Wieder über das Anti-Legionärsgesetz

Gespräch mit Prof. Dr. Radu Preda, Leiter des Instituts zur Aufklärung der kommunistischen Verbrechen und für das Gedenken an das rumänische Exil

In der letzten Augustwoche fand in Kronstadt eine der beiden Sommerschulen der Außenstelle Bukarest der Konrad Adenauer Stiftung zu dem Thema, „Wer sind wir in Europa? Herausforderungen und Perspektiven für die europäische Wertegemeinschaft“, statt. Anvisiert war ein Überblick der Probleme und Aufgaben, vor denen die europäische Wertegemeinschaft zurzeit steht. Schwerpunkt waren natürlich die Herausforderungen und Perspektiven für Südosteuropa - und das sind nicht wenige.

Nach dem Vortrag von Prof. Dr. Radu Preda, dem Leiter des Instituts zur Aufklärung der kommunistischen Verbrechen und für das Gedenken an das rumänische Exil (IICCMER), in welchem er detailliert auf die immer noch langsam vorangehende Vergangenheitsbewältigung in Rumänien einging, baten wir ihn, uns seine Position zu dem unter dem Begriff „Anti-Legionärsgesetz“ (217/2015) bekannt gewordenen Gesetz zu erläutern. Das Gespräch führte ADZ-Redakteur Hans Butmaloiu.



Wir haben ein Gesetz, ein neues Gesetz, welches bereits Kontroversen erzeugt und einen heiklen Bereich regeln soll. Wir nennen es auch kurz „Anti-Legionärsgesetz“. Ist dieses Ihres Erachtens nach ein nützliches, notwendiges und sinnvolles Gesetz - oder im Gegenteil?

Also, um es klar darzulegen: Gesetze, welche empfindliche Bereiche oder Grauzonen, wie z.B. die Anstiftung oder den Aufruf zu Hass, zu Antisemitismus oder Fremdenhass regeln,  sind immer willkommen, da sie zu dem Gesetzesarsenal gehören, mit welchem sich jeder Rechtsstaat gegen mögliche Exzesse einiger seiner Bürger schützt. Das Thema, der Gegenstand des Gesetzes, ist also etwas durchaus Vernünftiges und Lobenswertes. Das obwohl – und ich habe das auch bei anderer Gelegenheit gesagt – die eigentlichen Taten, die ja jetzt als Straftaten betrachtet werden, denn es ist ein Strafgesetz, schon im alten und erst recht im neuen Strafgesetzbuch vorgesehen sind. In gewissem Sinne könnte man daher sagen, dass dieses neue Gesetz eine „Überregulierung“ des Strafgesetzes darstellt.

Diese Art von Gesetzen gibt es jedoch in vielen Staaten. Es ist ein Weg, bestimmten Tendenzen, welche der Gesetzesgeber in der Gesellschaft bemerkt, entgegenzuwirken. In unserem Fall jedoch, also in Rumänien, kann ich, um ehrlich zu sein, solch ein anwachsendes Phänomen, welches dieses Gesetz rechtfertigen würde, nicht ausmachen. Vor allem sehe ich die Rechtfertigung für die große Eile nicht, mit welcher dieses  Gesetz auf dem Tisch des Staatspräsidenten angekommen ist. Mein Protest richtet sich daher gegen die Methode, mit der vorgegangen wurde - genau wie bei einem Lobbygesetz: Der Gesetzesentwurf kam von drei Parlamentariern, ohne alle gesetzlich vorgesehenen Etappen durchzumachen. Die Abstimmung über das Gesetz wurde vorverlegt - anstatt diese für den Herbst einzuplanen, wurde sie am letzten Arbeitstag vor der parlamentarischen Sommerpause durchgeführt.       
    
Wie ist das Gesetz denn entworfen worden?

Dilettantisch! Es ist ein von Dilettanten gemachtes Gesetz!

In welchem Sinne?

Weil nur Dilettanten den minimalen legislativen Techniken keine Rechnung tragen. Als erstes möchte ich zum Hauptbegriff des Gesetzes  - „Förderung des Personenkultes von Persönlichkeiten, welche beschuldigt wurden, Kriegsverbrecher oder Angehörige von extremistischen Bewegungen gewesen zu sein“ - bemerken: Der Begriff „Förderung“ („promovare“ auf Rumänisch), ist aus dem Marketing Bereich übernommen worden. Es ist juristisch sehr schwer zu erklären, welche Abdeckung dieser Begriff, also Förderung, im Rechtswesen haben kann. An sich ist der Begriff viel zu weitläufig und das Risiko - oder, bitteschön, die Möglichkeit - diesen auch einschränkend auszulegen, ist viel zu groß. Von den fraglichen Persönlichkeiten gar nicht zu sprechen, bei denen, wenn wir neben den Sünden auch etwaige Tugenden erwähnen, dies bedeutet, dass wir sie fördern? Die Grenze ist sehr eng und lässt eben Freiraum für Übergriffe.   

