Ein anderer Michelsberger Spaziergang

Ein Dorf nahe Hermannstadt mit Überraschungen für Groß und Klein

Blick auf die Michelsberger Burg von der Terrasse des „Motzentors“

Der „Halbe Stein“ im Silberbachtal

Das „Motzentor“ bietet traditionelle rumänische Köstlichkeiten an.

Der großzügige Garten der „Casa Agora“

Der großzügige Garten der „Casa Agora“

Spiel und Spaß im Innenhof des Lokals „Motzentor“ | Fotos: Aurelia Brecht

Der Ort Michelsberg/Cisnădioara ist ein ganz besonderes Tor in die siebenbürgische Welt. Ob im Rahmen eines Urlaubs in Hermannstadt/Sibiu oder auf der Durchreise in Siebenbürgen, in diesem Dorf gibt es viele Entdeckungen zu machen: nicht nur akustische, wie in der bekannten Sommerkonzertreihe „Michelsberger Spaziergänge“, auch kulturell, historisch und kulinarisch. 

Etwa zehn Kilometer südlich von Hermannstadt und zwischen dem Götzenberg und der Anhöhe Katharinenwald gelegen, eignet sich der Ort ideal für einen Tages- oder Wochenendausflug oder einen längeren Urlaubsaufenthalt. Sattes Grün, dichter Wald, zaubrisches Licht und klare Luft laden zu Wanderungen im sagenumwobenen Silberbachtal ein. Von hier aus können die Orte Heltau/Cisnădie und Zoodt/Sadu oder auch das ASTRA-Freilichtmuseum besucht werden, in das im Jahr 2006 auch ein Haus aus Michelsberg versetzt wurde.

Die Bergkirche von Michelsberg

Schon bei der Anfahrt zum Dorf empfängt sie die Besucher als stolzes Wahrzeichen auf der Bergspitze thronend. Der romanischen Basilika, die vermutlich bereits Anfang des 13. Jahrhunderts erbaut wurde und lange Wallfahrtskirche war, haftet ein mystischer Reiz an. Sie ist neben der bischöflichen Kathedralkirche in Karlsburg/Alba Iulia, der Kirche in Mönchsdorf/Herina und der Bergkirche in Urwegen/Gârbova eine der wenigen romanischen Kirchen, die in Siebenbürgen ohne einschneidende Veränderungen erhalten sind. Besonders sehenswert ist das mit Ornamenten geschmückte Westportal. Erst vor Kurzem feierte man in Michelsberg das 800-jährige Bestehen der Bergkirche: Auf das Jahr 1223 geht die erste urkundliche Erwähnung zurück. Dort bestätigt König Andreas II. die Schenkung Michelsbergs an die Zisterzienserabtei in Kerz/Cârța, die der wallonische Geistliche Gocelinus vollzogen hat.

Bis heute finden in der Michelsberger Bergkirche auch Gottesdienste statt: regelmäßig am zweiten Weihnachtsfeiertag und an Epiphanias. Zum ersten Mai findet das Maisingen in Verbindung mit einem Gottesdienst und einem anschließenden Frühstück statt. Am Ostermontag wird neben einem Gottesdienst die siebenbürgisch-sächsische Tradition des „Eierschippelns“ gepflegt. Auch für kulturelle Veranstaltungen bietet die Burg Raum: So finden hier ein Mittelalterfestival, Veranstaltungen im Rahmen des Internationalen Theaterfestivals von Hermannstadt (FITS) und im Sommer die bereits seit fast zwei Jahrzehnten etablierte Konzertreihe „Michelsberger Spaziergänge“ statt. All diese Veranstaltungen bieten die Möglichkeit, die Burg in einer besonderen Atmosphäre zu erleben.

Das Silberbachtal – Auftanken in der Natur

Am Silberbach entlang kann man am Dorfrand Richtung Westen eine Wanderung durchs Tal unternehmen. Auf dem Weg können Wanderer zur Linken ein Naturmonument, den sogenannten „Halben Stein“ entdecken – ein Kalkstein aus der Kreidezeit, der wegen seiner markanten Form auch der „Froschstein“/„Piatra Broaștei“ genannt wird und auf dem es noch Fossilien zu entdecken gibt. Wer sich vorbereiten möchte oder einen längeren Aufenthalt plant, sollte sich als entspannende Sommerlektüre den Roman von Iris Wolff „Halber Stein“ einpacken.

