Wenn Kinder von Puppen lernen

Deutscher Kindergarten setzt auf Erziehung durch Theater

Mit Fingerpuppen fängt alles an.

Wenn Kinder früh genug an das Theater herangeführt werden, so lernen sie, es zu lieben.

Im Karl-Singer-Festsaal des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses trat das Gong-Theater aus Hermannstadt für die Kleinen auf.

Eva Labadi-Megyes führte die Kinder in die Welt des Theaters ein.
Fotos: Zoltán Pázmány (3), Kinderwelt (1)

„Erziehung durch Theater“ heißt es in diesem Monat im deutschen Privatkindergarten „Kinderwelt“ an der Temeswarer Ausfahrt nach Sackelhausen/Săcălaz. Dabei geht es darum, Kindern gewisse Werte auf spielerische Art und Weise zu vermitteln, aber auch die hier tätigen Pädagogen im Umgang mit dieser Kunst- und Erziehungsform zu unterstützen, ihnen im Rahmen von Workshops Neues an die Hand zu geben und sie einigen Experten über die Schulter blicken zu lassen. Er holt die Puppe aus dem Sack, und schon ist es nicht mehr nur Nelson Dimitriu, der mit den Erzieherinnen redet, sondern auch der schwarze Maulwurf mit weichem Pelzmantel, der einfach in das Gespräch hineinplappert. So einfach können Marionetten zum Leben erwachen, sagt der Puppenspieler, der zusammen mit den Erzieherinnen des deutschen Privatkindergartens „Kinderwelt“ in Temeswar einen Workshop zum Puppenbasteln und zum Umgang mit diesen leitet.

Deutsche Sprache durch Rollenspiele vermitteln

Das Thema des Monats April ist „Erziehung durch Theater“. Das umfangreiche Projekt hat vor zwei Wochen begonnen, als Eva Labadi- Megyes, die ehemalige Intendantin des Temeswarer Merlin-Theaters, die „Geschichte der drei kleinen Schweinchen, die eigentlich vier sind“ mit den Kindern einstudierte.
„Die deutsche Sprache kann man den Kindern am besten über gewisse Rollenspiele, über Dialog und Musik vermitteln. Theatervorstellungen, bei denen die Kinder nicht nur als Zuschauer dabei sind, sondern mitmachen und auch mal in die Rolle der Schauspieler versetzt werden, tragen in großem Maße dazu bei“, sagt die Leiterin des Kindergartens, Geraldine Bullert-Zipple. Bei den regelmäßigen Festen im Kindergarten – beim Faschings- oder Weihnachtsfest, zum Beispiel – führen die Kinder oft kleine Szenen auf. So wurde auch die Idee geboren, das Projekt „Erziehung durch Theater“ ins Leben zu rufen, sich also intensiv mit dem Thema Theater auseinanderzusetzen. Nelson Dimitriu von der Dimitriu Puppenbühne aus Deutschland konnte dafür gewonnen werden.

„Es gibt wenige Puppenspieler in dieser Stadt, die auch deutsch sprechen“, sagt Geraldine Bullert-Zipple. Bei den Workshops, die Nelson Dimitriu leitet, soll den Erziehern beigebracht werden, wie eine Puppe angefertigt wird und wie man den Kindern Werte vermitteln kann, die man im Morgenkreis zum Beispiel nicht rüberbringen kann, so die Kindergartenleiterin. Dass Rollenspiele eine ausgeprägte pädagogische Komponente haben, das haben Erzieherinnen und Erzieher schon längst erfasst. Gerade auf kleine Kinder, die dabei sind, das Leben zu entdecken und zu lernen, wie sie sich in der Familie und in der Gesellschaft überhaupt zu verhalten haben, wirkt Theater Wunder. Puppenspieler Nelson Dimitriu hat sogar erlebt, dass Kinder mit besonderen Bedürfnissen, etwa solche mit autistischen Zügen, sich den Puppen gegenüber anders verhalten – dass sie offener waren. Kinder lassen sich gern von Marionetten belehren, weiß Puppenspieler Nelson Dimitriu. „Wenn man einem Kind sagt: ‚Mach das nicht!`, dann schließt sich das Kind in sich ein und hört überhaupt nicht mehr auf den Erwachsenen, der ihm befiehlt. Wenn aber eine Puppe die Fehler macht, dann wird das Kind zum Erzieher – das ist die indirekte Erziehung, die dich viel schneller ans Ziel bringt“, sagt der Puppenspieler.