Ist damit eine Türe geöffnet worden, die besser verschlossen geblieben wäre?

Fest verschlossen - und an deren Stelle eine klare Gesetzesauflage, welche vorsieht, das Hassförderung oder  Anstiftung dazu eine Straftat ist! Das ist etwas, dem ich voll und ganz zustimme. Das wäre der eine Teil. Der andere ist die Definition der „legionären Bewegung“ als faschistische Bewegung, eine Definition, welche vom Hohen Justiz- und Kassationshof kommt, doch keinen normativen Charakter hat. Diese vorgetragenen Argumente habe ich einer Anmerkung der Regierung entnommen, welche diese – nota bene – vergangenes Jahr zu dem Gesetzesentwurf gemacht hat und welche die Autoren des Entwurfes missachtet haben, sie, ihre Berater und auch die Berater des Elie Wiesel Institutes. Niemand hat der Position Rechnung getragen, welche die Regierung ausgedrückt hat. Die Aussage der Regierung ist nämlich sehr deutlich: Es ist gefährlich, wenn sich der Gesetzesgeber zu historischen Belangen äußert!   

Das wäre also eine Überschreitung der Befugnisse, eine Anmaßung von nicht zustehenden Kompetenzen?

Eine krasse Überschreitung der Befugnisse, ohne jeden Zweifel! Neben dem Mangel an Transparenz bei dem Gesetzesentwurf und dem Einsatz von Begriffen, welche zu viele Deutungen erlauben, gibt es noch einen Grundsatzpunkt, der scharf zu kritisieren ist: In der Aufzählung der Diktaturen, welche Rumänien erlebt hat, fehlt der Kommunismus! Also, wenn der Gesetzgeber schon die Notwendigkeit verspürt hat, zu betonen, dass Rumänien Diktaturen durchlebt hat - Diktaturen, von welchen wir uns entschieden abgrenzen müssen, na, dann soll er das gefälligst auch konsequent bis ans Ende führen! Deshalb habe ich das kritisiert – selbst auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden, dass ich nicht weiß, wie „anti-legionär“ dieses Gesetz am Ende ist, aber es ist offenkundig ein pro-kommunistisches Gesetz...     

Das Gesetz beklammert also bewusst den Kommunismus in der Auflistung der Diktaturen, der Gräueltaten, der verbrecherischen Regime, aus?

Ganz genau: Der Kommunismus ist nicht gesetzlich erfasst...

Das ist ja völlig unlogisch!

Was sage ich denn die ganze Zeit? Dazu kommt noch ein Kommuniqué der jüdischen Gemeinde in Rumänien, welches besagt, dass es kein Hindernis gibt, ein Gesetz auch für die Opfer des Kommunismus zu haben. Unser Problem - oder das des Institutes, welches ich leite - ist, dass wir auf keinen Fall ein zweistufiges Gedenken ermutigen wollen. Was wir brauchen ist eine Gedenkkultur und eine Gedenkpolitik, welche auch den Opfern des Holocaust Rechnung trägt, zu denen übrigens auch die Angehörigen der Roma-Minderheit gehören. Das betone ich, weil die Definition des Holocaust, so wie sie in diesem Gesetz vorkommt, die Roma-Opfer ausschließt und sich ausschließlich auf die semitischen Opfer beschränkt. Wir müssen aber in einem Gesetz alle Randgruppen beachten, auch die Homosexuellen zum Beispiel, einfach alle Minderheiten, welche unter der Diktatur Gegenstand eines Moral- und Rassengesetzes waren. Weil einige nach ihrer Rassenzugehörigkeit gerichtet wurden und andere nach ihrer Moral oder ihren Neigungen.
Das Gedenken an die Opfer muss zudem die Obszönität einer Konkurrenz zwischen Holocaust und Gulag vermeiden.   

Mit anderen Worten, die Frage, welches Verbrechen denn das größere sei...

Was geradezu obszön wäre, wenn wir  auf solche Vergleiche kämen! Praktisch betonen wir durch das Einschließen des Kommunismus das zeitlich im Gedächtnis näher liegende Gräuel, die Kontinuität des Bösen im 20. Jahrhundert, was auch dem Gedenken des Holocaust zugute kommt. Denn die Wurzel alles Bösen des vergangenen Jahrhunderts, ob nun Kommunismus, Faschismus oder Nazimus ist der Totalitarismus. Wir haben dieses ethisch-politische Paradox: Stalins Sowjetunion hat gegen Nazideutschland gekämpft, das bedeutet aber keinesfalls, dass sie für Demokratie gekämpft hätte.

Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.