Im Herzen Europas

Luxemburg – ein winziges Land mit viel Persönlichkeit

Luxemburg-Panorama mit der Abtei Neumünster im Vordergrund.

Die Abgeordnetenkammer und weiter links das Großherzogliche Palais

Die Burganlage Vianden

Die Feldmaus Ketti, eine bekannte Figur aus dem Werk von Auguste Liesch, in ihrem Zuhause in Burmerange (Boermereng) - hierher kehrt sie zurück nach einem Besuch bei ihrer reichen Cousine Mim in Luxemburg Stadt, wo sie merkt, wie gefährlich das urbane Leben sein kann. Sie ist auch heute in Burmerange zu sehen, denn sie will lieber ein einfaches Leben führen, als im Überfluss, aber dafür in täglicher Angst.
Fotos: Christine Chiriac

Mit einer Einwohnerzahl von etwas mehr als 510.000 und einer Fläche von 2586 Quadratkilometern ist Luxemburg eins der kleinsten Länder der Erde und das zweitkleinste Mitglied der Europäischen Union. Lëtzebuerg liegt am Kreuzungspunkt der romanischen und germanischen Welt und ist das einzige heute noch bestehende Großherzogtum. Zudem ist es das wohlhabendste Land der EU und hat das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf weltweit.

Was ist „typisch Luxemburg“ oder „tippësch Lëtzebuerg“?

Erst einmal der Wahlspruch „Mir wëlle bleiwe wat mir sinn“ („Wir wollen bleiben, was wir sind“). Die Ähnlichkeit zur siebenbürgisch-sächsischen Mundart ist bereits in diesem einen Satz erstaunlich: Siebenbürger Sachsen werden als Touristen in Luxemburg gewiss kein Wörterbuch brauchen!

Zur spezifischen luxemburgischen Wirtschaftslandschaft gehören große Industriegelände. Das Eisenerzvorkommen hat das kleine Land dazu berufen, im 19. Jahrhundert zur Industrienation zu werden. Durch den 1911 gegründeten Stahlkonzern „Arbed“, heute „Arcelor-Mittal“, belegte Luxemburg bereits 1927 den siebten Weltrang der Stahlproduzenten.

Dass es auch viel Arbeit gekostet hat, ist vor allem im Süden des Landes zu sehen, wo zahlreiche ehemalige Bergwerke und Fabriken stehen. Heute ist Luxemburg ein wichtiges Finanzzentrum, im Wettkampf mit Weltmetropolen wie London, Zürich, Hongkong oder Singapur. Das Großherzogtum gilt auch als Inbegriff für das moderne Europa, denn es zählt zu den Gründungsmitgliedern der EU. Luxemburg Stadt ist u. a. der Sitz des Europäischen Gerichtshofs, des Europäischen Rechnungshofs, des Sekretariats des Europäischen Parlaments und Tagungsort des Ministerrates.

Noch wichtiger sind in diesem Sinne die vorgelebten europäischen Werte, für welche die Luxemburger im Jahre 1986 mit dem Karlspreis der Stadt Aachen ausgezeichnet worden sind. Die Medaille trägt die Inschrift: „Das Volk Luxemburgs, Vorbild der Beharrlichkeit auf dem Weg zur Einheit Europas.“

Typisch ist auch die Mehrsprachigkeit: 1984 genehmigte die Regierung das dreisprachige System, sodass neben den Amtssprachen Französisch und Deutsch auch Lëtzebuergesch, eine moselfränkische Mundart mit französischen Lehnwörtern, als Nationalsprache anerkannt wurde. Vor Gericht etwa soll laut Internet-Reiseportalen eine lustige Situation bestehen, wenn Luxemburgisch gesprochen wird, die Sitzungsprotokolle auf Deutsch erstellt und die Gesetzestexte auf Französisch zitiert werden.

Selbstverständlich nutzen auch viele Einwanderer die Mehrsprachigkeit zu ihrem Vorteil: 45 Prozent der Bevölkerung Luxemburgs sind Ausländer.
Kultureller Reichtum und Vielfalt machten aus der Stadt Luxemburg in den Jahren 1995 und 2007 (damals mit Hermannstadt/Sibiu) die Kulturhauptstadt Europas.

Dabei ist im ganzen Land vorzüglich nicht nur für das geistige, sondern auch für das leibliche Wohl gesorgt: Beliebte landestypische Gerichte sind „Judd mat Gaardebounen“ (geräuchertes Schweinefleisch mit Bohnen), Desserts wie die „Quetschentaart“ (Zwetschgen-Tarte) oder Spezialitäten wie der „Kachkéis“ (gekochter Käse) und selbstverständlich die raffinierten Weine der luxemburgischen Mosel.

Sehenswürdigkeiten in Luxemburg Stadt

Die Luxemburger Altstadt, schon im Jahre 963 durch Graf Siegfried gegründet, gehört seit 1994 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Die touristische Attraktion Nummer Eins ist das riesige unterirdische Kasemattensystem: In den mehrstöckigen Gängen und Kammern tief im Fels konnten sich früher Tausende Soldaten zurückziehen.

Die Festung galt als eine der stärksten Europas und erhielt den Beinamen „Gibraltar des Nordens“. Sie kann von oben von mehreren Aussichtsplattformen gesehen werden, noch empfehlenswerter ist ein langer Spaziergang unten durch das Petruss-Tal oder eine Rundfahrt mit einem der bunten Touristenzüge. In Clausen, einer der „Unterstädte“, befindet sich das Geburtshaus Robert Schumans, der 1950 den Plan zur europäischen Zusammenarbeit in der Stahl- und Kohlenindustrie und somit die Grundlage zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vorstellte.

