Statt Massentourismus: Dorfromantik, Natur und Kultur

Hermannstädter Tourismus lockt selbst in pandemischen Zeiten mit vielfältigem Angebot

Zu seiner Sommerspielzeit lädt der Hermannstädter Kulturverein BIS bis Ende August ein (links). | Foto: bisteatru.ro

Die größte Wandmalerei in Hermannstadt erstellte die Sweet Damage Crew 2020 am Aurel-Vlaicu-Platz (rechts). | Foto: Funky Photography/Sergiu Pavălă

Auf dem Naturlehrpfad durch den Trăinei-Wald | Foto: My Transylvania

Die Tourismusbranche und die damit verbundenen Wirtschaftszweige zählen unweigerlich zu den Bereichen, die während der Corona-Pandemie am härtesten getroffen wurden. Die Ausgangssperren, die Reiseeinschränkungen, die allgemeine Ungewissheit und die Zurückhaltung, sich beispielsweise an meistens überfüllten Stränden aufzuhalten, haben die Urlaubsressorts und Ferienorte zu Wüsten werden lassen und Reise-, Flug- und Transportunternehmen sowie Hoteliers und Gastwirten das Tagesgeschäft genommen. Nachdem nun in den meisten Ländern weltweit die Corona-Impfung verfügbar ist und viele Bürger diese auch in Anspruch nehmen, kommt langsam auch in der Tourismusbranche wieder Hoffnung auf. Doch wird die Pandemie, den meisten Studien zufolge, für immer ändern, wie Anbieter und Touristen oder Geschäftsreisende die Themen rund um den Urlaub oder die Dienstreise angehen. 

Dabei ist bereits zu erkennen, dass die Zukunft des Tourismus zur Qualitätsfrage wird, die neue Schwerpunkte setzt und eine Neuerfindung der Angebote erfordert. Fachleuten im Tourismus zufolge – wie dem Wiener Zukunftsbüro GmbH oder dem Frankfurter Zukunftsinstitut – scheint der All-Inclusive Massentourismus nicht mehr im Vordergrund zu stehen. Die Urlauber haben ein schlagartiges Umdenken in der Branche bewirkt, denn durch die Reiseeinschränkungen und Lockdowns haben viele verstanden, wie wichtig ihnen Umweltschutz, die Interaktion mit Menschen, positives Empfinden und Nachhaltigkeit sind.

Weltweit ist die Urlaubssaison eingekehrt und man kann vielerorts feststellen, dass die Vorlieben der Reisenden verstärkt zugunsten der Anbieter umschwenken, die dem Bedürfnis nach Sicherheit und sozialer Distanzierung, Natur und Tätigkeiten im Freien sowie sinnvollen Erfahrungen gerecht werden. Weil sich die Bedürfnisse und Erwartungen der Reisenden während der Pandemie verändert haben, wird der Massentourismus für sie an Bedeutung verlieren, denn was gibt es da zu tun, außer stundenlang vom Strand zum Buffet zu pendeln und abends leichte Unterhaltung über sich ergehen zu lassen?

Eine neue Auffassung im Tourismus

Die Fachleute in der Tourismusbranche befassten sich mit der Zukunft des Massentourismus bereits vor der Pandemie, da dort ohnehin ein wesentlicher Wandel bevorzustehen schien. Damit verbunden waren der Vertrauens- und Imageverlust, der mit Insolvenzen begann und etablierte Reiseunternehmen wie Thomas Cook, eine 178 alte Reisegesellschaft, untergehen ließ.

Das Umdenken, das die Coronakrise erzwang, kam schlagartig und führte zu einer neuen Auffassung vom Tourismus, zu einer bewussteren Auswahl des Reiseortes entsprechend dem Angebot und der gebotenen Sicherheit. Dabei wird zunehmend von großen Ferienanlagen und Urlaubsresorts, die eine große Anzahl an Urlaubern auf engem Raum anziehen, abgesehen und auf den regionalen Tourismus umgelenkt, der mit den kurzen Wegen und der Naherholung ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.

