Zugebissen: Virtuelle Applauskanone

„Es gibt eine großartige Nachricht: Rumänien hat ein besseres Rating von der Rating-Agentur Fitsch bekommen“, kommentiert ein Marius Cristescu auf der Facebook-Seite von Premier Nicolae Ciucă. Ein Valentin Balasescu ergänzt: „Das zeigt, dass es mit dieser Art, zu regieren, in der letzten Zeit gelungen ist, eine Politik der wirtschaftlichen Stabilität und der Verantwortung zu sichern.“ 

Bravo Nea Nicu! Nur, dass der Applaus aus der Konserve kommt, wie der Fake-News-Newsletter „Misreport“ vom 4. April 2023 warnt. 

Laut Misreport gibt es ein ganzes Netzwerk an Ciucă-Applaudierern in gleich drei Sozialen Medien: Facebook, Instagram und TikTok. Klickt man auf deren Profil, ist ihnen eins gemeinsam: Eine äußerst dünne Biografie und keine Aktivitäten, die einer realen Person zugeordnet werden können. Außer Ciuc²-Huldigung kaum Kommentare, Shares oder Likes wie bei anderen passionierten Internauten. Nun ja, nicht jeder postet seine drollige Katze oder den Cocktail an der Urlaubsbar, mag man jetzt denken...

Nicht überzeugt, dass diese Konten gar nicht menschlich sind? Jetzt kommt’s: Mehrere von ihnen haben dasselbe Profil oder teilen sich sogar ein Gesicht – von öffentlichen Fotoplattformen oder aus echten Social Media-Konten. 78 solcher Bots hat Misreport identifiziert – Lobroboter, Ciucăbots –, die nichts anderes tun, als ihrem einprogrammierten Götzen zu huldigen – auf Seiten von Medien und Politikern, sogar auf der von Moldaus Präsidentin Maia Sandu.

Das Ganze schien mir so aberwitzig, dass ich es stichprobenartig überprüfte: Ich kontrollierte sozusagen den Watchdog für Fake News auf Fake News! Was ist der Sinn dieser virtuellen Lobroboter-Armee? Wer denkt sich sowas aus? Vielleicht ION, Ciucăs neuer KI-Berater? (Neluțule, du musst noch viel lernen…) Stellen wir die berühmte Frage auf der Suche nach dem „Täter“: Cui bono? – Wem nützt es? Dem Ciucă?

Ich denke an den Beginn der Applauskonserven in TV-Komödien: Was zunächst als Kuriosität oder gar Ärgernis erschien und freilich als „künstliche Animation“ ersichtlich war (oder als Volksverdummung: jemand sagt dir, wann du lachen musst), führte trotzdem unwillkürlich dazu, dass man an den „richtigen“ Stellen lachte. Oder sich zumindest fragte: Warum hätte ich jetzt lachen müssen? Ergebnis: Man lacht. Man denkt. Man beachtet! Sind die Ciuc²bots also, trotz der Peinlichkeit offensichtlicher Manipulation, dem Adressaten nützlich? 
Plötzlich läuft es mir eiskalt den Rücken herunter: Ich stelle mir vor, dass auf einmal jemand meine Artikel mit Kommentaren überschwemmt – lobend! Und dann klicke ich auf die Absenderkonten und entdecke – ein Netzwerk an Ninabots! Und schon trudelt der nächste Misreport ein: Nina May hält sich ein Fake-Applaudierernetz… Könnte man damit nicht auch jemanden demontieren?

Schädigen durch künstlichen Applaus – eine geniale Idee, denn das Opfer kann nichts dagegen tun! Es wird nicht beschimpft oder bedroht, verleumdet oder angegriffen. Welche Behörde wäre überhaupt zuständig, wollte man eine virtuell entfesselte Armee an Insgesäßkriechern loswerden? Kann Lob, selbst wenn von Unbekannt in Kanonenmanier verschossen, strafbar sein? Fällt das unter Stalking, Rufmord, Wahlmanipulation? 

Der Mann ist immerhin Politiker. Was, wenn seine Gegner oder Feinde statt dem typisch rumänischen Zurückschicken in den Geburtskanal vielleicht mal zu ganz anderen Mitteln greifen? „Glückwunsch für alles, was sie tun, Herr Premier!“ „Erfolg in allem, was Sie sich vornehmen, ich unterstütze Sie!“ „Nicht aufgeben, der Platz im Schengen-Raum steht uns zu! Alles Gute, Herr Ciuc²!!“ So trieft der Honig aus dem Internet. Gefälscht noch dazu! Schleichwerbung für Ciuc² – oder die perfekte Diskreditierung?