Geheimer Garten mit unwiderstehlichem Flair

Im Zentrum des Dorfes befindet sich das Gästehaus „Casa Agora“, das eine Oase für Gäste aller Generationen bietet. Insgesamt zwei Gästehäuser, die „Casa Agora“ und das dazugehörige Haus „Casa Paulini“, in dem man sich selbst versorgen kann, laden Gäste in liebevoll eingerichteten Zimmern und Appartements zum Verweilen ein. Altes und Neues stehen hier stilistisch nebeneinander, treten in Dialog. Kulturelles, künstlerisches und religiöses Erbe der Siebenbürger Sachsen atmen in den Räumen und verleihen den Zimmern ein ganz besonderes Ambiente. In jedem Raum herrscht ein Thema vor – Elemente aus der Natur sind bewusst in die Einrichtung integriert.

In diesem Haus der evangelischen Kirchengemeinde stehen Familien mit kleinen Kindern im Mittelpunkt: Der große und weitläufig angelegte Garten bietet ausgiebig Raum zum Spielen und lädt Groß und Klein zum Träumen ein. Der Garten, wild und phantasievoll gestaltet, wurde nach Plänen aus Kinderhänden angelegt. Mit Tannenzapfen, Moos und Holz bauten die Kinder in einem Workshop den Garten ihrer Träume: Die durch Sonnensegel überdachte Klettermöglichkeiten, die Holzhäuschen, Pflanzentunnel, und der Teich mit kleinem Steg bieten ausreichend Platz zum freien Spiel.

Im Sommer bietet die „Casa Agora“ einen Monat lang ein Sommerprogramm für Kinder an: Die „Scola Agora“ führt die Kinder spielerisch an verschiedene Handwerke und Berufe heran. Im Rahmen verschiedener „Ateliers“ werden Fertigkeiten zu Themen wie „Architektur“, „Kochen“, „Nähen“ oder „Schauspiel“ oder auch Wissen zu Heilpflanzen oder zur Bienenzucht vermittelt. Am Wochenende können Touristen auf Kurzbesuch die Terrasse zu einem Frühstück oder zu einem Kaffeetrinken mit Hanklich oder hausgemachter Quiche nutzen und dabei den Blick auf die Michelsberger Burg genießen. 

Rustikale Küche in familiärer Atmosphäre

Ein Geheimtipp in Michelsberg ist das „Motzentor“/„Poarta Moțului“, das im Dezember 2020 eröffnet wurde: ein kleines Lokal, ein Familienbetrieb mit Innen- und Außenbereich mit zwei Terrassen. Im liebevoll eingerichteten Innenhof ist auch ein Kinderspielplatz mit diversen Spielgeräten und einem Trampolin zu finden. Von der Terrasse bietet sich ein besonders schöner Ausblick auf die Michelsberger Burg und die Fogarascher Berge.

Auf der Speisekarte stehen neben Fettbrot mit Zwiebeln, Zacusca oder „salată de boeuf“, rustikale Gerichte wie Rippchen, Schweinefleisch-Eintopf mit Oliven oder eine Pastete aus Bergkäse und Dill. Die Speisekarte variiert und bietet immer neue Gerichte an – auch das legendäre „Zoodter Bier“/„Bere Sadu“, dessen Produktion im Jahr 2019 durch einen Hermannstädter Kleinunternehmer wieder aufgenommen wurde, steht hier auf der Getränkekarte.

Meist hat das „Motzentor“ zwischen 13 und 21 Uhr geöffnet. Es empfiehlt sich, an diesem besonderen Ort vorab einen Tisch zu reservieren; das Restaurant bietet seine Speisen aber auch zum Mitnehmen an. Auf der Facebook-Seite sind die jeweiligen aktuellen Öffnungszeiten mit aktualisierter Speisekarte zu finden. An diesem Wochenende, vom 26. bis 27. August, öffnet das Lokal erneut seine Tore.

Wer nach einer Stärkung noch etwas unternehmen möchte, hat zahlreiche Möglichkeiten. Der Götzenberg, Mehlseifen oder der Rosengarten sind seit jeher bei Michelsbergern und Heltauern beliebte Ausflugsziele: Ein Aufstieg lohnt sich allemal.