In dieser Hinsicht eröffnet sich für den Tourismus in und um Hermannstadt/Sibiu eine wertvolle Chance, die Verluste einzudämmen und mittelfristig wieder auf Kurs zu kommen. Die Anbieter können einen Schwerpunkt auf den kleinen, sicheren und vielsagenden Tourismus legen, ihren Besuchern die Lokalkultur näherbringen und ihnen die Möglichkeit geben, sich und ihre Lieben oder Freunde besser kennnenzulernen oder wiederzuentdecken. In der Hermannstädter Region haben die Bewohner und die Touristen gleicherma-ßen die Gelegenheit, auf eine breite Palette an Tätigkeiten an der frischen Luft in relativer Nähe der Stadt zurückgreifen. Orte wie die Salzseen in Salzburg/Ocna Sibiului, die in den vergangenen Jahren umfassenden Modernisierungen unterzogen wurden oder die Arena Plato{ auf der Hohen Rinne/Păltiniș ziehen weiterhin zahlreiche Urlauber aus der Gegend an, doch auch kleinere Anbieter kommen mit Nischenangeboten auf ihre Kosten. Dabei haben sicherlich diejenigen am meisten zu gewinnen, die den neuesten Trend und die Vorliebe für den Aufenthalt im Freien verstanden haben und sich um Lösungen bemühen, die dieser Nachfrage gerecht werden. In der Stadt sind Straßencafes sehr gefragt, Parks und Grünanlagen, auch sind die in den vergangenen Jahren eingerichteten Sport- und Freizeitanlagen besser besucht als in vorpandemischen Zeiten.

Dorfbrunches in allen Regionen

Mit seinem Angebot an Veranstaltungen für ländliche Kultur und Gastronomie, welche die Entwicklung des ländlichen Gebietes durch das Bewerben der Erzeugnisse, Rezepte und der Lokalkultur unterstützt, überzeugt der Verein My Transylvania seit Jahren viele Besucher aus der Region und dem Ausland. Der Verein lädt mittlerweile in allen historischen Regionen des Landes dazu ein, das authentische Dorfleben zu entdecken, wo Land und Speisen den vermeintlichen Mangel an Komfort kompensieren. Die Veranstaltungen finden ausschließlich im Freien statt und beginnen je nach Art der Veranstaltung mit einem großzügigen Brunch mit lokalen Speisen und nichtalkoholischen Getränken um 11 Uhr. Zwischen 13 und 15 Uhr wird dann die Gelegenheit zu einem Spaziergang durch das Dorf geboten, bei dem Sehenwürdigkeiten des gebauten Kulturgutes oder die umliegende Landschaft entdeckt werden können. Ab 15 Uhr haben die kleinen und größen Besucher die Gelegenheit, Werkstätten zu besuchen, die einen Einblick in das Spezifikum des Ortes bieten und können sich bei der Herstellung der verschiedensten Lebensmittel, bei Handwerk oder Musik und Tanz versuchen.

Abenteuer-Naturlehrpfad für Kinder

Besonders für Kinder richtete der Verein in der Nähe von Reschinar/Rășinari einen Naturlehrpfad durch den Trăinei-Wald ein. Während der ein Kilometer langen Wanderung treffen die Kinder Ziegen, die üblicherweise auf einer benachbarten Weide grasen, überqueren einen Bach, entdecken Moos, Laub- und Nadelbäume und untersuchen sie, ruhen sich bei einem Picknick auf einer Ausblickwiese aus und kehren durch eine kleine Klamm zurück. Auf ihrer Wanderung entdecken sie unter der Anleitung eines Erwachsenen die Kiefer und die Buche, Moos, die Waldheidelbeere und den Haselnussstrauch oder den Sauerampfer. Für weitere Informationen und das Programm der bevorstehenden Veranstaltungen stehen die Internetseiten mytransylvania.ro und eat-local.ro zur Verfügung.

