Mit dem Fiaker durch die Wiener Altstadt

Sightseeing mit Flair aus einem neuen Blickwinkel

Am Stephansplatz vor dem Dom warten zahlreiche Fiaker auf Kundschaft.

Auch für eine Schmuseeinlage für die fleißigen Pferde war noch Zeit.

Touristen warten am Eingang des Café Central auf Einlass.

Vor dem Eingang der Hofburg am Michaelerplatz bilden sich Touristenschlangen. | Fotos: Arthur Glaser

Sie gehören zu Wien wie der Stephansdom und die Hofburg: die Fiaker-Kutschen. Und sie sind in Wien nicht nur bei Touristen beliebt. Die schön anzuschauenden Pferde mit ihren oft elegant gekleideten Kutscherinnen und Kutschern prägen das Bild in zahlreichen Bezirken der österreichischen Hauptstadt. Einen gemütlicheren und geschmackvolleren Weg, die Prachtbauten und historischen Bauwerke Wiens zu erkunden, gibt es fast nicht.

Der Begriff Fiaker leitet sich ursprünglich vom Französischen ab und bezieht sich auf den einstigen Lohnkutschen-Standplatz in der Pariser Rue de Saint Fiacre. Im Jahre 1720 wurden die in Wien bis dahin „Janschky“-Wagen genannten Kutschen in „Fiaker“ umbenannt. Über ein Jahrhundert später, zwischen 1860 und 1900, waren mehr als 1000 Fiaker in Wien unterwegs. Die Kutscher waren oft stadtbekannte Originale, die zuweilen auch mit Gesangseinlagen glänzten.

Seitdem ist der Fiaker als städtisches Kulturgut nicht mehr wegzudenken. Bei den heutigen Fiaker-Unternehmen Wiens kann man zahlreiche Fahrten im Voraus oder auch spontan buchen. Die Kutschfahrten variieren von romantisch bis be-sonders informativ, von der kleinen bis zur großen Runde.

Die kleine Rundfahrt (ca. 20 Minuten) führt durch den inneren Kern der Altstadt. Die größere Rundfahrt (etwa 40 Minuten) geht über die Ringstraße durch die Altstadt. Zudem ist es möglich, individuell angepasste Rundfahrten direkt bei den Fiakerunternehmen zu buchen. 

Der Stephansplatz – ein guter Startpunkt

Fiakerstandplätze findet man in Wien an verschiedenen Orten. Dazu zählen der Michaelerplatz, der Albertina-Platz, der Petersplatz,das Burgtheater sowie das Schloss Schönbrunn. Be-sonders geeignet für den Start einer Fahrt im Fiaker zur Erkundung des Kerns der Innenstadt ist jedoch der Stephansplatz. Er liegt vor einem der Wahrzeichen Wiens, dem Stephansdom, und befindet sich zentral im historischen Stadtkern. Dort bieten auch zahlreiche Fiakerunternehmen unterschiedliche Fahrten an. Von hier aus kann man unabhängig davon, ob man die kurze oder die etwas längere Rundfahrt wählt, eine Vielzahl der Sehenswürdigkeiten der Wiener Altstadt entdecken.

Vom Bischofspalais zur ältesten Gaststätte

Kaum hat man es sich in der gepolsterten Kutsche bequem gemacht, manövriert der Kutscher den Fiaker vom Startpunkt in die Rotenturmstraße. Die engen Sträßchen und Gäßchen, umrahmt von vielen Prachtbauten, wirken beeindruckend. Die Fahrt in der Kutsche gibt einem das Gefühl einer Entschleunigung, obwohl man vom hektischen Treiben der Großstadt umgeben ist. Das Rollen der Kutschenräder, das Trappeln der Pferdehufe auf dem Asphalt verstärken dieses Gefühl. Der Fiaker passt sich dem Verkehr an. Mal geht es schneller, mal langsamer voran. Die Perspektive aus der Kutsche heraus eröffnet neue Blickwinkel. 

