Das weniger bekannte Portugal

Eindrücke aus der wunderschönen Bergregion an der Grenze zu Spanien

Chapelle das Almas oder Kapelle der Hl. Katharina | Fotos: die Verfasserin

Historischer Ortskern von Melgaco

Der Pincho-Wasserfall

Ein Wanderweg entlang von Weingärten

Nach Montaria wäre ich nie im Leben gelangt, hätten sich ein Cousin und seine Frau nicht dort ein Ferienhaus gekauft, um als junge Rentner dem Wander- oder Dorftourismus zu frönen. Und dabei in wunderschöner und gesunder Umgebung zu leben. Der Ort liegt im bergigen Nordwesten Portugals an der Grenze zu Spanien sowie zwölf Kilometer Luftlinie zum Atlantik entfernt. Auf unseren Ausflügen guckten wir ins Nachbarland rüber und erblickten den Ozean, in den wir uns bei einem der Strandbesuche auch – trotz der geschätzten 15 Grad Wassertemperatur – eintunkten. Die Gegend mit üppiger, farbenprächtiger Vegetation, Bächen und Flüssen, die Wasserfälle oder kleine Stauseen bilden, vielen Weinbergen, kleinen und größeren Ortschaften eignet sich dank zahlreicher markierter Wege zum Wandern und Verweilen. Wird es mal langweilig auf dem Dorf und in der Natur, können die Großstädte Porto (ca. 90 Kilometer Luftlinie) oder Braga (ca. 60 Kilometer entfernt) besichtigt werden. 

Ein Wanderweg führt am Tor des Anwesens unserer Gastgeber vorbei und den beschritten wir für einen ersten, ca. neun Kilometer langen Rundweg. Er führte an kleinen Orten und Weingärten entlang durch waldiges Gebiet, wo wir u. a. im vorigen Hochsommer abgebrannte Eukalyptuswäldchen sahen und uns an blühenden Trompetenbäumen und gelbleuchtendem Ginster erfreuten. Am Ancora-Fluss legten wir ebenso eine Pause ein wie am Pincho-Wasserfall und kehrten über bergauf- und -abführende Wege zurück. 

Eine zweite Wanderung machten wir rund um Sistelo, bekannt als kleines „portugiesisches Tibet“ dank der bepflanzten Terrassen. Der Ort am Rand des gebirgigen Nationalparks Peneda-Geres wurde 2017 unter die sieben schönsten Dörfer Portugals gewählt und ein Jahr später seine einzigartige Landschaft zum „Monumento Nacional“ erklärt. Dadurch stieg der Bekanntheitsgrad von Sistelo, doch trafen wir keine weiteren Wanderer an. Vermutlich hatte die Saison Anfang Mai noch nicht begonnen. Eine dritte Wanderung unternahmen wir zum Pena-Wasserfall. Auf Spaziergängen kamen wir sowohl an den Grenzfluss Minho, wo zum Teil Holzstege angelegt wurden, um die Natur zu schützen, als auch entlang des Flusses Lima. Wir befinden uns in der Serra D’Arga, einem maximal 825 Meter hohen Granitgebirge, das als einer der interessantesten Naturräume des portugiesischen Festlands gilt. Die Wanderwege und -möglichkeiten sind über mehrere Webseiten als auch Apps zu erfahren.

Montaria ist eines der sieben Dörfer in diesem Raum. In den Orten ist viel von den Traditionen und der herkömmlichen Lebensweise erhalten geblieben. Mitbekommen haben wir das laute Hupen des Fischers gegen acht Uhr morgens, der durch die Dörfer fährt und von der nächtlichen Beute frische Ware anbietet. Auf einem Sonntagsmarkt kauften wir Maisbrot und Maiskuchen. Der Mais wird in steinernen – die neueren aus Ziegeln – „Espigueiros“, Maisspeichern (rumänisch „coșer”), aufbewahrt. 24 uralte stehen auf einer Anhöhe in Soajo. Zum Mahlen werden weiterhin Wassermühlen genutzt. Zu den traditionellen Festen und Prozessionen versammeln sich insbesondere im Sommer auch mehrere tausend Personen, darunter auch die „Heimatbesucher“, die ansonsten vor allem in Luxemburg oder Frankreich arbeiten. Begeistert haben uns die traditionellen, schmucklosen, kleinen Steinbauten, denen die Architektur der Neubauten gottseidank angepasst worden ist. 

