kann dem schon widerstehen?

Nach der Absage aller Vorstellungen an der Bayerischen Staatsoper bis 19. April versucht die Einrichtung, einzelne Vorstellungen als Live-Stream oder als Video-on-Demand (Video auf Anfrage) seinen Besuchern auf www.staatsoper.tv zur Verfügung zu stellen. Seit dem 23. März gibt es hier eine Serie von Montagskonzerten, jeweils ab 21.15 Uhr rumänische Zeit auf www.staatsoper.tv, live und kostenlos. Liedgesang, Solo-Instrumentalisten sowie kammermusikalische und Tanz-Darbietungen stehen im Angebot. Es treten die Musikerinnen und Musiker des Bayerischen Staatsorchesters, Tänzerinnen und Tänzer des Bayerischen Staatsballetts sowie der Staatsoper eng verbundene Künstlerinnen und Künstler auf, wie Geigerin Julia Fischer, Sopranistin Hanna-Elisabeth Müller, Bariton Christian Gerhaher, Pianist Gerold Huber, Tenor Jonas Kaufmann, Bariton Michael Nagy und Bass Tareq Nazmi, heißt es seitens der Bayerischen Staatsoper. 

Die europäische Streaming-Plattform www.operavision.eu besitzt ein wunderbares Archiv mit Aufnahmen von Aufführungen aus ganz Europa, alle kostenlos abzurufen. Es sind zwar keine Live-Aufführungen, aber im Archiv sind ganz viele Opern zu finden, darunter „Frühlingsstürme“ der Komischen Oper Berlin, Puccinis „Tosca“ der Polnischen Nationaloper oder „Don Giovanni“ des Teatro dell’Opera di Roma.

Die Berliner Philharmoniker haben ihre digitale Konzerthalle für das breite Publikum geöffnet. Unter www.digitalconcerthall.com kann sich bis zum 31. März jedermann ein kostenloses und unverbindliches Nutzerkonto anlegen und die digitale Konzerthalle für 30 Tage kostenlos nutzen. Zahlreiche Konzerte befinden sich im digitalen Archiv, die nur darauf warten, angehört zu werden. Man kann im Archiv herumstöbern und zum Beispiel nach Dirigenten, Komponisten, Epoche, Genre und vieles mehr suchen.

Jeden Tag lädt die Metropolitan Opera in New York auf www.metopera.org eine Aufnahme der Serie „Live in HD“ hoch, die dann für insgesamt 20 Stunden auf der Webseite abrufbar ist. Die Aufführung wird für Rumänien ab 1 Uhr nachts für 20 Stunden zugänglich sein, also kann man sich ruhig am frühen Morgen oder gar am nächsten Abend eine Opernaufführung aus den USA anschauen. Es sind allesamt ausgezeichnete Aufführungen mit einigen der besten Gastsolisten der Welt – es lohnt sich, auf www.metopera.org zu schauen, allerdings muss man beachten, dass die Seite auf Englisch ist.

Die erste Streaming-Plattform für Theater im deutschsprachigen Raum – mit Schauspiel, Performance und Tanz – ist seit Kurzem online. Auf www.spectyou.com kann jeder Theatermacher seine Bühnenarbeit hochladen und einem globalen Publikum zur Verfügung stellen. Momentan gibt es hier nicht so viele Angebote, aber das Angebot wird wöchentlich ausgebaut.

Auch Kultureinrichtungen aus Rumänien haben sich auf die Corona-Krise eingestellt. Das „Țăndărică“-Puppentheater aus Bukarest sendet jeden Vormittag eine Aufführung für Kinder. So konnten Kinder aus ganz Rumänien Stücke wie „Hänsel und Gretel“, „Das hässliche Entlein“, die „Schneekönigin“ und viele mehr live und kostenlos auf der Facebook-Seite „Teatrul Țăndărică București“ verfolgen.

Dokumentarfilm-Freunde aufgepasst: Auf www.docuart.ro können Sie sich jede Menge rumänische Dokumentarfilme zu unterschiedlichen Themen in Full HD-Qualität anschauen, die mit englischen Untertiteln laufen. Einer davon ist „100 de movile“ (2016) in der Regie von Max T. Ciorbă. Auf der Suche nach einem neuen Klang und Rhythmus begibt sich ein Musiker aus der Schweiz durch die Republik Moldau und Rumänien, wo er einige Musiker besucht, die die Folklore als Schlüsselelement ihrer Musik wahren. Von Jazz bis Hip-Hop erforscht der Dokumentarfilm die Authentizität der Folklore in diesem Kulturraum. Den 60-minütigen „Folkumentar“, einen der besten musikalischen Dokus der letzten Jahre in Rumänien, sollte man sich nicht entgehen lassen.

Auch Bücher gibt es derzeit kostenlos im Internet. Die Humanitas-Buchhandlung aus Rumänien hat angekündigt, 45 Titel aus ihrer virtuellen Bibliothek den Bücherfreunden kostenlos zur Verfügung zu stellen. Unter www.humanitas.ro können Bücher in rumänischer Sprache heruntergeladen werden, darunter Kafkas „Brief an den Vater“ oder Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften“, und viele mehr. Da mal ein Blick reinwerfen, lohnt sich.

Museen und Kunstgalerien können ebenfalls virtuell besucht werden. Das Deutsche Museum München bietet unter https://digital.deutsches-museum.de/virtuell einen derartigen Rundgang mit drei verschiedenen Audioguide-Führungen an, damit Besucher aus aller Welt die hier ausgestellten Meisterwerke der Technik und Naturwissenschaft bewundern können. Das Naturkundemuseum Berlin lädt Groß und Klein zum Besuch ein: Mit Google Arts&Culture können Teile des Museums besichtigt werden. Mehr Infos dazu unter www.museumfuernaturkunde.berlin . Ebenfalls per Google Arts& Culture ist auch das Pergamonmuseum mit der Prozessionsstraße und dem Ischtar-Tor von Babylon in Berlin zu besichtigen. Das gesamte Angebot von Google Arts& Culture gibt es unter https://artsandculture.google.com.

Die Vatikanischen Museen sind für keinen Besucher mehr zugänglich, sie sind online jedoch für jedermann geöffnet. Auf http://www.museivaticani.va gibt es insgesamt sieben virtuelle Rundgänge. Wer die Sixtinische Kapelle vermisst oder noch nie gesehen hat, der kann sie hier per 360-Grad-Ansicht bewundern.

Das weltweite Online-Kulturangebot ist groß und vielfältig. Es mag nicht gerade dasselbe sein, eine Aufführung auf einem Bildschirm oder in einem Theatersaal zu verfolgen, aber allein schon die Möglichkeit, in Krisenzeiten Kulturangebote übers Internet wahrnehmen zu können, bedeutet viel. Es lohnt sich deshalb, auf den sozialen Kanälen wie Facebook oder Instagram der verschiedenen Einrichtungen zu verfolgen, wann Live-Ereignisse gesendet werden, um aus der Gemütlichkeit des eigenen Sofas heraus dabei sein zu können.