„Wir versuchen auch weiterhin, die digitale Seite des Unterrichts als Alternative, beziehungsweise als Zusatz fortzuführen“

Interview mit der Leiterin des Nationalkollegs „Samuel von Brukenthal“, Monika Hay

Monika Hay, Leiterin des Nationalkollegs „Samuel von Brukenthal“ Foto: Cristiana Scărlătescu

Die in Semlak gebürtige Banaterin Monika Hay war in den 90er Jahren Grundschullehrerin an der „Nicolae Iorga“ Schule in Hermannstadt/Sibiu und nach 2004 Fachinspektorin für den deutschsprachigen Grundschul- und Minderheitenunterricht im Hermannstädter Schulamt. Heute amtiert sie als Leiterin der Schulkommission des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien, und seit 2016 ist sie Direktorin des Nationalkollegs „Samuel von Brukenthal“ in Hermannstadt, wo sie „Geschichte und Traditionen der deutschen Minderheit“ unterrichtet. Ende September war sie als Gastsprecherin zum Rundgespräch über die Anwendung neuer Technologien und alternativer Unterrichtsmethoden beim Fremdsprachenunterricht eingeladen, das vom Departement für Interethnische Beziehungen an der Rumänischen Regierung DRI anlässlich des Europäischen Tags der Sprachen organisiert wurde. Anschließend unterhielt sie sich mit ADZ-Redakteurin Cristiana Scărlătescu über die Vor – und Nachteile des Online-Unterrichts.

Frau Hay, welches waren die Herausforderungen des Online-Unterrichts während der pandemiebedingten Sicherheitsmaßnahmen in Ihrer persönlichen Erfahrung als Lehrerin und auf Schulniveau von Ihrem Gesichtspunkt als Schulleiterin?

Was die Logistik anbelangt, haben wir uns sehr schnell gefangen und organisiert. Das Programm Office 365, mit der ganzen Plattform, „Teams“ und alles was dazu gehört, stand uns schon seit längerer Zeit zur Verfügung. Da haben wir innerhalb von zwei Wochen Konten für jede Schülerin und jeden Schüler erstellt. Das war daher nicht so schwierig.

Was eine Herausforderung für uns darstellte, war der Mangel an digitalen Kompetenzen seitens der Lehrkräfte, speziell was den On-line-Unterricht anbelangt. Ich denke, da sind wir in einer Reihe mit allen Schulen landesweit. Dem haben wir entgegengewirkt durch schulinterne Fortbildungen, die online stattgefunden haben. Wir haben also unsere eigenen Lehrkräfte fortgebildet. Das hat dann auch relativ schnell gut funktioniert.

Schwierig wurde es mit der Zeit im Bereich der direkten Kommunikation mit Schülern, die im Unterrichtsgeschehen äußerst wichtig ist. Dass man Gesicht und Mimik der Schüler sieht, war leider nicht gegeben. Die Schüler waren durch die Regelungen auf nationaler Ebene nicht verpflichtet, ihre Kameras anzuschalten, so dass sie die Möglichkeit hatten, hinter einer Kamera zu verschwinden, und wir Lehrkräfte konnten ihre Reaktionen und Teilnahme am Unterricht nicht wirklich beeinflussen. Dieser Aspekt hat uns Schwierigkeiten bereitet.

Von der Methodik her gab es sehr viele Möglichkeiten. Man konnte multimediale Inhalte sehr leicht in den Unterricht einbauen,  was man vorher nicht so leicht geschafft hat, und das war natürlich interessant und für uns als Lehrkräfte sehr angenehm. Aber die Interaktion mit der Klasse hat sehr gelitten, auch noch dann, als wir dann Schüler in der Hybridform teilweise online, teilweise physisch präsent hatten. Wir haben jedoch im Landesvergleich daraus das Beste gemacht und versuchen auch weiterhin, die digitale Seite des Unterrichts als Alternative, beziehungsweise als Zusatz fortzuführen.

Gab es in dieser Zeit auch seitens der Lernenden Versuche zu schummeln?