In der Oberstadt ist die wunderschöne katholische Kathedrale Notre-Dame zu sehen, die ihren Ursprung in einer Jesuitenkirche hat und 1870 vom Papst zur „Kathedrale unserer lieben Frau“ erhoben wurde. Das ursprüngliche Bauwerk mit Renaissance-Verzierungen gehört zur Spätgotik und wurde in der Zwischenkriegszeit erweitert.

Unweit gelegen ist das Mahnmal „Gëlle Fra“ („Goldene Frau“), ein Obelisk zum Andenken an die Gefallenen der beiden Weltkriege und des Koreakriegs. Zur Kirchenlandschaft Luxemburgs gehört auch die Protestantische Kirche („Protestantesch Kierch vu Lëtzebuerg“). Da die Reformation im Land nie Fuß gefasst hat, geht der Ursprung der Kirche auf den Wiener Kongress (1815) zurück, als die Dreifaltigkeitskirche der preußischen Garnison für den evangelischen Gottesdienst überlassen wurde.

Die „politische“ Altstadt ist geprägt vom Großherzoglichen Palais. Eindrucksvoll sind die Renaissance-Fassade mit ihren zwei Türmen und die maurischen Ornamente.

Reich ist Luxemburg auch an Museen: Das „MUDAM“ oder Museum für moderne Kunst „Großherzog Jean“ ist auch architektonisch sehenswert – es wurde nach Plänen von Ieoh Ming Pei, dem Schöpfer der Louvre-Pyramide, gebaut. Das Fort Thüngen (auf Luxemburgisch „Dräi Eechelen“, „Drei Eicheln“), das Nationalmuseum für Geschichte und Kunst – mit unterirdischen Räumen und Felsen, die durch die Glaswände in die Ausstellungsfläche einbezogen sind, das Museum für die Stadtgeschichte Luxemburgs, das Forum für zeitgenössische Kunst oder das Naturhistorische Museum ergänzen das Angebot der Stadt.

Das Plateau Kirchberg ist der modernste Stadtteil, wo der Finanzsektor und die Institutionen der EU angesiedelt sind. Hier steht auch das neue Gebäude der Philharmonie. Nicht nur klassische Musik hat einen hohen Stellenwert im luxemburgischen Kulturleben – was man an den hochkarätigen Konzertprogrammen des Philharmonischen Orchesters bemerken kann, sondern auch Theater: Besonders geschätzt sind in der Hauptstadt das Stadttheater und das Kapuzinertheater. 

Unterwegs im kleinen Land: Schlösser und Bergwerke

Der Norden Luxemburgs, Teil der Ardennen, wird Ösling genannt und ist landschaftlich von ruhigen Hügeln und Wäldern geprägt. Im Süden liegt das Gutland, das eine höhere Bevölkerungs- und Industriedichte als das Ösling aufweist. Wichtige Flüsse des Landes sind die Mosel, die Sauer, die Our und die Alzette.

Wer an Perlen der Architektur interessiert ist, sollte eine Rundfahrt zu den wichtigsten Schlössern Luxemburgs unternehmen. Das Top-Beispiel, die kunsthistorisch besonders wertvolle Burganlage von Vianden (luxemburgisch: „Veinen“), wurde vom 12. bis 17. Jahrhundert in Schichten gebaut und nach dem Krieg von Grund auf restauriert.

Außerdem sind Bourscheid (Buerschent), Wiltz (Wolz) mit dem bekannten Musik- und Kunstfestival, Esch-sur-Sûre (Esch-Sauer), Larochette (Fiels) oder Beaufort (Beefort) sehenswert. In Clervaux (Klierf) befindet sich die Fotoausstellung „The Family of Man“ von Edward Steichen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Zudem beherbergt das Schloss zwei weitere Dauerausstellungen: das Modellenmuseum luxemburgischer Schlösser und das Museum der Ardennenoffensive.

In Echternach, im Nordosten, gründete der heilige Willibrord im 7. Jahrhundert eine  Benediktinerabtei, die sich später zu einer wichtigen Pilgerstätte entwickelte. Ab dem 8. Jahrhundert wurde hier ein eigenes Skriptorium geführt – im Museum können Faksimile der schönsten Handschriften bestaunt werden. Das große jährliche Event in Echternach ist die Springprozession am Pfingstdienstag, ein weiterer Kandidat für die Liste des Welterbes.

Im Süden Luxemburgs, genannt Minett oder „Rote Erde“, kann man den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes näher kennenlernen, indem man die alten Fabrikhallen der „Arbed“ in Düdelingen oder das Nationale Erzgrubenmuseum in Rümelingen besucht – professionelle Führungen im Bergwerk vermitteln Informationen über den Alltag der Arbeiter, während die ausgestellten Werkzeuge und Maschinen von der rapiden technischen Entwicklung zeugen. Beeindruckend im unweit gelegenen Esch an der Alzette ist das Gelände Belval: Anstelle geschlossener Hüttenwerke sind Banken, Universitätsgebäude, Konzerthallen (die „Rockhal“ mit 6500 Plätzen), Wohnungen und Geschäftsflächen („Belval Plaza“) entstanden – kurzum eine hochmoderne europäische Stadt.

Und zum Abschluss (des Artikels, nicht der Rundfahrt!) lohnt sich noch ein Einblick in ein wunderschönes kleines Winzerdorf an der Mosel: Schengen, am Dreiländereck Luxemburg-Deutschland-Frankreich gelegen, hat die europäische Zeitgeschichte geprägt. Hier befindet sich das Europäische Museum, welches 25 Jahre nach der Unterzeichnung der Schengenabkommen (1985) eingeweiht wurde und das „berühmteste Dorf der Welt“ als Symbol für ein grenzenloses Europa dokumentiert.