Faszinierendes dunkles Wien

Zu Besuch im Kriminalmuseum der Donaustadt

Das Wiener Kriminalmuseum in der Leopoldstadt. Fotos: der Verfasser

Der mumifizierte Kopf eines Hingerichteten aus dem 18. Jahrhundert

Der beste Freund des Menschen hilft auch der Wiener Polizei.

Farbtafeln illustrieren Gewalttaten von einst.

Zum neunten Mal in Folge wurde Wien in diesem Jahr zur weltweit führenden Stadt in Bezug auf die Lebensqualität erklärt. Die Hauptstadt Österreichs übt auch auf Touristen eine ungemindert andauernde Anziehungskraft aus. Im Vorjahr waren es über sieben Millionen Gäste, die Wien besuchten, was eine Übernachtungsanzahl von 15,51 Millionen mit sich brachte. Auf der Top-Liste der Wiener Sehenswürdigkeiten stehen: Schloss Schönbrunn, der Stephansdom, der Prater, der Rathausplatz, Schloss Belvedere. Wien ist nicht nur als Musikstadt, als Kongresszentrum, für seine Museen, für die hervorragenden touristischen Dienstleistungen und die Vielseitigkeit des Freizeitangebotes bekannt. Selbst die „dunkle Seite“ Wiens wird noch touristisch gestaltet: von den Kanälen als Drehort des Kultfilmes „Der dritte Mann“ bis hin zu Gruften, Geistern und Vampiren.

„Spooky Vienna“ heißt eine der zahlreichen Führungen, die in Wien angeboten werden. Die Wiener Mordaffären konnten darin auch nicht beiseite gelassen werden.

Der Wunsch des Kaisers wurde zum Befehl

Das Wiener Kriminalmuseum im Bezirk Leopoldstadt (Große Sperlgasse 24) ist ein Beispiel, wie jenseits von Sensationellem und Schaurigem, was ja stets mit Mordtaten und Hinrichtungen in Verbindung gebracht wird, ein Bereich der Stadtgeschichte illustriert werden kann. Denn die Schilderung von Gewaltverbrechen durch lebensgroße Figuren, das Ausstellen von Tatwaffen, Folterinstrumenten, Zeichnungen und später Fotos vom Tatort geben auch Aufschluss über Lebensumstände und Zeitgeist der jeweiligen historischen Periode. Dass dabei auch das Skelett einer Mörderin zur Schau gestellt wird oder der mumifizierte Schädel eines Hingerichteten, kann zu kontroversen Stellungnahmen führen. Das Museum selbst setzt keine Altersgrenzen für Besucher fest, empfiehlt jedoch ein Mindestalter von zwölf Jahren. Für Leute mit empfindlichem Gemüt ist es mit Sicherheit besser, so einer Schau fern zu bleiben.

Aufschlussreich ist dieses Museum auch für den Einblick, den es in die Polizei- und Kriminalgeschichte Wiens ermöglicht, wie auch in die Polizeiarbeit von einst und heute.
Von den Erfolgen der Wiener Polizei waren auch Kaiser Franz Josef sowie die zahlreichen Besucher beeindruckt, als sie 1898 anlässlich des 50. Regierungsjubiläums des Kaisers im Rotundengelände eine Leistungsschau aller Lebensbereiche Österreich-Ungarns besichtigen konnten. Der Kaiser bedauerte, dass nach Abschluss dieser Veranstaltung die der Polizei gewidmete Ausstellung nicht mehr öffentlich zugänglich sein werde. Das war der Ausgangspunkt für die Ausarbeitung eines „Statuts für die Errichtung des k.k. Polizeimuseums Wien“ - der Vorläufer des heutigen Museums. Es ist in einem historischen Haus („Seifensiederhaus“) untergebracht, das im 17. Jahrhundert als Gemeindehaus des jüdischen Ghettos diente. Mit dem „Pawlatschenhof“ im Innenbereich stellt es ein wahres Baujuwel dar. Eröffnet wurde das Museum am 8. November 1991.

Eine gruselige Galerie

Vorläufer der Polizei waren in Wien die Stadtguardia und die Rumorwache. Später wurden diese durch die k.k. Militärpolizeiwache mit dem charakteristischen grünen Tschako (militärische Kopfbedeckung) ersetzt. Interessant ist, dass uniformierte Wachmänner in Wien als Weltstadt auch den zahlreichen Ortsunkundigen auf den Straßen und Plätzen der Großstadt helfen sollten. Deshalb wurde erwartet, dass sie neben Ortskenntnis zumindest ansatz-weise die wichtigsten Sprachen der Monarchie beherrschten.

