WORT ZUM SONNTAG: Gottes Größe neu entdecken

Wahrscheinlich kennen Sie die Stelle aus dem Markus-Evangelium:„Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. Jesus aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen?“

Die Fragen, die hinter diesem Ausruf stehen, kennen wir auf jeden Fall. Es sind manchmal auch unsere Fragen: Schweigt Gott? Kennt er uns überhaupt? Kümmert er sich um uns? Um das Weltgeschehen zum Beispiel. Oder regiert der Zufall unser Leben und die Welt?Solche Fragen tauchen oft dann auf, wenn es uns nicht gut geht, wenn uns „das Wasser bis zum Hals steht“. Dann stehen die Fragezeichen da und verunsichern unseren Allerweltsglauben. Wir wollen die Fragezeichen auch gar nicht ignorieren. Schließlich befinden wir uns mit solchen Fragen zusammen mit den Jüngern Jesu in bester Gesellschaft. Wie viel Leid, Kummer, Zweifel, Frustration und Angst stehen hinter den Fragen mit den dicken – menschlich verständlichen – Fragezeichen. Es sind ja Existenz- und Überlebensfragen vor Gott.

Also sollten wir diese allgemeinen Fragen, woher sie auch kommen, respektieren. Allzu schnell können sie auch unsere eigenen werden: „Fragst du nicht, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? Warum greifst du nicht ein?“Die Jünger im vollgelaufenen Schiff und wir in unserer festgelaufenen Gottesferne, Betriebsamkeit, Hetze, Friedlosigkeit, Bedrohung, Gebetlosigkeit, im Einerlei der leeren Tage.

Es kommt darauf an, wie wir Gott „wecken“ und ihn betend für uns interessieren. Denn bei uns kommt sozusagen Gott in unserer Welt nicht mehr direkt vor. Wir haben Gott zu oft kleingeredet. Gott bleibt uns Menschen immer auch ein Stück rätselhaft und übersteigt unser Denken völlig. „Warum greift er nicht ein?“, war ja die Frage der Jünger. Der Gott der Bibel sagt einmal durch seinen Sprecher, den Propheten Jesaja: „Meine Gedanken sind nicht zu messen an euren Gedanken, und meine Möglichkeiten nicht an euren Möglichkeiten“. Gottes Größe will neu entdeckt werden. Manche Ereignisse unserer Zeit sind furchtbar und erzeugen eine Existenzangst, der man überall begegnen kann. Viele Menschen fühlen sich unsicher trotz der Bemühungen der Polizei und trotz aller Versicherungs-und Absicherungsstrukturen. Viele können nicht auf Gott vertrauen, ganz im Gegenteil halten sie ihn für den Urheber der Probleme oder sie unterstellen ihm sogar, dass er zumindest nichts dagegen tue. Schnell sieht es so aus, dass man nicht mehr weiß, wozu es heute gut ist, an Gott zu glauben, da „Gott zu schweigen und zu schlafen scheint“.

Unser Problem ist nicht Gott. Unser Problem ist, dass wir nicht auf ihn schauen, sondern auf unsere Probleme. Das Wort Gottes scheinen die Leute nicht zu brauchen. Dass dieser Gott unser Leben trägt und uns Hoffnung und Zukunft schenkt, scheint nicht mehr wahrnehm- und erfahrbar zu sein. Man fragt sich, was bringt es einem für sein Leben (und Sterben), wenn man sich auf den christlichen Glauben einlässt? Wenn wir das Gefühl haben, dass Gott schweigt, dann kann es sein, dass wir von ihm zu weit weg sind.Wahrscheinlich passiert es öfter, dass Gott auf seine Weise auf unsere Gebete antwortet, weil er uns kennt, weil er weiß, was uns gut tut und was wir brauchen.

Es geschieht aber wahrscheinlich auch oft, dass wir gar nicht alles erkennen, was er uns Gutes tut. Wir sollten aufnehmen, was Gott uns sagen will, wie es uns noch einmal vielfältig im Luther-Jahr gesagt wurde, und darauf hoffen, dass er bei uns ist auf all unseren Wegen. Gott schläft nicht, auch wenn es uns manchmal so scheint. Gott ist und bleibt mitten unter uns und lässt uns nicht zugrunde gehen, weil er unser Heil und nicht unser Unheil will. Das nimmt uns den Druck von den Schultern und gibt Luft zum Atmen.