Zwei Superlative aus dem Nachbarland

Westungarn hat auch interessante Kulturtourismus-Reiseziele

Der Schlosspark vor dem Széchenyi-Gedenkmuseum in Nagycenk

Istvan Széchenyi – Porträt von Josef August Schoefft.

Köszeg – eine ruhige Kleinstadt mit gut erhaltenen alten Häusern, gepflegten Plätzen und einer interessanten, multikulturell geprägten Geschichte

Auch die Spuren des Kommunismus sind in Köszeg zu sehen – nicht in einem Museum, sondern in einer Kneipe.
Fotos: Ralf Sudrigian

Nur zwölf Kilometer von Sopron/Ödenburg entfernt liegt die Gemeinde Nagycenk/Großzinkendorf. Sie ist eng verbunden mit der Geschichte des ungarischen Adelsgeschlechtes Széchenyi. Das Landschloss der Széchenyis ist heute als Gedenkmuseum eingerichtet und ist zusammen mit dem Schlosspark und einer 2,5 km langen Lindenallee Teil des UNESCO-Weltkulturerbes Neusiedlersee.

Mittelpunkt der Ausstellung ist das Leben und Wirken von Istvan Széchenyi, den Lajos Kossuth als „den größten Ungarn“ bezeichnet hat – ein Titel der auch heute nicht in Frage gestellt wird. Schon Széchenyis Vater, der Graf Ferencz Széchenyi (1754-1820) gilt als einer der großen Aufklärer in der ungarischen Geschichte. Wie auch sein Zeitgenosse Samuel von Brukenthal war Franz Széchenyi ein großer Sammler von Büchern, Landkarten, Münzen usw. Er spendete sie dem von ihm gegründeten ungarischen Nationalmuseum. Sein Sohn Istvan verzichtete auf eine militärische Laufbahn zugunsten des politischen Engagements. Er gilt als einer der wichtigsten liberalen Reformpolitiker Ungarns im 19. Jahrhundert und hat wohl den bedeutendsten Anteil an der Modernisierung des ungarischen Staates nach westeuropäischem Vorbild.

Die Ausstellung, bei der man für nur 200 Forint auch einen deutschen Audioguide leihen kann, gibt einen Einblick in die vielseitige Persönlichkeit dieses Politikers, der aber nie eine Machtposition für sich angestrebt hat. Er hat sich für die Entwicklung der Industrie und Modernisierung der Landwirtschaft eingesetzt, sowie für den Ausbau des Verkehrs. Ihm ist die Flußbettregulierung der Donau zu verdanken, auch bei der Eisernen-Tor-Klamm. Zu diesem Zweck reiste Széchenyi für Gespräche mit dem Sultan nach Istanbul, aber für einige Tage im Jahre 1834 auch nach Bukarest. Ausgestellt ist in diesem Zusammenhang auch eine Ode an den ungarischen Adligen, verfasst in Bukarest in rumänischer Sprache von dem aus Kronstadt stammenden Juristen Christian Flechtenmacher (1785-1843). „Ungarn war nicht, sondern wird sein“ lautet einer von Széchenyis bekanntesten Sprüchen, der auch auf dem Sockel der Bronzestatue zu lesen ist, die vor der Pfarrkirche St. Stephan nahe des Zinkendorfer Friedhofs steht. Dort kann auch das Mausoleum der Széchenyis besichtigt werden.

Dabei erscheint der ungarische Staatsmann auch als tragischer Held. 1860 nahm er sich durch einen Kopfschuss in Döbling bei Wien das Leben, nachdem ihm die österreichischen Beamten wegen eines ironischen Pamphlets gegen Regierung und Majestät mit der Einweisung in eine Irrenanstalt gedroht hatten. Széchenyi hatte bereits 1849 nach der Niederschlagung der ungarischen Revolution einen Nervenzusammenbruch erlitten, wobei er sich einen Teil der Schuld an dieser Niederlage zuschrieb. Ausgestellt in einer Glasvitrine in der Gruft ist ein Fragment des Schädels mit der Einschussspur. Das ist zwar etwas makaber aber verständlich, wenn man erfährt, dass Széchenyis Witwe, Crestentia Seilern, damit der österreichischen Propaganda entgegenwirken wollte, die amtlich lediglich von einem Herzversagen als Todesursache etwas verlauten wollte.

Eine Kleinbahn-Lokomotivenausstellung sowie eine Ausstellung von Kutschen und Prunksätteln sind in Nagycenk ebenfalls sehenswert.

