Auf weitere 75 oder, warum nicht, 100 Jahre!

Die Feier zum 75. Jubiläum unserer Zeitung

Gäste bei der Feier zum 75. Jubiläum

Die silberne Ehrennadel des DFDR erhielten Mimi Enache (Bild) und Werner Kremm, überreicht von Dr. Porr. | Fotos: George Dumitriu

Werner Kremm

Redaktionsteam der ADZ

Präsentation Nina May

Cristiana Scărlătescu

Ein Dreivierteljahrhundert „Neuer Weg“/„Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien“ haben wir letzten Mittwoch, den 13. März, durch unsere Jubiläumesbeilage begangen. Der offizielle Festakt fand vorigen Freitag im Bukarester Goethe-Institut statt, im Beisein des Botschafters der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Peer Gebauer, unseres Herausgebers, des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), vertreten durch dessen Vorsitzenden, Dr. Paul-Jürgen Porr, den DFDR-Geschäftsführer Benjamin Jósza, die Vorsitzenden einiger Regional- und Lokalforen Dr. Klaus Fabritius (DFD-Altreich), Martin Bottesch (Siebenbürgenforum), Josef Hölzli (DFD-Nordsiebenbürgen), Christiane Cosmatu (DFD-Bukarest) und Erwin Josef Țigla (DFD-Reschitza), des Vorsitzenden der Saxonia-Stiftung, Klaus Harald Sifft, der ehemaligen Chefredakteurin der ADZ, Rohtraut Wittstock, der Redakteure und Redakteurinnen aus allen Landesteilen, der Unterstützer und Freunde der ADZ. Die Gastredner erzählten über ihren ersten Kontakt mit unserer Zeitung und erklärten, was sie ihnen bedeutet.

Als Gastgeber begrüßten Dr. Joachim Umlauf, Leiter des Goethe-Instituts, und Chefredakteurin Nina May alle Gäste zum Auftakt der Feierlichkeit.

Als Erster ergriff Dr. Paul-Jürgen Porr das Wort. Er hat sich als fleißiger Leser unserer Zeitung beschrieben und betonte, diese sei schon immer eine lesenswerte Zeitung gewesen, eine der ganz wenigen während des Kommunismus, auch wenn zu jener Zeit auf der ersten Seite die Reden des Diktators Nicolae Ceaușescu abgedruckt werden mussten. Nach dem Umsturz des kommunistischen Regimes herrschte bei der Zeitung Geld- und Personalmangel. Er erinnerte sich, wie er bei Klaus Johannis, damaliger DFDR-Vorsitzender und heutiger Staatspräsident, für das Fortbestehen der ADZ als Tageszeitung geworben hatte, damit sie nicht in ein Wochenblatt umgewandelt werde und wie er durch die Übernahme der Leitung des Aufsichtsrates zur Rettung der ADZ beigetragen habe. „Auch wenn das Forum Herausgeber ist, wollten wir kein Vereinsblatt, sondern eine moderne, informative Tageszeitung für ein möglichst breites Lesepublikum“, hieß es. 

Eine Stimme für die deutsche Minderheit

Als nächster Redner erzählte Dr. Peer Gebauer, wie die ADZ ihn im Alltag begleitet und beim Verständnis der rumänischen Politik und Wirtschaft hilft. „Das ist keine kleine Leistung, insbesondere als Blatt mit weniger Kapazitäten als die großen, dass es der ADZ gelingt, Journalismus unaufgeregt, präzise und glaubwürdig zu betreiben. (…) Ein ganz zentraler Mehrwert dieser Zeitung ist, dass die deutsche Minderheit und die Kultur der Deutschen hierzulande eine Stimme haben und jeden Tag sichtbar gemacht werden“, hob der deutsche Botschafter hervor.

Erfüllendes Berufsleben

Weiter erwähnte Rohtraut Wittstock, dass sie von 75 Jahren 44 an der täglichen Erstellung der Zeitung  mitgearbeitet habe, zuerst als Kulturredakteurin, später nach der Wende 1989 in der Leitung der zentralen Redaktion in Bukarest als stellvertretende Chefredakteurin und schließlich als Chefredakteurin der ADZ. Sie rief frühere Chefredakteure und erfahrene Journalistinnen und Journalisten in Erinnerung. Im Rückblick hielt sie ihr Berufsleben für sehr erfüllend. „Meine journalistische Arbeit, die den Deutschen und Deutsch Lesenden in Rumänien galt, war mir ein echtes Anliegen und hat mir darüber hinaus Spaß gemacht“. Die Zeitung begleitet sie weiter in ihrem Alltag und sie erkennt in den Texten und Bildern ihre ehemaligen Kolleginnen und Kollegen wieder, freut sich über neue Namen von Mitarbeitern sowie über neu aufgegriffene Themen.