Am Nordrand des Naturparadieses gibt es kleine Städtchen mit Befestigungsanlagen – gegen die vormals eroberungsfreudigen Spanier. Die Überreste der Gräben und Mauern um die Burg von Valenca sind deutlich zu erkennen, die Burg ist bewohnt, erinnert an Schäßburg/Sighișoara und ist ebenso verkitscht und touristisch missbraucht. Am Grenzfluss Minho liegt Moncao, das das Stadtrecht 1261 erhielt. Unweit befindet sich Melgaco, das um 1170 entstand, doch sind in seiner Gegend auch Spuren vorgeschichtlicher Besiedlung gefunden worden und es gibt sogar aus römischer Zeit erhaltene Brücken. Der historische Ortskern mit seinen mittelalterlichen Gassen, Kirchen und Gebäuden sowie einer Burgruine steht unter Denkmalschutz. In Melgaco gibt es ein Museum, das sich der Geschichte des Grenzschmuggels widmet sowie ein Filmmuseum und Filmfestival.   

Abends kehrten wir im ebenfalls mittelalterlichen Kleinstädtchen Caminha ein. Es liegt am Unterlauf des Minho, der hier ein Ästuar (eine Bucht) an der Mündung in den Atlantik bildet, so dass Ebbe und Flut deutlich festzustellen sind. Aus Caminha setzte eine Fähre Pilger auf dem Jakobsweg ans spanische Ufer hinüber; da sie seit über einem Jahr kaputt ist, werden rund um die Uhr Bootstaxis angeboten. Das kühle Bad im Ozean nahmen wir am Afife-Sandstrand von Vila Praia de Ancora, ein Ort, der sich vom Fischerhafen bis zur Mündung des Flüsschens Ancora erstreckt. Faszinierend sind die Sandvegetation am Rand des Strandes aber auch die Gebilde aus vulkanischem Gestein am Meeresufer. 

In der Gegend gibt es auch schöne Großstädte: Braga hat sich dazu in letzter Zeit entwickelt dank massiven Investitionen in Technologie und Ausbau der Universität – zuvor galt es vor allem als religiöses Zentrum des Landes. Die erste Kathedrale wurde 1089 gebaut, kurz nach der Jahrtausendwende war die Stadt Bischofssitz und soll auch heute über die höchste Dichte an Kultstätten im Land verfügen. Auf unserem Rundgang haben wir u. a. die Misericordia-Kirche besichtigt, im Santa-Barbara-Garten die Ruine des alten Bischofspalastes gesehen und sind durch das neue Stadttor geschritten. Einen Besuch wert ist der Wallfahrtsort Bom Jesus do Monte hoch über der Stadt gelegen, eine Anlage, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Den „heiligen Weg“, die 577 Stufen der Steintreppe zur Kirche hoch, die den Aufstieg in den Himmel symbolisieren, haben wir nicht beschritten (es gibt auch andere Möglichkeiten, dort hin zu gelangen), uns aber das schöne Bauwerk, die von Wasser betriebene Zahnradbahn und den riesigen Park mit Kinderspielplatz und Paddel-See angesehen. 

Der An- und Abflug nach Montaria erfolgte über Porto. Es war der Anlass, um die Zitronen- und Orangenbäume vor der Haustür, die rot leuchtenden Flaschen- (oder Zylinder-) Putzer- sowie Strelizia-Sträucher und Wanderwege gegen die Touristenstadt zu tauschen. Auch hier gibt es eine Vielzahl an Kirchen und jeder Rundgang führt zur Kathedrale Sé auf einem der Hügel, besonders aber wirken die außen mit blauen Fliesen dekorierten Gotteshäuser. Ebenfalls mit Fliesen ausgestaltet ist der Sao-Bento-Bahnhof, an gefliesten Gehsteigen habe ich jedoch wesentlich weniger angetroffen als in Lissabon. Wie in der portugiesischen Hauptstadt, so sind auch in Porto in der historischen Altstadt enge Gässchen, viele Treppen und malerische Ecken mit farbenprächtigen Häusern, nur die Plastikblumen-Dekos zahlreicher Balkone sind schwer nachzuvollziehen. Auch hier fährt eine alte Straßenbahn, einen Blick von oben erhält man allerdings aus der Seilbahn in Gaia. Das ist die Stadt am gegenüberliegenden Ufer des Porto durchfließenden Douro, der hier in den Atlantik mündet, und das Zentrum der Portweinproduktion – also nicht etwa Porto! Nach Gaia gingen wir über die Dom-Luis-Brücke – doch gibt es unweit die Maria-Pia-Brücke von Gustave Eiffel, bei ihrer Eröffnung 1877 die größte Bogenbrücke der Welt. Am Flussufer befinden sich die alten Weinkeller, die besichtigt werden können, aber auch Bars und Restaurants und auf (geschätzten) je hundert Metern nachmittags Straßenmusiker. Das Douro-Ufer in Gaia und die historische Altstadt von Porto gehören ebenfalls dem Weltkulturerbe an. Als Ausgleich zum Wandern in der Natur durchaus empfehlenswert!