Wort zum Sonntag: Tod und Ewigkeit

Das Ende des Kirchenjahres steht unter doppeltem Zeichen: Tod und Ewigkeit. Beide verbinden sie die Gegenwart mit der Zukunft, beide sind sie gleich rätselhaft und gleich unausweichlich. Nachdem Orthodoxe und Katholiken sich immer schon intensiv mit dem aktuellen Stand der Toten beschäftigt und auf diesem Gebiet ganz präzise Lehren entwickelt haben, können wir Evangelische da nichts Positives mehr hinzufügen und konzentrieren uns deshalb lieber auf die Ewigkeit. Denn wie das Wissen um das Sterben, so ist auch die Ahnung der Ewigkeit in unser Herz gelegt, doch derart, dass wir bei beiden weder Wesen, Umfang, noch Ziel  ergründen können. Die theologische Phantasie hat hier reichlich Spielraum.

Ohne jeden Versuch spitzfindiger Gedankengänge redet die Bibel von der Ewigkeit in den gleichen Begriffen wie auch von der Zeit: wie „von Zeit zu Zeit“, so heißt es „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ und wie „zu allen Zeiten“, so heißt es „in alle Ewigkeiten“. Das deutet einerseits an, dass es analog zu den verschiedenen Zeiten auch verschiedene Ewigkeiten gibt, wie es in der Mengenlehre viele Unendlichkeiten gibt. Andererseits wird klar, dass die Zeit in die Ewigkeit gehört, wie das kleine Einmaleins in die Unendlichkeit. Diese Aufgehobenheit der Zeit in der Ewigkeit wird vollendet ausgedrückt in dem kirchlichen Kehrvers: „Wie es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Dazu kann man nur „Amen“ sagen.
Was nützt uns solches Wissen? Es will uns damit vertraut machen, dass Zeit und Ewigkeit ineinandergreifen, dass das Himmelreich schon mitten unter uns ist. Gottes Wort, die ewige Wahrheit, ist uns offenbart und wer ihm glaubt, dringt durch den Tod hindurch, wird selber ewig. An den Heiligen, die auf Erden sind, zeigt sich die schöpferische Kraft Gottes durch das Wort. An denen, die einfältig glauben und gehorchen, vollzieht sich das Wunder der Wiedergeburt und Erneuerung. Der Lebenswandel in den Geboten Gottes macht Menschen den Engeln gleich und gibt ihnen in der Zeitlichkeit einen Vorgeschmack des Lebens in der Ewigkeit. So verliert der Tod seine Schrecken, wird sogar attraktiv.

Wer ernstlich danach strebt, Gottes Willen zu tun, wird bald merken, dass das durchaus möglich ist: Auf geheimnisvolle Weise nehmen für die Frommen die Gelegenheiten, zu sündigen, ab an Zahl und die Versuchungen verlieren an Intensität. Gott selber bewahrt sie vor dem Bösen, befreit sie von Abhängigkeiten und führt sie in den weiten Raum seines Wohlgefallens. Erst sind es einzelne Glücksmomente, etwa nach einer guten Tat oder nach einer unterlassenen Übertretung: wir fühlen uns dann im Einklang mit der Menschheit, mit der Schöpfung, mit Gott. Das nenne ich ein Aufleuchten der Ewigkeit in unserem zeitlichen Dasein, eine punktuelle Bestätigung der himmlischen Bestimmung, die wir alle in uns tragen. 

 Wer den Weg der Gebote beharrlich geht, wird solche Momente wie Perlen auf die Schnur seines Lebens reihen, sehen, wie die Verhältnisse, in denen er lebt, immer belangloser werden, weil eben Gott zum Bezugspunkt seiner Betrachtungen wird. Am deutlichsten können wir das an den Biographien der Apostel und der späteren heiliggesprochenen Männer und Frauen beobachten. Sie wandelten mit Gott; meist nicht im Einklang mit ihrer Zeit und nicht angepasst an die örtlichen Gebräuche, denn sie folgten den ewigen Gesetzen. Und so sind sie auch heute noch aktuell, denn sie leben in Gott und in der Gemeinschaft aller, die aus Wasser und Geist geboren sind. Amen.