Als Nächste kam Elise Wilk, Leiterin der Tochterzeitung „Karpatenrundschau“ zu Wort. Dieses Jahr feiert sie ihr eigenes Jubiläum, ein ereignis- und lehrreiches Jahrzehnt, seitdem sie bei der ADZ arbeitet, obwohl die Zeitung ihr Leben schon immer begleitet hat, ob als Leserin, Autorin eines Aufsatzes für die Deutsch-Olympiade, der in der ADZ veröffentlicht wurde, oder auf einem Foto, als sie Theater spielte. Sie sprach über die Freude am Teilen ihrer Eindrücke  mit der Leserschaft durch ihre Berichte. Daher seien die Leserinnen und Leser sowie die Gemeinschaft um diese Zeitung sehr wichtig. Sie unterstrich noch die Funktion der Zeitung als Zeitzeuge und Spiegel der Zeit.

Danach entspannte Siegfried Thiel, Leiter der „Banater Zeitung“, die Gäste mit einer Anekdote aus seiner Kindheit, über den ersten Kontakt mit dem „Neuen Weg“. Nach einer 30-jährigen journalistischen Karriere wies er auf die Beständigkeit, Langlebigkeit und Konsequenz als Spezifikum unserer deutschen Zeitungen hin. Den am Ende seiner Rede geernteten Applaus widmete er „allen, die diese Zeitung aufgebaut und getragen haben und allen, die es auch heute noch tun.“ 

Eine Zeit(ungs)reise

Anschließend entführte Chefredakteurin Nina May auf eine Zeit(ungs)reise. Im  Gründungsjahr der Zeitung 1949 wurde im April die NATO ins Leben gerufen, damit ist unsere Zeitung sogar ein Monat älter als die Organisation des Nordatlantikvertrags. Im Mai tritt die Verfassung Deutschlands in Kraft, im August zündete die Sowjetunion ihre erste Atombombe und im Oktober rief Mao die Volksrepublik China aus. 

„Den ‘Neuen Weg’ kennzeichnete von Anfang an ein Paradoxon: Geschaffen wurde er als Propagandaorgan, um die Deutschen im Sinne der sozialistischen Idee zu erziehen. Tatsächlich wurde er aber schnell ein Bindeglied und ein ganz wichtiges Element des Selbstbewusstseins der deutschen Minderheit als solche“, wodurch die Gruppen der deutschen Minderheit zusammengefunden haben. 

Mit dem Schwund von fast 90 Prozent der Leserschaft durch die Massenauswanderung nach der Wende 1989 verlor die Zeitung auch sehr viele Mitarbeiter. Sie war auf einmal nicht nur das Sprachrohr für die deutsche Minderheit, sondern musste sich neu erfinden und neue Leserkreise erschließen, darunter Unternehmer, Diplomaten aus deutschsprachigen Ländern, Deutsch-Lernende usw. Die ADZ kämpfte zwar um ihr Überleben. Eine Zeitlang war sie auch Verlag. Stabilität kam erst 2008 mit der Übernahme durch das DFDR als Herausgeber.

Wo steht die Zeitung heute?

Die gegenwärtigen Herausforderungen der ADZ in Bezug auf die ständig abnehmende deutsche Minderheit und implizite die Leserschaft hierzulande meistert die Zeitung durch qualitativ hochwertige Inhalte und die Vermittlung des Mehrwerts, den die deutsche Minderheit mit dem „unsichtbaren Plus“ wie die Chefredakteurin diesen Mehrwert nennt, mitbringt. Dieses Plus vermittelt sich erstens durch die Mehrsprachigkeit, die laut Wissenschaft mit einem erhöhten Konfliktlösungsvermögen, besserem visuellem Gedächtnis und flexiblerem Denken einhergeht, das Leben in ethnischer Vielfalt als „Friedensgarantie“, was Toleranz und einen europäischen Geist fördert. Selbst die eigene Pflege der Identität und der Kultur durch deutsche Schulen, Tanzgruppen, religiöse Gemeinschaften und kulturelle Veranstaltungen hat eine positive Auswirkung, zumal sie auch der Mehrheitsgesellschaft angeboten werden: sie fördert das Image der deutschen Minderheit und übt einen gewissen soziokulturellen Einfluss aus. Das vierte Plus vermittelt sich durch die engen Beziehungen der Ausgewanderten und Hiergebliebenen über die Landesgrenzen hinweg, die zu einer engeren Beziehung zu Deutschland führten, sichtbar in der Brückenfunktion der deutschen Minderheit in Politik und Wirtschaft. 

Weiter zählte sie noch die Produkte der ADZ auf. Neben der gedruckten Zeitung bieten wir ein Abonnement für die elektronische Variante unserer Zeitung im PDF-Format, die der Druckausgabe vorauseilt, die Online-Plattform, auf der viele Nachrichten und Artikel täglich hochgeladen werden, die Wochenbeilagen „Karpatenrundschau“ und „Banater Zeitung“ sowie das ADZ-Jahrbuch, ein Spiegel der Entwicklung der deutschen Minderheit und ihrer Aktivitäten im kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Bereich. 

