Wie Donnerschlag und Sturmgebraus

Vor 100 Jahren wurde der Banater Deutsche Sängerbund gegründet (Teil 3 von 4)

Aufmarsch von Sängerinnen beim Bundesfest 1936 in Marienfeld

Anton Gokler

(Fortsetzung vom letzten Freitag)

Der Chorleiterkurs Anton Goklers 1930

Im August des Jahres 1930 hielt Musikprofessor und Chorleiter Anton Gokler (1859-1942) für den Banater Deutschen Sängerbund in der Temeswarer Banatia einen Chormeisterkurs ab. Titel seiner Vorlesung: Der Chorleiter und seine Sänger. Das Manuskript dieses Kurses ist uns erhalten geblieben. Er vermerkte am Ende seines Manuskripts nach dem Kurs: „Meine Vorlesungen hatten den dankbaren schönsten Erfolg. Ich wurde aufrichtig und warm gefeiert.“ Es ist anzunehmen, dass Hans Eck ihn dazu eingeladen hat. Anton Gokler war damals bereits Rentner, davor hatte er viele Jahre die Stelle des Chorleiters im Bund ungarischer Chöre Rumäniens. In Temeswar leitete er den ungarischen Gesangverein, mit dem er selbst Konzertreisen nach Budapest und Den Haag unternommen hatte. 1930 war er der erfahrenste und älteste Chorleiter Temeswars und wurde auch von den deutschen Kreisen geschätzt und geachtet. Zum Beginn des mehrtägigen Chorleiterkurses stellte er sich den Anwesenden vor: „Um mich Ihnen auch formell vorzustellen, gestatten Sie mir, Ihnen in der bescheidensten Absicht zu sagen, dass ich Gokler heiße, ein gebürtiger Banater bin, und 52 Jahre hindurch als Pädagoge im Banate tätig war. Von diesen 52 Jahren entfallen auf meine Geburtsgemeinde Hatzfeld 10 und auf meine zweite Heimat, Temeswar 42 Jahre. Nun, da ich mich Ihnen vorgestellt und damit eine Pflicht der Form erfüllt habe, will ich mit einem nochmaligen herzlichen ‚Grüß Gott!‘ meine Arbeit beginnen.“

Anton Gokler begann seine Vorlesungen mit Daten zur Geschichte des Chorwesens in Europa, von der Liedertafel Zelters über die Berliner Liedertafel und den Chorgesang in Süddeutschland bis hin zu der Rolle von Gesangvereinen in den sozialen Schichten der Gesellschaft: „…Und auch heute, wo viele Völker unter der Katastrophe des Weltkrieges leiden, wird der Männergesang nicht erlahmen und wird überall seine Pflicht für jedes Volk und seine Kultur erfüllen und zum Gottvertrauen und edlem Streben anfeuern.“

In seiner Vorlesung sprach er viele Themen an: von der Vorbereitung des Chorleiters für die Gesangstunde, die Aufstellung des Chores, über die Zusammenstellung der Konzertprogramme, die Gestaltung der Chorproben und sogar, wie man sich für eine Chorleiterstelle bewirbt. Natürlich ging er auch auf die Rolle des damaligen Chorgesangs ein: „Kurz zusammengefasst also sind die Ziele des Chorgesanges: a. Unterhaltung im geselligen Kreise; b. Bildung und Erziehung des Volkes; c. Förderung des nationalen Gedankens; d. Pflege der Wohltätigkeit; e. Pflege der vokalen Kunst; f. Vermittlung und Nivellierung der sozialen Unterschiede; g. Förderung von Sitte und Anstand im Volksleben.“

Es ist aber ein Unterschied in den Absichten Anton Goklers im Jahre 1930 und jenen von Hans Eck nach 1933 zu erkennen. Wenn Gokler noch wohlwollend über das Kunstlied und den mehrstimmigen Chorgesang spricht, so verlangte Eck bereits wenige Jahre später diesbezüglich ein Umdenken und die Pflege des einstimmigen Gesangs.

