Wort zum Sonntag: Quellen der Freude

Alle Menschen suchen die Freude. Sie ist das Elixier unseres Lebens. Wo aber finden wir die Quellen, aus denen wir die Freude schöpfen können? Sogenannte „Lebemenschen“ suchen diese Quellen im Geld, in Bratenschüsseln, in seichten Unterhaltungen, in „Wein, Weib und Gesang“. Darum gehen sie dem wahrhaft christlichen Leben wie einer Giftschlange aus dem Wege. Nach ihrer Ansicht kann das christliche Leben niemals eine Quelle der Freude, sondern nur eine Quelle mit ungenießbarem Bitterwasser sein. Zur Bekräftigung ihrer Behauptung berufen sie sich auf einige Forderungen Christi: „Wer mein Jünger sein will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ Daraus folgern sie: Aus mühevollem Kreuztragen kann doch keine Freude fließen. Oder: „Wenn dein Auge dir Anlass zur Sünde gibt, dann reiß es aus!“ Ihre Schlussfolgerung: Wer sich als Blinder durchs Leben tasten muss, geht an der Freude vorbei. Das Wort Christi: „Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen“ klingt in den Ohren der Lebemenschen wie ein Bombenattentat auf die Quellen der Freude. Und wenn Christus vorhersagt: „In der Welt habt ihr Drangsal“, so gleiche dieser Ausspruch einem Trauerhaus, aus dem man die Freude als Leiche hinausgetragen hat. Fließt aus den Quellen, aus denen die freudedurstigen Lebemenschen gierig trinken, tatsächlich die beglückende und zufriedenmachende Freude? Hören wir einen prominenten Vertreter dieser Sorte: Der französische Romanschriftsteller Anatole France (1844-1924) hat sich durch seine religions- und sittenlosen Romane ein Riesenvermögen erschrieben. Er besaß alles, was er sich wünschte. Trotzdem war dieser Prophet der schrankenlosen Genusssucht, wie seine Biografen vermerkten, stets missgelaunt und unzufrieden. Sein Sekretär Bruisson erzählte von Anatole France, er habe einem Freund gegenüber geäußert: „Wenn du in mein Herz blicken könntest, würdest du erschrecken. Ich glaube nicht, dass es auf der Welt einen unglücklicheren Menschen gibt als mich. Viele beneiden mich um mein ‚Glück‘. Aber ich wusste nie, was Glück heißt, nicht einen Tag, nicht eine einzige Minute.“ Das ist doch ein Grabgesang auf die Quellen der Freude des Lebemenschen. Alle rein sinnliche Freude endet im Pessimismus.

Aus welchen Quellen kann echte Freude fließen? Ich kenne zwei: Die erste Quelle ist das gute Gewissen. Das erlangen wir weder durch ein fettes Bankkonto, noch durch den Weinkrug und die Bratenschüssel und schon gar nicht durch eine Dirne im „Freudenhaus“. Der größte österreichische Theaterdichter Franz Grillparzer hatte auch die Freude dort gesucht, wo sie alle Lebemenschen suchen: im sinnlichen Genuss. Doch er wurde gründlich enttäuscht. Seine Erfahrung goss er dichterisch in einen Vers: „Senk es tief in jede Brust: Eines nur ist Glück hienieden, eins: Des Innern stiller Frieden und die schuldbefreite Brust!“ Darum verheißt Christus im Evangelium: „Meinen Frieden gebe ich euch; nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch!“ Die Apostelgeschichte berichtet: „Nachdem sie von den Juden ausgepeitscht wurden, gingen sie voll Freude hinweg.“ Nicht einmal die blutigen Peitschenstriemen auf ihrem Rücken konnten die Freude ihres guten Gewissens trüben. Aus dieser Geisteshaltung heraus verstehen wir den Apostel Paulus: „Wir sind voll Freude inmitten der Trübsal.“ Ein geradezu hervorstechender Charakterzug der Heiligen war die Freude, die aus ihrem Antlitz leuchtete. Sie war die natürliche Frucht des guten Gewissens. Es ist die erste Quelle jeder wahren Freude.

Die zweite Quelle der Freude zeigt uns das Evangelium von der Verklärung Christi. Ein Strahl der Gottheit bricht durch seine irdische Hülle, ein Strahl der ewigen Schönheit. Er will uns damit zeigen: Wer ihm im irdischen Leben nachfolgt, sein Lebenskreuz mutig trägt, dessen Leben endet nicht auf dem Ölberg mit kaltem Todesschweiß auf der Stirn und auch nicht auf dem Kalvarienberg in Schmerz und Verzweiflung. Es mündet in die ewige Verklärung im Reiche Gottes, in diese nie versiegende Quelle der Freude, von der Christus verheißt, dass sie uns niemand nehmen kann. Nicht die Genüsse dieser vergänglichen Erde sind die Quellen der wahren und beglückenden Freude.

Daraus ergibt sich unser Lebensprogramm: Bewahren wir stets ein gutes Gewissen und vertrauen wir auf die Verheißung unserer ewigen Verklärung!