Die Versuche der Schüler über Online-Plattformen zu schummeln sind schwer nachzuweisen. Ein Schüler hat mir mitgeteilt, dass ihm die Online-Schule sehr gut gefallen hat, er war sogar Olympionike in Physik. Ich habe ihn natürlich für seine Ergebnisse bei der Online-Olympiade in Physik gelobt und gefragt „Woher der Spaß und die Freude an der Physik?“ Er erwiderte, sein Großvater, der Physiklehrer ist, habe ihm geholfen.

Es war also eigentlich nicht möglich mit der Technik, die uns als Schule zur Verfügung stand, verschiedene Täuschungsversuche 100-prozentig auszuschalten. Natürlich haben die Lehrerinnen und Lehrer verschiedene Methoden ausprobiert, zum Beispiel, die Zeit der Prüfungen sehr knapp zu bemessen, aber es war nicht möglich, komplett  zu verhindern, dass die Schüler miteinander kommunizieren oder dass sie noch ein anderes Fenster offen hatten, während sie in die Kamera des Computers schauten. Es war dann nicht mehr unser Ziel, Täuschungsversuche komplett auszuschalten.

Uns ging es dann letztendlich darum, dass Wissen vermittelt wird, dass wir mit den Schülern unter den gegebenen Bedingungen interagieren können, dass wir sie beim Lernen unterstützen, ihnen Lernstrategien für diese Zeit vermitteln.

Alles andere war dann ihre Entscheidung, ob sie letztendlich sich selbst betrügen. Das haben viele verstanden, dass die guten Noten nicht alles sind, dass man sie auf verkehrten Wege erhält, sondern wichtig ist das, was man lernt, was man sich aneignet.

Wie sind die Noten der Schüler seit der Coronazeit? Sind sie im Verhältnis zum Niveau ihrer Kenntnisse gestiegen, gesunken oder konstant geblieben?

Wenn ich dazu Äußerungen machen darf, sind sie eher empirischer Art. Wir haben diesbezüglich keine Studien geführt. Die Lehrkräfte haben festgestellt, dass die Noten, die sie erteilt haben, höher waren als in der Zeit vor der Pandemie und dass viele Schüler Schwierigkeiten hatten, sich an den neuen alten Gegebenheiten wieder anzupassen, als sie zum Präsenzunterricht zurückgekehrt sind.

Wir haben jedoch der laufenden Bewertung im Unterricht dann auch nicht mehr so viel Bedeutung beigemessen, weil sie teilweise nicht den realen Kenntnissen entsprochen hat, und das ist natürlich schade gewesen. Aber ich denke dies liegt auch sehr an der Mentalität jedes einzelnen Schülers und jeder Familie, die Kinder erzieht, welche Einstellung diese zur Online-Schule hatte. Die Noten waren deutlich höher als das Niveau der Schüler.

Wie hat die von Ihnen geleitete Schule letztes Jahr den 300. Geburtstag ihres Namensgebers, des Barons Samuel von Brukenthal, begangen?

In der Schule selbst hatte die Tagung zum 300. Geburtstag des Barons Samuel von Bruken-thal stattgefunden. Wir haben selbst auch eine Projektwoche organisiert, im Sinne von verschiedenen Unterrichtstätigkeiten, sowohl in der Schule als auch jenseits des Pflichtunterrichts, in denen das Thema Brukenthal und seine Zeit in den verschiedenen Unterrichtsfächern behandelt wurde.
Zeitgleich gastierte auch die Wanderausstellung zu 300 Jahren Brukenthal in unserer Schule. Wir haben ein Arbeitsheft erstellt, so eine Rally durch die Ausstellung und die Schüler haben sich die Ausstellung eben mit dem Arbeitsheft erschlossen. Dann hatten wir noch Online-Unterricht, weil damals noch die Fallzahlen für die Teilnahme am Präsenzunterricht bestimmend waren. Dazu war der Ausstellungskatalog auch in digitalisierter Form verfügbar, damit wir mit den Schülern auch online zum Thema arbeiten konnten.

Gleichzeitig wurde der siebenbürgische Lehrertag in unserer Schule veranstaltet und alle Lehrkräfte, die aus ganz Siebenbürgen kamen, wurden darauf hingewiesen, dass es diese Ausstellung gab. In seiner Eröffnungsrede hat Herr Unterstaatssekretär Thomas [indilariu sogar eine Einführung zu dieser Ausstellung gemacht.