Die Zeit des einstimmigen Gesanges in Kolonnen

Wenn bis Ende der zwanziger Jahre die politische Richtung noch nicht so leicht zu erkennen war, so konnte man bereits einige Jahre später die Äußerungen einiger Vorstandsmitglieder des Banater Deutschen Sängerbundes laut und deutlich hören und auch in Schriften lesen. Hans Eck kritisiert in einer Schrift aus dem Jahre 1936 den Zustand des Banater Chorwesens gegen Ende des 19. Jahrhunderts; für ihn war der in der damaligen Zeit gepflegte Humanismus und Liberalismus wie auch die Pflege des „Guten, Schönen und Wahren“ in der Musik der falsche Weg. Ab nun soll das Völkische, Nationale, der „Lied-Volk-Heimat“-Gedanke, das „Deutsch Singen, Fühlen, Reden,“ die Kameraden zu einem neuen politischen Bewusstsein leiten.

Die Terminologie der kulturpolitischen Agitatoren wird in dieser Zeit immer härter und direkter, selbst Zitate von Adolf Hitler werden in die Propagandaschriften des Sängerbundes übernommen. Die Schrift Hans Ecks aus dem Jahre 1936 sollte das Kulturverständnis der deutschen Sänger des damaligen Banats in eine bestimmte Richtung leiten. Das Lied soll zu einer gemeinsamen Waffe werden, zu einem Kampfmittel in der „Erhaltung unseres Volkstums“. Hans Eck sagte in einer Ansprache: „Wir lernen in der Kolonne marschieren (...), alle Volksgenossen müssen als Kameraden auf dem gleichen Wege gehen (...) dass ein neues Volk werde“, Pflichtchöre sollen vorgeschrieben und eine Programmkontrolle eingeführt werden. Im Aufruf Hans Ecks in der Festschrift zum 5. Bundesfest 1936 in Marienfeld war unter anderem zu lesen:

„Die Auszüge aus den alten Protokollen des Marienfelder Musik- und Gesangvereins weisen schon auf die Geisteshaltung hin, aus der unsere ersten Bana-ter Gesangvereine im letzten Viertel des vergangenen Jahrhunderts entstanden sind: Humanismus, Liberalismus. Der Gesang erhielt theoretisch die Aufgabe, das ‚Gute, Schöne und Wahre‘ im Menschen zu heben und daran mitzuwirken, dass der Mensch edel werde, hilfreich und gut. Die Kunst sollte ein Hauptfaktor jener Erziehung sein, die eine brüderlich gesinnte, harmonisch ausgeglichene ‚Menschheit‘ bilde! Wir wissen es heute, dass dieses ‚Menschheitsideal‘ ein Trugbild war, das schließlich zum Menschheitsbetrug wurde. (…) Wir lernen in der Kolonne marschieren! (…) Vor Gott, für Volk und Vaterland! Deswegen stehen auf unserem Bundesbanner die drei Mahnworte: ‚Lied-Volk-Heimat!‘.“

Man riet damals (1933) sogar ab, weiterhin den mehrstimmigen Chorgesang zu pflegen, da diese Tradition veraltet sei. Vielmehr solle man einstimmige, patriotische Lieder singen. Diese damaligen Anschauungen im Bereich des Banater Deutschen Sängerbundes waren damals auch beim rumänischen und ungarischen Sängerbund Rumäniens vorzufinden. Bei vorherigen Banater Chortreffen – selbst 1903, als das nationale Sängertreffen Ungarns in Temeswar stattgefunden hat – traten nacheinander ungarische, deutsche, serbische und rumänische Chöre auf. Dreißig Jahre später fanden diese deutschen, rumänischen und ungarischen Bundestreffen getrennt statt. Dies kann man anhand zahlreicher Zeitungsberichte der damaligen Zeit verfolgen.

Beim 5. Bundesfest des Banater Deutschen Sängerbundes nahmen fast 40 Chöre teil, und das Programm umfasste mehrere Kompositionen einheimischer Komponisten wie Johann Weber, Emmerich Bartzer, Josef Linster und Adam Weidmann.

(Fortsetzung nächsten Freitag)