Das Publikum von morgen

Neben der erzieherischen Komponente ist es aber auch aus einem anderen Grund wichtig, die Kleinen schon im sehr jungen Alter ans Theater heranzuführen. Kinder, die früh genug das Theaterspiel kennengelernt haben, gehen gern ins Theater, weiß Kindergartenleiterin Geraldine Bullert-Zipple. Sie haben keine Angst, wenn es im Saal dunkel wird, auch nicht, wenn die Schauspieler auf der Bühne laut reden, zum Beispiel. Auch Puppenspieler Nelson Dimitriu hat schon oft erlebt, dass sogar Zweijährige Geduld gehabt haben, ganzen Theatervorstellungen beizuwohnen. Das konnte man auch vor zwei Wochen beobachten, als im Karl-Singer-Saal des Adam-Müller-Guttenbrunn-Hauses die Kinder von „Kinderwelt“ der interaktiven deutschsprachigen Vorstellung des Gong-Theaters aus Hermannstadt/Sibiu beiwohnten. Sie machten begeistert mit, lachten und klatschten – die Freude in ihren Augen war nicht zu übersehen. Dabei traten die Schauspieler vor vollem Haus auf.

In dieser Woche stand das Märchen „Hänsel und Gretel“ mit Puppenspieler Nelson Dimitriu auf dem Programm, anschließend sollte es einen Workshop mit den Erziehern geben. Doch nicht nur Theater wird bei „Kinderwelt“ groß geschrieben. Nach dem Theatermonat soll eine musikalische Woche folgen – denn schließlich trägt auch Musik zur persönlichen Entwicklung von Kindern bei. „Unser Musiklehrer Andrei Ciuleac spielt sehr gut Klavier und Geige. Wir möchten die Kinder aber auch mit anderen Instrumenten vertraut machen – vielleicht mit einer Trommel oder einer Bass-Gitarre. Wir hoffen, eine bekannte Musikgruppe aus Temeswar einladen zu können, die auf unserer Bühne ein kleines Konzert bestreiten wird“, sagt Geraldine Bullert-Zipple.

Konzert im Kindergarten

Den Namen der Band, die im Kindergarten auftreten soll, will die Kindergartenleiterin vorläufig noch nicht preisgeben. Die Überaschung ist aber nicht nur für die Kinder gedacht, sondern auch für die Mitarbeiter des Kindergartens und für die Eltern. Schließlich ist „Kinderwelt“ ein Kindergarten, bei dem auch Mama und Papa bei den verschiedenen Feiern der Kleinen mitmachen, indem sie sich zum Beispiel auch mal zum Fasching verkleiden. Hat man einmal seine Hemmungen überwunden, so ist der Spaß garantiert. Was die Langlebigkeit des Kinderwelt-Kindergartens gesichert hat, verrät Geraldine Bullert-Zipple: „Man muss sich mit Liebe und Zuneigung seinem Beruf widmen, egal, welchem. Solange man das konsequent durchzieht und die Leute merken, dass die Kinder mit Freude hierherkommen, wenn auch ein gutes Feedback von den deutschen Schulen kommt, dann kann ich schon sagen, dass die Leute zufrieden sind“.

Seit über 15 Jahren ist der deutsche Privatkindergarten „Kinderwelt“ in Temeswar in Betrieb. Aktuell besuchen ungefähr 80 Kinder die Kinderkrippe und den Kindergarten. Der Kindergarten orientiert sich an der Montessori-Pädagogik und ist mit einer eigenen Küche ausgestattet. Den Kleinen steht ein großer Hof zur Verfügung und sie können verschiedenen Aktivitäten nachgehen, wie etwa Musik, Tanz oder Judo.