Entlang der Rotenturmstraße passieren wir das Erzbischöfliche Palais. Das ursprüngliche Gebäude stammt aus dem 13. Jahrhundert. Bei einem fürchterlichen Stadtbrand im Jahre 1627 wurde es vollends zerstört. In den darauffolgenden Jahren wurde es wieder aufgebaut und durch das heutige Palais ersetzt. Die Kellerräume des Gebäudekomplexes dienten während des Zweiten Weltkrieges als Luftschutzkeller. Das Palais fungiert heute auch als Residenz des Kardinals.

Über den Hohen Markt passieren wir sogleich eine wahre Attraktion: Die sogenannte „Ankeruhr“ zieht vor allem, wenn die Uhr zwölf schlägt, zahlreiche Touristen und Interessierte an. Im Verlauf von zwölf Stunden laufen zwölf Figuren bzw. Figurenpaare, die aus der Geschichte Wiens stammen, über die Brücke. Um 12 Uhr mittags paradieren dann mit musikalischer Begleitung alle diese Figuren. Im Advent erklingen außerdem täglich um 17 Uhr Weihnachtslieder. Eigentlich ist die Ankeruhr auch eine Brücke, welche die beiden Gebäude des Anker-Hofs verbindet. Der Name der berühmten Uhr stammt von der Versicherungsgesellschaft „Der Anker“, die die außergewöhnliche Konstruktion 1911 beim Künstler Franz Matsch beauftragte.

Weiter führt uns der Kutscher in die historische Straße „Tuchlauben“. Der Name leitet sich von den hier einst ansässigen Tuchhändlern und -schneidern ab, die ihre Waren in Lauben anboten. Von dort gelangen wir in eine weitere historische Gasse Wiens. Die Steindlgasse ist eng und kurz. Am Ende der Gasse kann man schon von Weitem den Chor der Kirche am Hof erkennen. Dort passieren wir die denkmalgeschützte Gösser Bierklinik. Es handelt sich dabei um eines der ältesten Wirts- und Gasthäuser der Stadt. Bereits zum Ende des 17. Jahrhunderts soll es hier eine Gaststätte gegeben haben. Den heutigen Namen bekam das Lokal nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, nachdem das Gebäude durch Bombardierung beschädigt wurde. Der Wirt, Hans Stiedl, und die Brauerei Gösser beteiligten sich am Wiederaufbau. Heute kann man dort zahlreiche Biere von Gösser, aber auch anderer Brauereien genießen. Ebenso werden diverse Spezialitäten der Wiener Küche angeboten.

Älteste Feuerwache, Kaffeehauskultur

Unser Kutscher lenkt die beiden schönen weißen Pferde mit speziellen Kommandos durch weitere Gassen, bis wir an einem der historisch bedeutendsten Plätze der Wiener Innenstadt angelangt sind. Der Platz „Am Hof“ soll bereits als Teil des römischen Heerlagers Vindobona, Sammelname für ein Legionslager auf dem heutigen Stadtgebiet, gedient haben. In der Mitte des Platzes ragt die Mariensäule empor. Die Säule wurde von Kaiser Ferdinand III. aus Dankbarkeit für die Rettung der Stadt vor einem schwedischen Heer 1645 gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges in Auftrag gegeben. Rechts vom Platz befindet sich das Feuerwehrmuseum. Das Gebäude gilt als Gründungsort für die älteste Feuerwache Wiens.

Über die Strauchgasse bewegt sich der Fiaker nun auf die Herrengasse zu, deren Verlauf auf die römische Limesstraße zurück geht. Auch hier reihen sich elegante Prachtgebäude aneinan-der. An der Ecke zum Übergang in die Herrengasse kommt man an einer Institution der Wiener Kaffeehauskultur vorbei.

