WORT ZUM SONNTAG: Leuchttürme auf dem Pilgerweg

Die heilige Helena (255-330), die Mutter Konstantins, war Christin geworden. Sie pilgerte nach Jerusalem, fand das Kreuz Christi und errichtete auf dem Berg Golgotha eine christliche Doppelkirche. Sie munterte die Christen auf, zu den heiligen Stätten im Heiligen Land zu wallfahren. Es gab aber keine gebahnten Wege. Darum ließ sie auf der Pilgerstrecke Türme erbauen, die als Wegweiser dienen sollten. Bei Nacht wurden auf den Türmen Leuchtfeuer angezündet, um auch den Pilgern, die bei Nacht reisten, den Weg zu weisen. Wir alle sind auf dem Pilgerweg zum „himmlischen Jerusalem“. Den Weg dorthin zeigt uns das Evangelium. Aber im Dunkel des irdischen Lebens sind wir in Gefahr, vom Weg abzuirren. Darum erleuchtet Gott viele von den Pilgern mit dem Licht seiner Gnade. Es sind Menschen, die wir als „Heilige“ verehren. Sie sind sozusagen geistige Türme, mit dem Leuchtfeuer der Gnade Gottes ausgestattet, denen wir nachfolgen sollen. An ihnen sollen wir uns orientieren. Dazu muntert uns das Fest „Allerheiligen“ auf.

Welche Bedeutung haben die Heiligen für unser Leben? Der Kirchenlehrer Franz von Sales (1567-1622) erklärt uns das so: „Das Leben der Heiligen ist nichts anderes als das Evangelium in Handlungen dargestellt. Ich kenne zwischen dem geschriebenen Evangelium und dem Leben der Heiligen keinen anderen Unterschied als zwischen einer in Noten gesetzten Musik und der nämlichen Musik, wie sie von Virtuosen ausgeführt wird.“ Deshalb wird ein Christ, der sein Pilgerziel erreichen will, auf diese Vorbilder blicken und diesen Wegweisern ohne Zögern nachfolgen. „Denn die Heiligen sind Schöpfungen des Evangeliums“, sagt Kardinal Newman (1801-1890).

Die Bedeutung der Heiligen für die Welt stellt uns folgendes Bild dar: In Südamerika gibt es eine besondere Palmenart, Tansai Caspi genannt. Sie besitzt die wunderbare Eigenschaft, die Feuchtigkeit der Luft in besonderem Maße anzuziehen und sie dann als erfrischenden Tau auf die Erde fallen zu lassen. Mag die Palme auch mitten in einer wasserlosen Wüste stehen, bald zeigt sich rings um sie ein üppiger Pflanzenwuchs, der unter dem niederfließenden Tau aufsprießt. Ob auch die Fenster des Himmels verschlossen sind und die Flüsse aus Mangel an Regen zu versiegen drohen, der lebenspendende Baum zieht genug Feuchtigkeit aus der Luft, um rings um sich eine Oase zu schaffen, die dem Reisenden kühlen Schatten und Erquickung gewährt. – Ein einleuchtendes Bild des Segens und der Bedeutung der Heiligen für unsere Welt. Sie ziehen, gleich der Palme, die Gnadenkräfte des Himmels an sich und geben sie als belebenden Tau an ihre Mitmenschen weiter. Die Heiligen sind ein Himmelssegen für die Menschheit. Der dänische Schriftsteller Jörgensen erzählt in seinem Buch „Römische Heiligenbilder“ von der schönen Sitte in Rom, vor den Heiligenbildern Lampen anzuzünden. Ergriffen knüpft er daran die Bemerkung: „Es ist nicht gleichgültig, vor welchem Bild deine Lampe brennt!“

In New York tat sich nach dem Tode des berühmten Opernsängers Enrico Caruso (gestorben 1921) eine Schar von Verehrern und Verehrerinnen zusammen und stiftete eine tausend Pfund schwere Riesenkerze, die 100.000 Stunden Brenndauer besitzt. Die Kerze soll jedes Jahr am Todestag des Sängers einen Tag lang brennen, sodass sie ihren Dienst etwa 6000 Jahre versehen kann. Ein Beispiel moderner „Heiligenverehrung“. – Welche „Heilige“ verehrt die heutige Jugend? Es sind dies berühmte Sportler, Sänger und Filmstars. Am Himmel der Heldenverehrung erscheinen immer neue Stars. Spornen uns die modernen Stars dazu an, bessere Menschen zu werden? Bisher ist noch kein Fall bekannt.
Die Heiligen standen während ihrer Lebenszeit ständig im Dienste ihrer Mitmenschen. Nun sind sie bei Gott. Ihre Hilfsbereitschaft nahmen sie mit in Gottes neue Welt. Sie treten bei Gott für uns ein. Und Gott, der sie erhörte, als sie noch auf Erden weilten, hört umso mehr auf sie, da sie bei Ihm sind. Rufen wir sie an, aber vor allem, gehen wir unbeirrt den Weg, den sie uns als Leuchttürme ausleuchten.