WORT ZUM SONNTAG: Zum Geburtstag der Kirche

Seit es modern geworden ist, alles zu hinter-fragen, könnten wir uns im Anschluss an Ostern rückfragen: Weshalb musste auf das alles ein Pfingsten folgen? 
Zu Weihnachten war die Zeit erfüllt: Christ, der Retter, war da.
Zu Ostern war das Werk der Erlösung vollbracht und der Sieg über den Tod errungen. 
Und dennoch fehlte etwas Wesentliches: der Schwung, der Anwurf eines Neuen, das von hinfort Kirche heißen sollte.

Jesus selbst hat einen Beistand, einen „anderen Tröster“ verheißen, einen Seelsorger. Die Jünger sollten sich nicht verhalten wie Brüder, deren Vater verstorben ist, und die nun als „trauernde Hinterbliebene“ über der Erbteilung aus Brüdern allmählich zu Feinden würden. Der Heilige Geist, der Geist aus Gott, sollte der Jüngerschaft den Vaterglauben erhalten; denn solange es einen Vater gibt, können sich die Brüder, selbst wenn sie aneinander geraten, miteinander versöhnen, aussöhnen, werden sie ihre „Blutsverwandtschaft“ nicht aufkündigen, eine Verwandtschaft, die Christus durch sein eigen Blut erworben hat. 

Versöhnen hat eher etwas mit Sühne, gerade auch mit Gesundung gemein; doch dürfen wir manchmal auch mit „Gleichklängen“ aufwarten.
Am fünfzigsten (pentekosté) Tag nach Ostern, dem Dankfest für die erste Ernte im Heiligen Land, wird das Erntedankfest dadurch erfüllt, überhöht, dass die Jünger Jesu einmütig beieinander sind – also wirklich wie Brüder. Sie werden aller Wahrscheinlichkeit nach in einem der Lehrgemächer des Tempels zusammengetreten sein. Nicht die Einmütigkeit ist das Überhöhende. Jede Massenkundgebung sieht nach Einmütigkeit aus.

Hier im Lehrgemach des Tempels wird so etwas wie ein „Verbrennungsmotor“ angeworfen, und das geschieht von oben herab; also aus einer Richtung, aus der niemand anders hätte wirken können als der Schöpfer aller Dinge und Wesen.

Es ging ja um eine Schöpfung eigener Art: Die Kirche sollte gestiftet werden.
Lukas selbst überstürzt sich in der Schilderung des Ablaufs. Er wird auch der Erste sein, der versuchen wird, das Geheimnis zwar nicht zu lüften, aber zu deuten. Zunächst geschieht ein Brausen vom Himmel herab. Ein Seemann würde vielleicht von Windstärke 6–9 sprechen. Ein einzelner Halm im Ährenfeld würde bei der Wucht eines solchen Sturmwinds geknickt werden. Die Jünger sind sämtlich anwesend, und so geht es eben zu wie in einem Ährenfeld, in dem die Halme in wellender Bewegung dem Druck zwar nachgeben, aber aufrecht bleiben. Hinzu kommen die Zungen, zerteilt wie von Feuer. Feuer trat seinerzeit aus dem brennenden Busch des Mose. Es brannte wohl, aber es verzehrte nicht. 

Hier wiederum wurde zerteilt, also aufgeteilt. Jeder erhielt sein Maß an Begeisterung. Begeisterung für die großen Taten Gottes, die an ihnen geschehen waren durch Christus den Herren.
Dass sie nun in Zungen redeten, also in einer Sprache, die allen geläufig war, das kam wie von selbst. Und die Predigt des Petrus sollte dem, was geschah, eine Richtung geben, sollte alles bündeln und wie mit Hilfe eines Hohlspiegels in die Welt strahlen lassen. Schließlich sollte er ja ein brüderlich-schwesterliches „Betriebsklima“ herbeiführen. In einer Welt, in der der Geist des Streitens und der Besserwisserei fröhliche Urständ feiert!

Weil die Kirche in dieser Welt, und nicht von dieser Welt sein sollte, müsste sie den Hohlspiegel hin und wieder auch auf sich selbst richten. Rheumakranke wissen die Einwirkung der Höhensonne zu schätzen. Sie macht wieder gelenkig und regsam!

Die BeGeisterung will ja auch neue Regsamkeit in die Verknotungen und Verknöcherungen der Kirche und nicht nur der Kirche einbringen!
Friedrich der Große, der Freigeist, der am Ende seiner Regentschaft einsehen musste, welchen Unsegen der Freigeist herbeigeführt hatte, fuhr einen seiner Minister mit den Worten an: „Schaffe Er mir Religion ins Volk; oder Er schere sich zum Teufel!“

So freilich kann Kirche nicht verstanden werden. Der Geist Gottes – darum der Heilige Geist – stellt uns vor keine Vogel-friß-oder-stirb-Alternative. Es gibt auch keine Rezepte dafür, wie man zu einem Licht der Welt, einem Fackelträger oder zum Salz der Erde werden kann.

Die Heilige Schrift eröffnet uns die Horizonte des Glaubens – und erst wenn einer wie der Verlorene Sohn sich in die Brust schlägt und sich fragt: „Wie soll das weitergehen?“ wird in seinem Herzen Religion geschaffen. Wenn wir eine Faustregel anwenden dürfen – nicht eine Regel der geballten Faust! – können wir aufgrund des dritten Glaubensartikels mit folgendem Leitspruch den Tempel des Heiligen Geistes betreten: Der Vater redet, die Kinder hören – und die Gemeinschaft der Heiligen nimmt zu.

Komm, Heiliger Geist, erfüll’ die Herzen deiner Gläubigen und entzünd’ in ihnen das Feuer deiner göttlichen Liebe; der du in Mannigfaltigkeit der Zungen die Völker der ganzen Welt versammelt hast in Einigkeit des Glaubens, Halleluja!