Das Café Central gehört zu den wohl bekanntesten Kaffeehäusern. Es wurde 1876 im ehemaligen Bank- und Börsengebäude eröffnet. Heute wird es vor allem von Touristen frequentiert. Das Café profitiert nach wie vor von seiner literarisch geprägten Geschichte. Zahlreiche Intellektuelle und Literaten wie Sigmund Freud, Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Rudolf Musil und Stefan Zweig gehörten zu den Stammgästen des Lokals. Auch der russische Revolutionär Leo Trotzki besuchte das Café Central regelmäßig, während er in Wien lebte.

Die Herrengasse entlang rollen wir am Palais Modena vorbei. Der ursprünglich während des 17. Jahrhunderts im Renaissance-Stil errichtete Gebäudekomplex wurde durch diverse Umbauten zu einem klassizistischen Bau, der heute das Bundesministerium des Innern beherbergt.

Vom Michaelerplatz zu Mozarts Haus

Unser Fiaker bewegt sich schnell, aber gemütlich genug, um die Atmosphäre zu genießen, auf den Michaelerplatz zu. Der großzügig angelegte Platz erhielt seinen Namen von der angrenzenden Michaelerkirche. Bei der Einfahrt in den in kreisverkehrsartigen Platz kann man gleich mehrere Sehenswürdigkeiten erblicken, allen voran den Eingang zum mächtigen Prunkbau der Wiener Hofburg. Ebenso kann man einen Blick in die Hofstallungen der Spanischen Hofreitschule erhaschen, wenn man den Ausführungen des Kutschers aufmerksam lauscht. Die Hofburg diente den Habsburgern als Winterresidenz. Den Sommer verbrachten sie in Schönbrunn.

Nachdem wir den Ring des Michaelerplatzes verlassen haben, fahren wir über die Habsburgergasse zum Petersplatz. Auf dem Weg kreuzen wir den „Graben“, eine berühmte Prachtstraße und Einkaufsmeile Wiens, in deren Fußgängerzone man hervorragend flanieren kann. In der Mitte der Straße erkennt man auch eine im Barockstil errichtete Dreifaltigkeitssäule, – die Pestsäule. Sie wurde nach der schweren Pestepidemie von 1679, der tausende Wiener zum Opfer fielen, errichtet und im Jahre 1693 geweiht.

Kurz danach biegen die Pferde auch schon auf den Petersplatz ein. An dieser Stelle befand sich einst ein Friedhof, der im 13. Jahrhundert aufgelassen worden sein soll. Die Mitte des Platzes wird von der Barockkirche St. Peter mit ihrer türkisfarbigen Kuppel, auch als Peterskirche bekannt, vereinnahmt. Die Kirche ist in ihrem ursprünglichen Bestand eine der ältesten Kirchen Wiens. Der Legende nach wird die Peterskirche einer Gründung Karls des Großen zugeschrieben, wofür es allerdings keinerlei Belege gibt. Über zahlreiche Umbauarbeiten gelangte sie zu ihrer heutigen barocken Struktur.

Die Rundfahrt neigt sich langsam dem Ende zu. Weit umfahren wir noch den Stephansdom und kommen, bevor wir wieder am Ausgangspunkt anlangen, am einstigen Wohnhaus von Wolfgang Amadeus Mozart vorbei. Die einzige erhaltene Wohnung des weltberühmten Komponisten befindet sich in der Domgasse 5. In dieser Wohnung entstanden mehrere bedeutende Werke. Mozart wohnte hier von 1784 bis 1787. Das Haus fungiert heute als Museum. Auf über 1000 Quadratmetern Fläche kann man in die Welt Mozarts eintauchen.

Im Anschluss kommt der Fiaker am Stephansplatz zum Stehen. Eine interessante Erfahrung geht damit zu Ende. Eine Fiaker-Rundfahrt ist für zwei bis vier Personen geeignet – ob im romantischen Ambiente als Paar mit einem Glas Sekt oder auch für die ganze Familie –, die historischen Sehenswürdigkeiten Wiens aus einer besonderen Perspektive zu genießen.