Wie verliert man eine EU- Finanzierung?

Temescher Kreisrat vermasselte ein EU-Projekt von zehn Millionen Euro

Das Temeswarer Kreiskrankenhaus hat jährlich Tausende Patienten aus der ganze Westregion zu versorgen, teilweise noch immer mit veralteter technischer Ausstattung.
Foto: Zoltán Pázmány

Es sind schon gute acht Jahre seit dem EU-Beitritt Rumäniens vergangen. Nach der anfänglichen allgemeinen Hurra-Stimmung kam rasch die Ernüchterung. Sie hält übrigens noch immer an. Sowohl für die Bevölkerung, die verunsicherten EU-Bürger, als auch für die Behörden, von den zentralen bis zu den lokalen Behörden aus den Kommunen.Viele Wunschträume platzten wie Seifenblasen, viele Pläne erwiesen sich als Luftschlösser. Vor allem im Bereich der EU-Finanzierungen musste man hierzulande Jahr um Jahr von Neuem entdecken und erfahren, dass es eine tiefe Kluft zwischen den schönen Vorstellungen und der EU-Realität gibt und bleibt. Die Absorption der EU-Mittel, ein weiterhin schwieriges und heikles Kapitel für das EU-Mitglied Rumänien, stieg wohl in unserem Land von 8,53 Prozent im Jahr 2012  auf derzeit 60,9 Prozent. Rumänien belegt damit einen Platz unter den... Nachzüglern bzw. Platz 25 unter den EU-Mitgliedsstaaten, hinter Bulgarien (74,9) aber immerhin noch vor der Slowakei (60,4) und Kroatien (47,9). Laut Schätzungen der Fachleute von der rumänischen Fachzeitung „Ziarul Financiar“ verliert unser Land bei der genannten Absorptionsrate trotzdem zirka 7,5 Milliarden Euro von den EU-Mitteln, die unser Land beantragen hätte können. Und in den EU-Geldtöpfen, im EU-Budget für die Zeitspanne 2014-2020, warten sage und schreibe 43 Milliarden Euro für unser Land!?

Was steht weiterhin der Verwirklichung von EU-Projekten im Allgemeinen im Wege? Sind es Unkenntnis, fehlende Fachkenntnis und Fachleute? Sind es die alten Mentalitäten aus der kommunistischen Planwirtschaft und Propagandagesellschaft, die so gar nicht in die Marktwirtschaft und in die EU-Prozeduren passen? Sind es der typische einheimische Schlendrian, die Misswirtschaft oder die Korruption? In manchen Fällen ist es das eine, in anderen das andere, in den meisten rumänischen Niederlagen in Sachen EU-Finanzierungen ist wohl wie in einer echten „ciorbă a la grec“ gar ein wenig von all dem eingestreut. Laut den EU-Kennern und Fachleuten wäre der Hauptgrund der schwachen Absorption der EU-Gelder durch Rumänien heute noch in der Phase der Vorbeitrittszeit und der schwachen Vorbereitung des EU-Beitritts 2007 zu suchen. Fest steht, dass es in Rumänien allerorts in den einzelnen Kommunen mit einer vermasselten EU-Finanzierung immer wieder auch zu einem starken Rückschlag und zu vielen ärgerlichen Fragen und gar DNA-Untersuchungen kommt.

Gewerkschaft Sanitas spricht von Politisierung

Ein Paradebeispiel, wie man hierzulande nonchalant eine EU-Finanzierung verlieren kann, bot vor Kurzem der Temescher Kreisrat. Dieses Gremium der Volkserwählten aus dem Kreis Temesch, dem jedoch ein erprobter Apparat von erfahrenen Fachleuten und Beamten zur Verfügung steht, hatte die Finanzierungsprozedur eines für die Kreisbelange wichtigen EU-Projekts zu verwalten. Das Projekt im Gesamtwert von zehn Millionen Euro betraf die Anschaffung wertvoller medizinischer Apparatur für das Temeswarer Kreiskrankenhaus im Wert von 42 Millionen Lei. Es bestand eine Mitfinanzierung im Regionalen Operationsprogramm 2007-2015 von nicht rückzahlbaren EU-Geldern, lediglich eine Restsumme hatte der Temescher Kreisrat bereitzustellen.

Also ein vorteilhaftes Vorhaben, nicht nur für den Kreisrat, sondern vor allem für mehrere Ambulatorien, Abteilungen und Kliniken des Temescher Kreisspitals: Die alten Apparate aus dem Austria-Haus (Chirurgie-Klinik), aus der Orthopädie-, der Pädiatrie-Klinik aus der Bega-Klinik für Obstetrik und Gynäkologie sollten mit insgesamt 228 neuen, hochwertigen Apparaten und Geräten ausgetauscht werden. Für das medizinische Personal, aber mehr noch für Tausende Patienten des Temeswarer Kreiskrankenhauses wäre daraus eine großartige Sache und einmalige Lebenschance geworden. Was vor einigen Monaten noch unglaublich schien, ist heute ein Faktum: Diese vorteilhafte EU-Finanzierung ist leider verlorengegangen. Im September wurde eine erste internationale Versteigerung veranstaltet. Obwohl die Ankündigung betreffend diese Versteigerung gar 100 Tage auf dem SEAP-Portal lesbar war, meldete sich leider keine einzige Firma, die sich mit der Anschaffung dieser Apparatur beschäftigen hätte können.

Die Ursachen für diesen katastrophalen Ausgang des schönen Projekts sind bisher unbekannt. Laut Florian Zamfir, dem Vizevorsitzenden des Temescher Kreisrats, läuft derzeit eine interne Untersuchung beim Kreis-rat.Vorläufig hätte man keine plausible Erklärungen für dieses unerwartete Fiasko. Eine mögliche Erklärung haben Vertreter aus dem Fachbereich medizinischer Apparatur sogleich parat gehabt: Erstens wären die Fristen bei derartigen EU-Projekten stets sehr eng angesetzt. Zweitens hätte es nur eine zahlungskräftige Firma geschafft, rechtzeitig die erforderliche hohe Garantiesumme zu präsentieren. Außerdem kamen nur einige spezialisierte Großfirmen für den Import dieser teuren Apparatur in Frage. Drei dieser Apparate galten als sogenannte strategische Apparate und kosteten allein etwa 3,5 Millionen Euro. Diese gesamte moderne Ausstattung hätte Temeswar dazu verholfen, künftig ein medizinisches Exzellenzzentrum zu werden.
Es könnte aber auch sein, so Meinungen und Vermutungen aus Ärztekreisen, dass die Verhaftung des Bukarester Oberbürgermeisters Sorin Operescu, bekannt für seine starken Verbindungen in diesem Fachbereich wie auch im Handelssektor der medizinischen Apparatur, die interessierten Firmen vor einem Einstieg abgeschreckt hätte.

Vertreter der Gewerkschaft Sanitas Temesch, allen voran deren Führer Dr. Livius Cârstea, sehen die Sache etwas differenzierter und vielleicht der Wahrheit näher: „Auch diese verlorene EU-Finanzierung festigt nur noch unsere Überzeugung, dass die Dezentralisierung der Krankenhäuser vor Jahren ein großer Fehler war. In den meisten Fällen hat der Übergang der Verwaltung an die Lokalbehörden, Kommunalverwaltungen und Kreisräte keine guten Ergebnisse gebracht.“ Diese Art Verwaltung habe unser Gesundheitswesen, Spitäler, Ambulatorien, bis zu den kleinsten medizinischen Einheiten, nur noch mehr politisiert.