Haben Sie eine Übersicht über die Absolventen des Brukenthal-Kollegs, die mit einem Erasmus- oder DAAD-Stipendium ins Ausland reisten?

Wir haben als Schule das Recht, drei Schülerinnen und Schüler zu nominieren, die sich am Auswahlgespräch für ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) bewerben. Leider hat in den letzten Jahren keine unserer Schüler ein solches Stipendium erhalten.

Das letzte Mal war es 2019, als einer unserer Schüler ein DAAD-Stipendium zugesprochen bekommen hat. Er studiert jetzt Medizin in Aachen. Aber trotzdem studieren viele unserer ehemaligen Schüler im deutschsprachigen Ausland – größtenteils in Deutschland.

Welches sind dabei die beliebtesten Studienfachrichtungen der Abiturienten?

Sehr viele von ihnen studieren Informatik, manche auch Medizin oder im medizinischen Bereich. Wir haben die Mathematik/Informatik-Intensivklasse, zwei naturwissenschaftliche und eine Philologieklasse pro Jahrgang, und das Interesse, Informatik im Ausland zu studieren, ist recht hoch, aber nichtsdestotrotz stellen wir eine Tendenz zum hier Studieren, des hier Bleibens fest. Es ist so, dass viele unserer Abschlussjahrgänge die Möglichkeit eines Erasmus-Stipendiums hatten. So beginnen sie ihr Studium hier in Rumänien und über ein Erasmus-Stipendium absolvieren sie einige Semester im Ausland.

Wir haben auch bei einem zehnjährigen Klassentreffen feststellen können: Es sind nach einem Aufenthalt für das Studium und einigen Berufsjahren im Ausland recht viele Absolventen unserer Schule auch zurückgekehrt und haben sich für eine Stelle im rumänischen Arbeitsfeld entschieden.

Was die Angebote verschiedener Hochschulen anbelangt, so ist es natürlich üblich, dass sie ihre Angebote in allen Lyzeen präsentieren. Ganz speziell ist es der Fall bei der Babe{-Bolyai-Universität (UBB) in Klausenburg/Cluj-Napoca. Da wird Schülern eine kostenlose Teilnahme an einer Schnupperwoche angeboten. Die Unterkunfts- und Verpflegungskosten werden von der Babe{-Bolyai-Universität und von deren deutschen Abteilung getragen. Dabei werden die Schüler von einer Lehrkraft begleitet, während sie verschiedene Angebote der UBB besuchen. Das findet schon in der 11. Klasse statt, damit sie sich rechtzeitig orientieren können.

Sie sind gleichzeitig auch Leiterin der Schulkommission des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Was macht Ihre Tätigkeit dort aus?

Es gibt mehrere Schulkommissionen des Siebenbürgenforums, die jährlich – mit einer Pause 2020 – den Lehrertag organisieren, und es gibt eben die Schulkommission des Landesforums des DFDR, welche die Tätigkeit im Schulbereich auf Landesebene koordiniert, beziehungsweise die verschiedenen Aktivitäten seitens des Forums.

Zum Beispiel hat das Landesforum jetzt im Oktober einen Austausch mit ungarndeutschen Lehrkräften initiiert. Dabei werden die Lehrkräfte und Erzieherinnen aus Temeswar ungarndeutsche Bildungseinrichtungen besuchen. Vermutlich nächstes Jahr gibt es den Gegenbesuch, und das läuft so schon seit Jahren. Ansonsten sind wir derjenige Bereich des Landesforums, der auch die Schulstatistiken koordiniert. Wir sammeln Statistiken und Daten, die wir aus den staatlichen und teilweise privaten Kindergärten und Schulen (Anm. d. Red. mit deutscher Unterrichtsprache) erhalten, wir sehen, wie sich die Schülerzahlen entwickeln, wie viele Lehrkräfte noch in deutscher Sprache unterrichten und dergleichen.

Am 30. September fand nach drei Jahren wieder ein Präsenztreffen der Schulkommission des Landesforums statt und wir konnten es alle natürlich kaum erwarten, uns wieder in Person zu treffen.

Wir bedanken uns für das informative Gespräch und wünschen Ihnen auch weiterhin viel Erfolg!