Theater oder Street Art

Einen weiteren Höhepunkt des Lokaltourismus in und um Hermannstadt macht die diesjährige Auflage des Internationalen Theaterfestivals in Hermannstadt aus, die nach der online stattgefundenen Auflage im Vorjahr erneut zigtausend Kultur- und Theaterliebhaber nach Hermannstadt locken wird (die ADZ berichtete am 24. März). Die Anzeichen für die die Teilnahme des Publikums lassen auf eine mit neuem Leben erfüllte Altstadt hoffen. Besonders die Gastwirtschaft in der Stadt scheint etwas aufatmen zu dürfen, denn die Anzahl der noch verfügbaren Unterkünfte nimmt zusehends ab. Dazu trägt die Tatsache bei, dass die Hoteliers und sonstigen Gastwirte nur noch rund die Hälfte der verfügbaren Zimmer zur Verfügung stellen, was aber auch den kleineren Gasthäusern oder den Eigentümern von Mietwohnungen eine wesentlich bessere Chance bietet, am Festival mitzuverdienen. Dabei unterscheiden sich die Preise der Unterkünfte je nach den Vorlieben der Besucher, den Ausstattungen und dem dazu verfügbaren Budget. Für die gesamte Dauer des Theaterfestivals werden die Kulturliebhaber etwas über 650 Lei für zwei Plätze in einem Hostel mit gemeinsamen Zimmern, Toiletten und Duschen aufbringen müssen oder ein Zimmer mit Bad und Kochnische in der Unterstadt für 860 Lei mieten können. Eine Ein-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus kann in derselben Zeitspanne für rund 200 Euro bezogen werden und für jene, die tiefer in die Tasche greifen wollen, sind noch einige Luxusappartments für knapp 1000 Euro direkt in der Altstadt zu vermieten.

Zum Thema Kultur und Theater bietet Hermannstadt diesen Sommer aber auch die Möglichkeit, abseits der Museen und des vorgenannten Theaterfestivals, an alternativen Kulturveranstaltungen teilzunehmen. Ab Montag, dem 19. und bis zum 25. Juli gehen an ausgewählten Fassaden in der ganzen Stadt Künstler aus Rumänien, der Republik Moldau und Deutschland im Rahmen des „Sibiu Street ART Festival“ ans Werk und erweitern die Anzahl der aktuell 96 Wandmalereien auf weit über hundert. Weitere Informationen zum Festival und den damit verbundenen Veranstaltungen können auf der Internetseite streetartfestival.ro eingesehen werden.

Wer sich in Vorfreude auf das Internationale Theaterfestival auf einen wahren Theatersommer einstellen will, hat die Möglichkeit, den Vorstellungen des Kulturvereins BIS beizuwohnen. Seit dem 15. Juli und bis 26. August haben die Theaterliebhaber die Gelegenheit, an insgesamt elf vereinseigenen und eingeladenen Theatervorstellungen, Konzerten oder Filmausstrahlungen teilzunehmen. Abgesehen von bekannten Stücken wie „Die Bremer Stadtmusikanten“, „Niemand weiß, was in meinem Herzen steckt...“ mit Florin Coșuleț oder „Geboren in 2000“ feiert die beliebte Band „Țapinarii“ 20 Jahre Tätigkeit im BIS-Garten und stellt ihre neue Platte „Glück ist etwas Kleines“ (Fericirea este un lucru mărunt) am 1. August vor. Der Zutritt zu den Veranstaltungen erfolgt per Nachweis der vollständigen Impfung gegen den Coronavirus, Vorlage eines PCR-Tests, nicht älter als 72 Stunden, oder eines Antigen-Tests, nicht älter als 24 Stunden. Das Programm des Festivals kann bei der Internetadresse bisteatru.ro eingesehen werden. Für das Programm der sonstigen Kulturveranstaltungen in Hermannstadt steht auch die Internetseite sibiu.ro zur Verfügung.

Fazit ist, dass Hermannstadt selbst in Zeiten der Ungewissheit und der coronabedingten Sicherheitsmaßnahmen sehr viel zu bieten hat und seine Gäste mit offenen Armen und einem reichen Angebot an Veranstaltungen an der frischen Luft erwartet.