Alle paar Jahre gibt die ADZ auch den Reiseführer „Komm mit“ heraus – eine Wiederauflage mit neuem Konzept des beliebten gleichnamigen Wanderführers, der zwischen 1970 und 1990 vom „Neuen Weg“ herausgegeben wurde und sich als Erfolgsprodukt erwiesen hatte. Dessen jüngste, druckfrische Ausgabe hat sich als die große Überraschung des Abends entpuppt und jeder Teilnehmer durfte ein Exemplar mitnehmen.

„Die Mission unserer Zeitung bleibt weiterhin, über die deutsche Minderheit auch über die eigenen Reihen hinaus zu informieren, außerdem vermittelt sie ein Rumänienbild im Ausland fern der üblichen Vorurteile, informiert möglichst neutral über die wichtigsten Ereignisse im Inland. Sie gilt als Multiplikator für demokratische und europäische Werte, hebt die bilateralen Beziehungen zwischen Rumänien und Deutschland hervor, leistet einen Beitrag zum Erhalt der deutschen Muttersprache oder zum Erlernen der deutschen Sprache und macht sich für ehrlichen Journalismus, gegen Hassrede und Fake News stark. Das ist eine moderne Mission, ein Bogen, gespannt zwischen Erinnern, Gedenken, Geschichtsaufarbeitung auf der einen Seite und auf der anderen Seite die modernen Herausforderungen für den Journalismus, für die Völkerverständigung, für Frieden, für Freiheit und Demokratie“, betonte Nina May.

Über den Verdienst der Zeitung als wichtigstes Bindeglied der deutschen Volksgruppen in Rumänien waren sich alle Redner einig.

Zum Schluss bedankte sich Nina May nicht nur bei den Mitarbeitern und allen, die zum Fortbestehen der Zeitung beigetragen haben, sondern auch bei ihrem Ehemann George Dumitriu, dem langjährigen freiwilligen Mitarbeiter, der unserer Zeitung nicht nur regelmäßig Fotos zur Verfügung stellt, sondern der sie und die ADZ ständig unterstützt hat und oft als „Opfer“ ihrer Glossen unter dem Namen „der Göttergatte“ auftritt.

Ehrungen

Darauf folgte die offizielle Ehrung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien. Als Anerkennung ihrer Leistungen im Dienst unserer Zeitung und der deutschen Minderheit in Rumänien überreichte Landesvorsitzender Dr. Paul-Jürgen Porr der Buchhalterin Mimi Enache aus Bukarest, die auf eine 30-jährige Karriere bei der ADZ zurückblickt, und  dem Reschitzaer Germanisten, Redakteur und Schriftsteller Werner Kremm, der seit über 50 Jahren für unsere Zeitung schreibt, die silberne Ehrennadel des Forums. Die Laudationen haben Nina May und Erwin Josef Țigla gehalten. Ihre in der Ausgabe vom Freitag, dem 15. März, erschienenen Porträts schaffen einen Überblick über ihre Verdienste.  

Auf dem anschließenden Empfang stießen alle Gäste auf das Fortbestehen unserer Zeitung an: „Auf weitere 75 oder, warum nicht, 100 Jahre!“ 


Weiter unten finden Sie eine Sammlung von Artikeln, die vergangene Woche anlässlich des 75. Jubiläums veröffentlicht wurden sowie die Jubiläumsbeilage vom 13. März als PDF angehängt.

Zum 75. Jubiläum – von Herzen! | Leserinnen und Leser gratulieren der ADZ und erinnern sich an den Neuen Weghttps://adz.ro/meinung-und-bericht/artikel-meinung-und-bericht/artikel/zum-75-jubilaeum-von-herzen  

Was ich an meinem Job am meisten liebe…https://adz.ro/artikel/artikel/adz-jubilaeum-was-ich-an-meinem-job-am-meisten-liebe 

„Die wichtigsten Entscheidungen muss man mit dem Herzen treffen“ | Gespräch mit ADZ-Chefredakteurin Nina Mayhttps://adz.ro/artikel/artikel/die-wichtigsten-entscheidungen-muss-man-mit-dem-herzen-treffen  

„Als Journalist zu arbeiten, das muss man sich wünschen“ | Interview mit Rohtraut Wittstock, ehemalige Chefredakteurin der ADZhttps://adz.ro/meinung-und-bericht/artikel-meinung-und-bericht/artikel/als-journalist-zu-arbeiten-das-muss-man-sich-wuenschen  

Der gute Mensch von Reschitza | Werner Kremm ist seit seiner Studentenzeit journalistisch aktivhttps://adz.ro/artikel/artikel/der-gute-mensch-von-reschitza 

Auf den Barrikaden hinter den Kulissen | Mimi Enache – seit 30 Jahren im Einsatz für die ADZhttps://adz.ro/artikel/artikel/auf-den-barrikaden-hinter-den-kulissen 

Ein treuer Wegbegleiterhttps://adz.ro/artikel/artikel/adz-jubilaeum-ein-treuer-wegbegleiter  

Worte, die Gold wert sind – Als die Karpatenrundschau noch eine eigene Zeitung warhttps://adz.ro/artikel/artikel/worte-die-gold-wert-sind