Einem der ältesten Kriminalfälle (1665) kommt eine besondere Bedeutung zu. Damals wurden die zerstückelten Teile einer Mädchenleiche aufgefunden. Sie wurden zusammengestellt und öffentlich bei der Schranne am Hohen Markt ausgestellt, in der Hoffnung, so die Identität der Ermordeten zu klären und dadurch auch dem Täter auf die Spur zu kommen. Es war das erste Mal, dass die Ordnungshüter an die Mithilfe der Bevölkerung appellierten – leider erfolglos, denn der Fall blieb ungeklärt.

Für die Wiener waren die öffentlichen Hinrichtungen oft ein Spektakel, das sogar, laut Schilderungen und Illustrationen, einem Volksfest ähnelte. Die aufwändige Exekution am Galgen der ersten (und einzigen) Frau in Wien im Jahr 1809 soll mit „Galgenbier“ und „Arme-Sünder-Würstel“ verfolgt worden sein. Es handelte sich um die schöne Theresia Kandl, die ihren Mann mit einer Hacke im Schlaf erschlagen hatte und dann den schweren Leichnam in einem Holzgefäß verpackt und in einer weit entfernten Straße abgelegt hatte. „Die schöne Resi“ hatte es nicht mehr ausgehalten, von ihrem Mann verprügelt zu werden und hatte zudem auch einen Liebhaber. Ihre Geschichte endet aber nicht mit dem Tod am Galgen. Ihr Skelett wurde heimlich ausgegraben und an einen Arzt verkauft, der es konservierte. Auf Umwegen gelangte es schließlich ins Kriminalmuseum, wo es zu einem der spektakulärsten Exponate wurde. In Erinnerung an Theresia Kandl wurde bereits kurze Zeit nach ihrem gewaltsamen Tod eine heute denkmalgeschützte Kapelle errichtet!

Andere Höhepunkte des in den 20 Räumen ausgestellten Mosaiks aus dem Verbrechermilieu Wiens in den letzten rund 300 Jahren sollen hier nur kurz genannt werden: das Attentat des ungarischen Schneidergesellen János Libényi auf Kaiser Franz Josef im Jahr 1853, als der kaiserliche Adjutant Maximilian Graf O‘Donell dessen Leben retten konnte, wobei die mit dem Blut des Kaisers befleckten Handschuhe des Grafen in einer Schatulle zu sehen sind; die Affäre um die Giftmörderin Julie von Ebergenyi; der mazerierte Schädel des hingerichteten Hugo Schenk, der vier Dienstmädchen umgebracht hatte; der makabre Fall der Maria Bartunek, die einer Näherin versprochen hatte, sie von ihrem Buckel durch Wunderheilmittel zu befreien, wofür ihr Opfer sämtliche Ersparnisse zahlte und schließlich sogar ihr Leben verlor, als die Betrügerin unter Zugzwang geriet. Aus der jüngeren Kriminalgeschichte fällt der Fall Jack Unterweger auf: Der wegen Mordes zunächst zu lebenslanger Haft Verurteilte beginnt im Knast eine erfolgreiche Schriftstellerkarriere und wird nach 16 Jahren begnadigt, um nachher weitere Morde (auch außerhalb Österreichs) zu begehen. Nach einer erneuten Verurteilung begeht er Selbstmord, so dass das Urteil nicht rechtskräftig ist und Unterweger nur als „mutmaßlicher Serienmörder“ gilt.

Der letzte Raum des Museums ist der Todesstrafe in Österreich gewidmet. Man sieht unter Anderem auch den Würgegalgen, der bis 1950, als die Todesstrafe abgeschafft wurde, noch verwendet wurde. Zwischen 1945 und 1950 starben in Wien noch 31 Menschen am Galgen. Während der Nazi-Herrschaft waren es über 1000. Dafür wurde das Gerät „F“ benutzt (ein Fallbeil als perfektionierte Guillotine) - ein Import aus der Berliner Strafvollzuganstalt „Tegel“, in den ausgestellten Frachtpapieren als „Maschinenteile“ ausgewiesen.
Mit einem mulmigen Gefühl verlasse ich das Museum. Unterhaltung und Entspannung sind dort nicht angesagt. Diese sind andernorts in Wien leicht zu finden. Die „mörderischen Grüße“ (Kriminalmuseum-Eigenwerbung) vermitteln aber ein einprägsames Bild im Wiener Museums-Kaleidoskop.

 

Das „Wiener Kriminalmuseum“ ist mittwochs bis einschließlich sonntags zwischen 10 und 17 Uhr geöffnet. Eine Eintrittskarte kostet sechs Euro. Am leichtesten erreichbar ist es über die U2 (Station Taborstraße), die U4 (Station Schottenring) oder mit der Straßenbahn 2 (Station Taborstraße/Karmeliterplatz).