Köszeg – das „Schmuckkästchen Ungarns“

Nicht fern von Nagycenk, nur zwei Kilometer von der Grenze zu Österreich entfernt, liegt Köszeg, das früher auch den deutschen Namen Güns trug. Auch das ist ein Hinweis auf die ethnische Vielfalt in diesem Teil Ungarns. Ein Burgherr kroatischer Abstammung, Nikola/Miklos Jurisics, ist in die Geschichte dieses Teils Europas eingegangen, weil er zwischen dem 5. und dem 30. August 1532 der Belagerung des zahlenmäßig weit überlegenen osmanischen Heeres von Sultan Süleyman Widerstand leisten konnte, was diesen letztendlich dazu brachte, auf den geplanten Angriff auf Wien zu verzichten. Heute ist diese Burg ein Komplex von Museum, Gaststätte und Veranstaltungsort für Kulturevents. Repliken mittelalterlicher Waffen sind – auch zum Anfassen – ausgestellt, um sich ein Bild zu machen, wie damals gekämpft wurde. In einem Zwinger kann man für 500 Forint mit Pfeil und Bogen fünf mal auf eine Zielscheibe schießen. Im Festsaal waren – neben ausgestellter Kleidung von Hofdamen und Adligen – Schweinekeulen, Obstteller und andere Leckerbissen auf langen Tischen aufgedeckt, alles Plastikware. Für jene, die es sich leisten wollen, können hier auch echte Hochzeiten und andere Feste gefeiert werden.

Köszeg ist eine Kleinstadt mit einer Altstadt, in der sich gut gepflegte und restaurierte alte Wohnhäuser und mehrere Kirchen aneinanderreihen. Am Hauptplatz war das Hotel „Zum Goldenen Strauß“ bereits 1590 als Gasthof in Betrieb. Die katholische Herz-Jesu-Kirche zieht die Blicke an. Aber nicht nur alte Skulpturen, wie die 1713 von Servatius Leitner errichtete heilige Dreifaltigkeitssäule, sind zu bewundern, sondern auch neuere Kunstwerke, etwa die beiden Löwen, die sich den Rücken kehren und daran erinnern, dass man eigentlich viel schöner in Einverständnis und nicht in Ärger den Tag verbringen sollte. Der Jurisics-Platz wartet ebenfalls mit Baudenkmälern aus verschiedenen Epochen auf – jedes mit seiner eigenen Geschichte: das alte Rathaus, das Mesko-Haus, das Szvetics-Haus mit Renaissancegiebelwand, das Arkadenhaus oder ein Haus mit Segmentbogenloggien, die ein Sgraffitodekor aufweisen. In einem Hof in der Varkor-Straße ist die alte Synagoge zu sehen. Zu den Überraschungen dieser Kleinstadt, die man zu Fuß gemächlich in einer Stunde erkunden kann, gehört auch eine Kneipe mit dem ganzen Arsenal an Propaganda, Symbolen, Flaggen, Poster, die an den „Gulasch-Kommunismus“ unter Kadar erinnern. Sind es Nostalgiker der vergangenen Jahrzehnte, die sich hier treffen, oder will der Gasthaus-Betreiber auf diese Weise nur auffallen?

Heute jedenfalls hat Közseg viele Touristen aus Ungarn und auch aus dem Ausland. Die Stadt gilt als „Schmuckkästchen Ungarns“ wegen des  mittelalterlichen Flairs, dem gut erhaltenen Kultur- und  Bauerbe. Außerdem liegt Köszeg an der Grenze zum Burgenland, was auch heißt, dass hier und in den benachbarten Orten Weinkostproben und Weinfeste angeboten werden, wie auch ein internationales Blasorchestertreffen, ein Edelkastanienfest, ein Ost-West-Folkfestival, Straßen- und Burgtheater und vieles mehr.

Köszeg hat auch den Vorteil, dass von dort aus Wanderungen in den grenzüberschreitenden Naturpark Irottkö-Geschriebenstein unternommen werden können. Auf diesem Stein, auf der höchsten Stelle der Region (882 Meter), befindet sich ein Aussichtsturm. In ungarischen Wanderführern gilt es als Kuriosum, „dass die Trianon-Grenze den Turm durchquert“. Auf der österreichischen Seite ist ein Monogramm in den Felsen eingemeißelt – daher der Name. Seit 1998 wurde ein gut gekennzeichneter Naturpark-Fahrradweg eingerichtet, mit Radverleih an mehreren Stellen. Die Staatsgrenze markiert heute den Übergang aus einem EU-Land ins andere und ist kein Hindernis, sondern eher eine zusätzliche Attraktion für den Tourismus in dieser Region.